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rheinische ART 01/2025

Archiv 2024

FOTOGRAFIE
Blossfeldt-Variationen


Die Pflanzenfotografien von Karl Blossfeldt sind weltberühmt. Ihr Schöpfer dagegen ist der Allgemeinheit weniger vertraut. Dabei ist er mit seiner Naturanlehnung so aktuell wie eh und je!

 

Karl Blossfeldt Lichtnelke, vor 1932. Courtesy Universität der Künste, Berlin, Universitätsarchiv, in Zusammenarbeit mit der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln. Bildquelle © SK Stiftung Kultur

 

Wie gehen Naturformen in Gestaltungslehre, Design und Kunst ein? Dies ist bis heute ein aktuelles Thema und wird gerne unter dem Topos Biomorph verpackt.

 

Karl Blossfeldt um 1895. Photograph unbekannt. Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei

 

In der Fotografie wurde die Frage schon vor über 130 Jahren diskutiert. Ihr damaliger Star war der gelernte Modelleur, Kunstgießer und Bildhauer Karl Blossfeldt (1865–1932).

     Mit seinen detaillierten Pflanzenfotos, die er mit einer offenbar selbst gebauten Kamera anfertigte, gilt er als Vertreter der Neuen Sachlichkeit und als Pionier des Metiers.
     Die stilisierten und formstrengen Abbildungen sind derzeit in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur im Kölner Mediapark unter dem Titel Karl Blossfeldt – Photographie im Licht der Kunst zu sehen.

     Die Arbeiten, selten im Rheinland ausgestellt, zählen zu den Klassikern der Fotografie- und Kunstgeschichte. Blossfeldt war nicht als freier Kunstfotograf tätig. Vielmehr gingen seine „dienstlich“ erzeugten Pflanzenbilder in eine Lehrmittelsammlung ein, mit der sein Mentor Gottlob Moritz Meurer (1839–1916), ein Grafiker und Kunstpädagoge, das Pflanzenstudium an der Berliner Kunstgewerbeschule als Lehr- und Schulungsinhalt etablierte.

 

Karl Blossfeldt Schönmalve (Abutilon), Samenkapseln, 6-fach, o.J. Courtesy Universität der Künste, Berlin, Universitätsarchiv, in Zusammenarbeit mit der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln. Bildquelle © SK Stiftung Kultur

 

Meurers Unterrichtsmethode, die auf ornamentalen Formen der Pflanzen aufbaute, übte später großen Einfluss aus auf den Unterricht an Kunstgewerbeschulen generell sowie auf den Jugendstil (mehr) in Deutschland und sie war ein Wegbereiter des Biomorphismus in der bildenden Kunst.


Der Reiz von Blossfeldts Florabild-Variationen besteht bis heute in der Art und Weise, wie er die Pflanzen ihrer natürlichen Umgebung enthob und fotografisch arrangierte, sie dabei zuvor teils so veränderte, dass sie wie Skulpturen oder Ornamente wirken.

     Er arbeitete somit nicht nach dem Gestalterprinzip „Form Follows Function“. Vielmehr galt die Devise „Form Follows Flower“ (mehr).

 

Karl Blossfeldt Haarfarn (Adiantum pedatum), junge gerollte Wedel, 20-fach, o.J. Courtesy Universität der Künste, Berlin, Universitätsarchiv, in Zusammenarbeit mit der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln. Bildquelle © SK Stiftung Kultur

 

Mit 271 Originalabzügen wird sein Œuvre in Köln erstmals seit zwei Jahrzehnten wieder in großem Umfang präsentiert. Eindrucksvoll entfaltet sich ein Fotowerk, das im Kontext der Kunstausbildung entstand und erst wenige Jahre vor Blossfeldts Tod als eigenständige künstlerische Haltung entdeckt wurde.

     Die Werke des aus dem Dorf Schielo im Harz stammenden Fotopionier werden in einem Atemzug mit denen von August Sander und Albert Renger-Patzsch genannt. In der Rezeption gelten sie vor allem als prototypisch für die Neue Sachlichkeit und das Neuen Sehen.
     Bereits 1898 hatte Blossfeldt begonnen, Pflanzen, Samen und anderes Naturmaterial zu fotografieren. Er nutzte deren organische Formen, um sich mit Linearität und Fragen des Entwurfs auseinander zu setzen.

 

Karl Blossfeldt Traubenholunder, o.J. Courtesy Sammlung Karl Blossfeldt im Archiv der Universität der Künste Berlin & Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln. Bildquelle © SK Stiftung Kultur

 

Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Berliner Kunstgewerbeschule unterrichtete er den Kurs „Modellieren nach lebenden Pflanzen“.

     Stets verwendete er für die Fotografien einen neutralen Hintergrund und stützte sich dabei auf Klassifikationssysteme für Arzneimittel und Kräuter aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Bis 1926, als er das erste Mal seine Fotografien ausstellte, war sein Formenkatalog auf mehr als 4000 Bilder angewachsen.

     Die Begeisterung von Blossfeldt und Meurer für alles Biomorphe war auch dem Zeitgeist geschuldet. Es gab reformorientierte Gestalter und Pädagogen, der Jugendstil blühte – wenn auch nur kurz für zwei Jahrzehnte. In England und Frankreich feierte alles Organische und Ornamentale, ob Blattranken, Blütenstängel oder Fruchtstände, Triumphe.

     Auch wenn Blossfeldt die Pflanzenfotos in diesem von Naturformen dominierten kreativen Umfeld der 1920er-Jahre schuf, wirken der scharf gezeichnete Realismus, die strenge Komposition und Schönheit, letztlich auch der dokumentarische Stil erstaunlich avantgardistisch. Bis heute!
cpw

 
 Mit der Erstausgabe zur Pflanzenfotografie, die 1928 unter dem Titel „Urformen der Kunst“ erschien, wurde er schlagartig berühmt, auch international. Die Auflage von 6000 Stück verkaufte sich innerhalb weniger Monate. In der Folgezeit erschienen weitere Ausgaben in Deutschland, Frankreich, England und den USA. 1932 folgte die Publikation „Wundergarten der Natur“.

 

 Naturstudien von Pflanzen sind als Vorbild für die künstlerische Formfindung bis heute verbreitet. Biomorphe Elemente finden sich beispielsweise in Gemälden von Surrealisten wie Salvador Dalí, Yves Tanguy, Joan Miró (mehr) oder Wassily Kandinsky. In der Bildhauerei bei Hans Arp (mehr), Constantin Brâncuși und Henry Moore. Die jüngste biomorph-inspirierte Ausstellung ist die Tokioter Schau Le Corbusier – Die Synthese der Künste im Panasonic Shiodome Museum of Art.

 

Die Ausstellung Karl Blossfeldt – Photographie im Licht der Kunst ist bis zum 2. Februar 2025 zu sehen.
Die Photographische Sammlung/
SK Stiftung Kultur

Im Mediapark 7
50670 Köln

Tel 0221 / 88895 300
Öffnungszeiten
Täglich 14 – 19 Uhr
MI geschlossen
Am ersten Donnerstag im Monat ist der Eintritt frei und die Öffnungszeit bis 21 Uhr verlängert.

 

Literaturhinweise


 Ulrike Meyer Stump, Karl Blossfeldt: Variationen, 516 Seiten, Lars Müller Publishers 2020, ISBN 978 3037786352

► Moritz Meurer, Karl Blossfeldt & Co., Form Follows Flower. Hrsg. A. Nikolei, S. Thümmler und Staatl. Museen Berlin. 152 Seiten, Deutscher Kunstverlag DKV 2017. ISBN 978 3422074453

 

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