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rheinische ART 03/2014

Archiv 2014

FILMTHEATER-ÄSTHETIK DER 50ER JAHRE
Parkett oder Loge?

 

Sie hießen Gloria, Apollo oder Regina, manche eher sachlich Lichtburg, Schauburg, Capitol oder Metropol. Gelegentlich auch ganz einfach nur Kino. Die Filmtheater der 50er: das waren große und kleine Räume für´s Träumen und Vergnügen nach den Jahren des Krieges. Eine Unterhaltungswelt, deren Architektur und Ambiente bei aller Nostalgie noch heute von Reiz ist, wie man im Eifeler Kulturkino Vogelsang unschwer feststellen kann.

 

Unveränderte Nutzung bis in die Gegenwart: Ohne Modernisierungsdruck konnte ein einzigartiges Zeugnis der Lichtspielarchitektur der Fünfziger erhalten werden. Innenansicht des Truppenkinos auf der ehemaligen Ordensburg Vogelsang. ©ip-Vogelsang

 

Die frühen 50er Jahre waren eine wahre Blütezeit für Lichtspielhäuser. Die zweite nach den 30er Jahren, als legendäre Kinobauten wie etwa das Berliner Babylon des Architekten Hans Poelzig (mehr) das Publikum anzogen. Die großen Säle der Lichtspieltheater jener Ära mit ihrer heimelig warmen Illumination sind fast gänzlich verschwunden. Die eine oder andere Fassade mag noch erhalten sein und unter Denkmalschutz stehen. Vielleicht auch noch ein Kassenhäuschen im Foyer. Aber das Interieur dieser einst so beeindruckenden Vergnügungssäle ist, vor allem unter dem Aspekt der Stilreinheit, kaum noch zu finden. Man muss suchen und gelegentlich weit fahren, um etwas von diesen vergangenen Kino-Schönheiten im Original zu finden.

 

Truppenkino Zum Beispiel in die Eifel zur ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang (mehr). Das dortige große Truppenkino der Belgischen Streitkräfte im alten Kasernenkomplex „Camp Vogelsang“ ist ein einzigartiges, typisches Zeugnis der Nachkriegs-Kinokultur. Es wurde 1950 auf dem Rohbau eines geplanten, aber nicht mehr realisierten Hörsaals für nationalsozialistische Schulungen errichtet. Dieses historische Soldatenkino gilt heute als ein architektonisch und zeitgeschichtlich bedeutendes Filmhaus, und vor allem: es hatte bis zum Abzug der Militärs 2005 alle Phasen des Kinosterbens überstanden.
     Der Kino-Niedergang setzte Ende der 50er Jahre mit dem Fernsehen ein und verstärkte sich später mit der technischen Innovation der Videos. In den 70ern schließlich sanken die Besucherzahlen so rapide, dass die Umnutzung konventioneller Kinos zu Supermärkten oder Modehäusern gängige Praxis wurde, und schließlich gaben Multiplexkino, seichte Filme und die Digitalisierung den alten „Grand Cinemas“ den Rest. Die Glanzzeiten der plüschig wirkenden Säle war, soviel war klar, vorbei.

 

Im Stilwillen der Fünfziger war Komfort kein Thema. Wie die Bühne sind die hölzerne Bestuhlung, bestehend aus miteinander verbundenen Klappsitzen mit Armstützen, rein funktional gehalten. ©rART

 

Parkett oder Loge Das Ein-Saal-Kino in der Eifel ist eines der wenigen Lichtspielhäuser mit Originalausstattung und klassischer Innenraumanordnung, ein typisches Konstrukt seiner Zeit. An der Stirnseite Projektionswand, Orchestergraben, Bühne; der Zuschauerraum mit leicht geschwungenen Bestuhlungsreihen, mit schlichten funktionalen Holzklappsitzen und einfachen Armstützen. Das Ganze ansteigend, mit Mittelgang, Seiten- und Quergängen.
     Die Kinodecke erfüllt seit Jahrzehnten mit ihrer Kassettenbekleidung alle Anforderungen ordentlicher Akustik. Ebenso die Seitenwände: teils holzvertäfelt und mit glattem, grünen Kunstleder bespannt, gepolstert zwecks Vermeidung von Nachhall, farbneutral wirkend für den in jenen Jahren aufkommenden Colorfilm. Und dann die Beleuchtung. Eloxierte Trichterlampen, alles Originale der frühen 50er-Jahre, sorgen für das unverwechselbar diffuse und gemütlich-anheimelnde Kinolicht.

 

Crypta 1100 Zuschauer faste das Lichtspieltheater zunächst, später wurden die Plätze auf 800 reduziert. Auf Grund seiner eher versteckten, in einen Felshang eingetieften Lage innerhalb des Vogelsanger Gebäudekomplexes, hieß das Kino zur Zeit der belgischen Nutzung bei den Soldaten Crypta (crypte). Es steht seit 2006 unter Denkmalschutz.

 

► Monika Herzog, Autorin des lesenswerten und höchst informativen „Architekturführer Vogelsang“ bezeichnet in ihrer Publikation das Kino von Vogelsang als einen bis zur letzten Schraube ungewöhnlich stilreinen und gut erhaltenen Vertreter der Epoche der großen Lichtspielhäuser.

 

 Unter der Bezeichnung Kulturkino Vogelsang ip hat sich das ehemalige Truppenkino seit März 2012 einen überregionalen Namen als Tagungs-, Seminar- und Veranstaltungsort gemacht. Auch Theater, Musicals und nicht zuletzt das Werteforum 2012 mit Ulrich Wickert und 2013 mit Roman Herzog fanden hier statt. Vogelsang ip ist Veranstalter und Dienstleister von nationalen und internationalen Tagungen und Kongressen. Das Kino kann für Veranstaltungen gemietet werden.
K2M

 

Vogelsang ip
Internationaler Platz im
Nationalpark Eifel
53937 Schleiden
Tel. Besucherzentrum 02444 / 91579-0

 

Literaturhinweis Monika Herzog, Architekturführer Vogelsang, Ein Rundgang durch die historische Anlage im Naturpark Eifel. Edition B. Biermann Verlag Köln 2007. ISBN 13: 978-3-9807179-0-8

 

 

 

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