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rheinische ART 07/2011

Archiv 2011: aus "Über die Grenze geschaut"

Aesthetic Movement 1860 - 1900

Frederic Leighton, Pavonia, Öl auf Leinwand, 1858, © Private Collection c/o Christie’s


 

ENGLISCHE 

 

OPULENZ

 

 

Das Londoner Victoria&Albert Museum präsentiert mit der Ausstellung „The Cult of Beauty“ das erste Mal eine umfassende Retrospektive des „Aesthetic Movement“, einer englischen Kunstrichtung des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die in Deutschland nahezu unbekannt ist. Dabei war das „Aesthetic Movement“ höchst bedeutsam für die weitere Entwicklung der Künste zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Kontinent.

 

 

FÄLLT DER Begriff Aesthetic Movement, so stehen einem zunächst Namen wie Oscar Wilde oder James McNeill Whistler vor Augen. Auch das britische Arts and Crafts mit William Morris wird häufig in einem Atemzug genannt. Dabei sind die Grenzen oftmals schwer zu ziehen, und auch das Aesthetic Movement selber ist weniger eine einheitliche Künstlerformierung denn eine äußerst heterogene Gruppe Kreativer jeglicher Couleur, die oftmals nur ein einziges Ziel verband: Zweckfrei Schönes zu schaffen.

 

Gefragter Luxus


Über die Frage, weshalb dieser Gedanke gerade im prüden viktorianischen England eine derartig exzessive Ausprägung fand, ist viel diskutiert worden. Zumeist wird die Bedrohung der Industrialisierung als Auslöser angesehen, von deren Massenprodukten sich die kulturelle Elite durch die extravagante Zurschaustellung eines erlesenen und teuren Geschmacks abgrenzen wollte. Und was konnte erlesener sein als der Luxus des zweckfrei Schönen?
   Dieser Grundgedanke, der maßgeblich vom englischen Kulturphilosophen Walter Pater angefeuert wurde, fand seinen Widerhall in sämtlichen künstlerischen Medien des viktorianischen Zeitalters, wie die Londoner Schau gekonnt zeigt. Die religiöse und am christlichen Mittelalter orientierte bildende Kunst der Präraffaeliten (Dante Gabriel Rossetti, William Holman Hunt) wird ebenso ausführlich dargestellt wie die der viktorianischen Neoklassizisten (Lord Leighton, Lawrence Alma-Tadema,William Godward - eins seiner wenigen öffentlich ausgestellten Bilder ist im Wallraf-Richartz Museum in Köln zu bewundern), die sich auf die rein dekorative Darstellung idealisierter antikisierender Szenen spezialisierten.

 

Blick in einen der dem viktorianischen Zeitgeist entsprechenden Ausstellungsräume im V&A Museum

 

Möbel, Architekturentwürfe und mehr


Auch Kunsthandwerk und Architektur ist reichhaltig vertreten. An den zahlreichen Möbel- oder Interieurentwürfen von Christopher Dresser oder Edward William Godwin lässt sich der starke japanische Einfluss ablesen, der sich etwa auch in den ausgestellten Gemälden Whistlers erkennen lässt und der ganzen Epoche zusätzlich das Prädikat des Japonismus einbrachte. Im Gegensatz hierzu steht die eklektische Verwendung neogotischer, neoklassizistischer und orientalischer Elemente in der Architektur, wie George Aitchinsons Entwurfszeichnungen für Lord Leightons Stadtvilla zeigen.
    Die neue eklektische Ästhetik wurde schnell zum „Must have“ der wohlhabenden Londoner, weshalb Arthur Lasenby Liberty 1875 das Kaufhaus „Liberty of London“ gründete, das vornehmlich mit exotischen Kunst- und Nutzgegenständen als auch mit den Erzeugnissen heimischer Kunsthandwerker und Designer handelte.

 

Das Victoria and Albert Museum im Stadtteil South Kensington

Freier schöpferischer Umgang


Freilich stieß der Grundgedanke der zweckfreien Schönheit schnell an seine Grenzen - im Kunsthandwerk - im Entwurf einer Zuckerdose oder eines Sessels - musste er sich zwangsläufig ad absurdum führen. Mochte der theoretische Unterbau in der Praxis auch problematisch umzusetzen sein, die Künstler des Aesthetic Movement zeigten eine bislang nie da gewesene Kreativität im freien Umgang mit bereits bestehenden Formen. So wäre etwa der kontinentaleuropäische Jugendstil ohne den englischen Einfluss kaum denkbar gewesen. Auch die Wiener Werkstätten bezogen sich explizit auf die englischen Vorgänger.
   Die Londoner Ausstellung schafft einen grandiosen Blick auf die eigene Kunstgeschichte. Dabei bietet sie nicht nur einen opulenten Überblick über jene Kunstepoche, sie begeistert auch durch die Zusammenstellung hochqualitativer Kunstwerke. So ist etwa eine ähnliche Dichte von Gemälden Whistlers in Europa (sieht man von der ständigen Ausstellung in der Tate Britain ab) nicht zu finden.

Robert Woitschützke

 

Die Ausstellung „The Cult of Beauty. The Aesthetic Movement 1860 – 1900“ ist noch bis zum 17. Juli 2011 zu sehen.

Victoria and Albert Museum
Cromwell Road
South Kensington
London SW7 2RL
United Kingdom


Öffnungszeiten
täglich 10.00 Uhr bis 17.45 Uhr
Freitags 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr

 

 

Fotos (3) Victoria and Albert Museum

©rheinische-art.de

 

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