rheinische ART
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rheinische ART 04/2021

Archiv 2021

MINI-STADT
Auferstanden nach Abriss


Es gibt in Deutschland fast 20 Orte namens Neustadt. Von Schleswig-Holstein über das niedersächsische Neustadt am Rübenberge und Thüringens Neustadt am Rennsteig bis an die Donau – und noch mehr Kommunen nutzen den Terminus als Stadtteilbezeichnung.


 

Ansicht der Installation „Neustadt“ im Landschaftspark Duisburg-Nord. Vorne das Gebäudemodell VHS Essen, dahinter das Citywohnhaus Bergkamen, rechts St. Joseph Essen. Foto © Studio Julius von Bismarck

 

Aber es gibt keinen Ort wie diesen! Neustadt als Kunstwerk, als großflächige Installation am „Emscherkunstweg“ im westlichen Ruhrgebiet ist eine ziemlich einzigartige Sache.

     Allein schon deshalb, weil es kein realer Ort ist sondern eine Ansammlung skulpturaler Modelle nur zu einem Zweck: als Erinnerungs-Parcours für architektonisch Vergangenes. Diese Neustadt repräsentiert 23 abgerissene Gebäude im Maßstab 1:25, die einst im Revier standen und den Abrissbirnen zum Opfer fielen. Es ist regionale Architekturgeschichte en miniature, greifbar gemacht anhand eines fiktiven Ortes.

 

Die Initiatoren Julius von Bismarck und Marta Dyachenko. Foto © Daniel Sadrowski/ Emscherkunstweg

 

Per Schubleichter gelangten die in Berlin gefertigten Exponate über Kanäle nach Duisburg. Foto ©️ Heinrich Holtgreve/Emscherkunstweg

 

Über zwei Jahre Planung und Recherche gingen dieser sprichwörtlichen „Neustadt“ voraus. Der in Berlin lebende Künstler Julius von Bismarck hat diese sehr spezifische „Land ART“ mit der Architektin und Künstlerin Marta Dyachenko realisiert.

     Die letzten zwei Jahrzehnte der Bau- und Abrissgeschichte des Reviers werden gespiegelt und einst markante Gebäude per Nachbau in Erinnerung gerufen.

     Für das Modellierer-Duo sind eigenen Aussagen zur Folge die ehemaligen realen Bauwerke „Beton gewordene Visionen“, die nun in der „Stadt einer nicht eingetroffenen Zukunft“ wiederauferstehen
     Auf einem Areal zwischen der Alten Emscher, dem Fahrradweg „Grüner Pfad“ und der Autobahn A 42 ist diese Kunst-Stadt im Duisburger Landschaftspark-Nord angesiedelt.

 

Die Installation erzählt vom Wohnen und Leben im gesamten Ruhrgebiet. Die gewählten Gebäudetypen und Bauaufgaben folgte dabei keinem strengen System, sondern auch ästhetischen, skulpturalen Kriterien und dem Wunsch, einen Querschnitt des regionalen Städtebaus aufzuzeigen.

     Ein Essener Mietshaus etwa aus der Gründerzeit, der Betonkomplex einer Siedlung, die in den Wirtschaftswunderjahren in Marl auf der grünen Wiese entstand (mehr) oder typische Wohneinheiten im Plattenbaustil verdeutlichen die Sozialgeschichte der 1970er Jahre.

 

Auch Sakralbauten sind nicht ausgenommen. Die Lebenszyklen der Duisburger Paulskirche von 1970 oder der neugotischen Kirche St. Joseph in Essen-Kupferdreh, die 1904 eingeweiht und 2015 abgerissen wurde, stehen beispielhaft für den gesellschaftlichen Wandel, der sich auch immer stärker in den Glaubensgemeinschaften zeigt (mehr).

     Die Volkshochschule in Essen mit ihrer besonderen stufenförmigen Architektur oder Waschbeton-Reliefs an Fassaden erinnern an „bessere Zeiten“ und lassen auch Fragen zum Denkmalschutz aufkommen. Schließlich gehörten viele dieser Bauwerke einst zu den Ikonen der modernen Architektur der Nachkriegszeit (mehr).

     Vielen Gebäuden ist gemein, dass sie auf eine lange „Leidensgeschichte“ zurückblicken, wie die Initiatoren betonen. Oft verfielen sie, weil von den Verantwortlichen eine Umnutzung oder Sanierung nicht durchgesetzt werden wollte oder konnte, oder es ihnen schlicht an Phantasie fehlte.
cpw

 


Mit der Zeit soll die vorhandene Vegetation die fiktive „Neustadt“ einbetten und ihre Maßstäblichkeit verschieben. Nicht zuletzt besitzt die neue Stadt aus „alten Häusern“ eine große Aufenthaltsqualität und verführt dazu, über die Entwicklung der eigenen unmittelbaren Umgebung nachzudenken.

► Der "Emscherkunstweg" ist eine rund 80 Kilometer lange Strecke, an der ständig Skulpturen und Installationen gezeigt werden. Hervorgegangen aus drei Emscherkunst-Ausstellungen in den Jahren 2010, 2013 und 2016 reflektiert dieser kreative Bestand den Strukturwandel des Ruhrgebiets.


Die Installation „Neustadt“ ist Teil des „Emscherkunstweges“ und wird im Landschaftspark Duisburg-Nord dauerhaft öffentlich zugänglich gehalten.


Landschaftspark Duisburg-Nord
Emscherstraße 71
47137 Duisburg
Tel 0203 4291919
Öffnungszeiten:
Rund um die Uhr geöffnet

 

Aktuelle Pandemie-Regelungen sind zu erfragen.

 

 

 

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