rheinische ART
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rheinische ART 06/2021

Archiv 2021

HANNAH ARENDT

Denken ohne Geländer


Die jüdische deutsch-amerikanische Publizistin Hannah Arendt ist eine der wichtigsten politischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Und so aktuell und populär wie nie!

 

Hannah Arendt in einem Seminar, Center for Advanced Studies at Wesleyan University, Deutsches Historisches Museum © Courtesy of the Wesleyan University, Special Collections & Archives, Bildquelle © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

 

Die Schriftstellerin und Philosophin flüchtete 1941 aus dem nationalsozialistischen Deutschland und prägte maßgeblich zwei zentrale Begriffe: „Totale Herrschaft“ und „Banalität des Bösen“. Sie schrieb über Antisemitismus, die Lage von Flüchtlingen, den Eichmann-Prozess in Jerusalem, den Zionismus, Imperialismus, das politische System und die Rassentrennung in den USA, die Nachwirkungen des Naziregimes, aber auch über den Feminismus. Aber eine Feministin war sie nie.

 

Hannah Arendt (1906–1975) Photo: Ricarda Schwerin © ullstein bild - Heritage Images / Ricarda Schwerin, Bildquelle © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

 

Die Bonner Bundeskunsthalle zeigt – verlängert leider nur noch bis zum 20. Juni – eine der wohl wichtigsten und beeindruckendsten Ausstellungen in diesem Frühsommer im Rheinland: Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert. Man kann sich in dieser ungeheuer fakten- und dokumentenreichen, großartig kuratierten Präsentation verlieren.

     Nach ihrer Flucht aus Nazi-Deutschland äußerte sich Hannah Arendt (1906– 1975) immer wieder zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen, ob 1956 zum ungarischen Aufstand, den sie als Revolution feierte, oder die Studentenbewegung der Sechzigerjahre, Stalinismus, Kolonialismus oder auch zur Situation im Nachkriegsdeutschland und Fragen der Wiedergutmachung.
     Sie bezog gerne und viel Stellung und schnell merkt der Besucher: Keines dieser Themen ist abgeschlossen. So zeigt die Ausstellung ein Leben und Werk, das die Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt und bis heute voller Sprengkraft ist.

 

Tape Art zur Ausstellung im Foyer von TAPE THAT www.tapethatcollective.com Bildquelle © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

 

Die Präsentation ist keine biografische, sondern beleuchtet Arendt als öffentliche Intellektuelle: die Kontroversen, die sie führte, die Einsichten, die sie hervorbrachte, die Irrtümer, denen sie unterlag. Immer wieder fordern Arendts Thesen auch in aktuellen politischen Zusammenhängen das eigene Urteilsvermögen des Betrachters heraus, gerade in einer Zeit, in der die Demokratie an vielen Orten der Welt Gefahr läuft, unterwandert zu werden, heißt es in der Ausstellung.

 

Hannah Arendt's Zigaretten-Etui © Deutsches Historisches Museum, Sammlung Edna Brocke Photo: DHM/D. Penschuck, Bildquelle © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

 

Blick in die Ausstellung Foto Laurin Schmid, 2020 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

 

Ihrem subjektiven Blick folgt die Schau in 16 kurzweiligen Kapiteln - mit Fotos, Ton- und Filmdokumenten, mit Objekten aus Hannah Arendts privatem Nachlass sowie internationalen Leihgaben. Das Anliegen: Kristallisationspunkte der Geschichte des 20. Jahrhunderts auf neue Weise darzustellen.

     Hannah Arendts rigide Urteilsfreude und ihre Lust auf eine Art intellektuelles Wagnis ist in der Bonner Ausstellung nicht zu übersehen und die Liste der Kontroversen, die diese kritische Denkerin ausgelöst oder befördert hat, ist lang. Am heftigsten waren die Konfrontationen um ihr Buch Eichmann in Jerusalem, die weltweit geführt wurden und auch in der Ausstellung viel Raum einnehmen.

 

Arendt blieb sich und ihrer Gedankenwelt, diesem Gemenge aus Liberalismus, Konservatismus aber auch Linksorientierung stets treu, sie lässt sich bis heute keiner bestimmten Schule, Tradition oder Ideologie zuordnen. Was dazu führte, dass sie schwer einzuordnen und wohl auch daher so ungeheuer interessant geblieben ist. Für sie war das populär ausgedrückt „Denken ohne Geländer“. Als Identifikationsfigur und unbeugsame Frau finde Hannah Arendt heutzutage auch bei einer jüngeren Generation große Aufmerksamkeit, so die Intendantin der Bundeskunsthalle, Eva Kraus.
K2M

 

Die cirka 300 Schaustücke stammen aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums und anderen Institutionen, etwa dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach, der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien und dem Jüdischen Museum in Frankfurt.

 

Die Ausstellung Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert kann bis zum 20. Juni 2021 besucht werden.

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Friedrich-Ebert-Str. 4
53113 Bonn
Tel +49 228 9171-0
Öffnungszeiten
DI, MI 10 – 21 Uhr
DO – SO 10 – 19 Uhr

Pandemiebedingte Zeitfenster sind zu erfragen.

 

 

 

 

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