rheinische ART
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rheinische ART 10/2014

Archiv 2014

HULDIGUNG AN DAS FOTOBUCH
Visuelles Esperanto

 

Die Sprache dieses Mediums ist universell. Es sind Fotos mit Kunststatus in ebensolchen Büchern: Farbig, schwarz-weiß, mal kreischend, mal ruhig, kühl, oft beeindruckend oder auch abstoßend. Wie auch immer, verstanden wird der Inhalt von Fotobüchern überall und unabhängig vom kulturellen Background des Betrachters. Vielleicht erklärt das ihren globalen Erfolg.

 

Container statt Vitrinen: Die stilistische und inhaltliche Vielfalt internationaler Fotobücher wird „begreifbar“ auf rund 5000 Quadratmetern Ausstellungsfläche präsentiert. Blick in das temporäre PhotobookMuseum (PBM). Foto: rART

 

Es ist unzweifelhaft, dass sich das Fotobuch dank der digitalen Technik als ein zentrales Ausdrucksmedium der Fotografie etabliert hat und zum geschätzten Sammler- wenn nicht gar Investitionsobjekt geworden ist.

 

Temporäres Museum Sicht- wie greifbarer Ausdruck dieses Phänomens ist die Gründung des weltweit ersten „PhotobookMuseum“ (PBM). Bezeichnenderweise in der traditionell diesem Genre zugewandten Metropole Köln und zum 175. Geburtstag des Mediums Fotografie. Denn im Sommer 1839 führte Louis Daguerre (1787-1851) in Paris das erste nach ihm benannte fotografische Verfahren, die Daguerreotypie, vor.
     Initiator des allerdings temporären Museums (bis 3. Oktober) in Köln ist Markus Schaden. Er macht in der Ausstellungsbroschüre auf einen erstaunlichen Umstand aufmerksam. In den letzten zehn Jahren, so der gelernte Buchhändler aus Köln, seien vermutlich insgesamt mehr Fotobücher publiziert worden als in allen Jahren zuvor. Dennoch existiere bislang kein Museum, das „ausschließlich dem Medium Fotobuch gewidmet ist. Das soll sich mit The PhotobookMuseum ändern.“

 

Dark Room - Red Light: Eine voll ausgestattete und in rotes Licht getauchte Dunkelkammer. Dem Besucher wird hier demonstriert, wie das Negativ zum Positiv wird. Realisiert werden Silbergelatineprints. Foto rART

 

Bildband versus Fotobuch Das Fotobuch, eine eigentlich unterschätzte Kunstform, ist nicht mit dem Bildband gleichzusetzen. Wodurch unterscheidet sich das eine vom anderen? Es ist die künstlerische Aussage. Während der Bildband eine Sammlung von Fotos vereint, zeigt sich das Fotobuch als komplexes Gebilde, ja eigenständiges Kunstwerk und autonome, oft wortlose Kunstform. Sein Herausgeber bestimmt Bilderinhalte, -größe, -anordnung und Bildreihenfolge, ebenso die Kombination mit Text, Grafik, Papier, Bindung und Umschlag. Einmal gedruckt ist die Komposition eines Fotobuches unveränderbar. Und damit bleibt auch die ursprüngliche künstlerische Aussage erhalten. Allerdings: Was hier wie eine neue, unbekannte Schöne plötzlich in der Fotowelt auftaucht, ist anderenorts längst Tradition.

 

Auf amerikanischen Straßen: Ein Polizeiwagen (Typ Chevrolet Impala von 1965) parkt vor Stephen Shores berühmter Straßenszene aus L.A. Foto: rART

 

Bilderwelt Japans Insbesondere in Japan werden Fotobücher leidenschaftlich „gelesen“, gekauft und gesammelt. Seit den 1960er und 70er Jahren ist es das führende Medium der japanischen Fotografen. Die Edition von Fotobüchern statt der vorrangigen Bespielung von Ausstellungen hat bei Japans Weltklasse-Fotografen wie Daido Moriyama (im Museum mit einer kompletten Oeuvre-Darstellung vertreten), Nobuyoshi Araki oder Rinko Kawauchi - letztere mit zwölf publizierten Fotobüchern - einen völlig anderen Stellenwert als in Europa.
     Gerne wird dieses Phänomen als Aufgriff und Fortführung der traditionellen Holzschnitte der Edo- und Meiji-Zeit verstanden, deren Darstellungen des bürgerlichen Lebens und Leidens sowie ihre Verbildlichungen populärer Mythen und Ereignisse als „Ukiyo-e“ (mehr) bezeichnet werden. Die kunstvoll in Buchform gestalteten „Bilder der fließenden Welt“ erzählen Geschichten, verknüpfen sie, und liefern so narrative Werke ohne Worte, dem heutigen Fotobuch durchaus vergleichbar. Auch in ihnen ist nicht das Einzelbild von ausschlaggebendem Belang sondern stets die Bilderserie, wie sich etwa an den berühmten Werken Katsushika Hokusai (1760-1849) und der Serie „36 Ansichten des Berges Fuji“ zeigt.

 

Museales zum Anfassen: Lese- und Schauecke für Photobücher in der Ausstellungshalle. Foto: rART

 

Priorität: Anschauung Präsentationsort der Kölner Fotobuch-Ausstellung ist der Gewerbecampus Carlswerk, ein altes Industrieareal einer ehemaligen Kabelfabrik im Stadtteil Mülheim. Ein Ort mit einer eigenen Geschichte, denn hier wurde 1904 das erste transatlantische Telefonkabel, das Europa mit Amerika verband, produziert.

 

„Im Himmel gibts kein Bier, drum trinken wir es hier.“ Thekenspruch in der Reeperbahn-Kultkneipe „Café Lehmitz“. Der Nachbau der Stehbierhalle im PBM, eine Reverenz an den Fotografen Anders Petersen, ziert den Eingang. Den originalen Kieztreffpunkt fotografierte der damals 25-jährige schwedische Lichtbildner von 1969 bis 1971. Petersen dokumentierte das Leben in der „Oase der Gestrandeten“ (Spiegel), sein sozial-dokumentarisches Fotobuch „Café Lehmitz“, dessen Erstauflage beim Verlag Schirmer/Mosel erschien, machte Fotogeschichte. Foto: rART

 

Insgesamt 30 einzelne Expositionen zur Thematik Fotobuch sind zu sehen, voneinander durch Stellwände abgetrennt oder in 14 Seecontainern anschaulich auf 5000 Quadratmetern inszeniert. In einer Lese- und Schauecke kann ausgiebig in den besten aktuellen oder klassischen Fotobüchern, ausgelegt auf Holzkisten und Paletten, geschmökert werden. Im Dark Room - Red Light werden Fotos unter anderem von dem Fotografen Boris Becker „entwickelt“. Vertreten ist alles, was in diesem Kunstbereich Rang und Namen hat, wie der rheinische Fotograf Chargesheimer (mehr), der Brite Martin Parr (mehr), der Dokumentator der legendären Hamburger Trinker-Herberge „Café Lehmitz“ Anders Petersen oder der chinesische Porträtist Jiang Jian. Ein breites Rahmenprogramm mit Vorträgen, Workshops und Führungen rundet die hochinteressante Ausstellung ab.

 

► Nach Ende der Ausstellung in Köln wird das PBM im Rahmen einer Tournee in verschiedenen Städten in Europa und den USA gezeigt.

► Die Museumsgründung ist eine Initiative aus der Off-Fotoszene, von Privatpersonen ohne institutionellen Hintergrund. Die bei derartigen Projekten oft problematische Finanzierung wurde beim PBM mit Crowdfunding gesichert, einer Art „Schwarmfinanzierung“, bei der eine Anzahl von Personen als stille Beteiligte Geld für die Geschäftsidee bereitstellen.
CPW/RMW

 

Geöffnet vom 19. August 2014 bis 3. Oktober 2014

(Die Ausstellung wurde verlängert!)
The PhotoBookMuseum (PBM)
im Carlswerk
Ehemaliges Kupferwerk
Schanzenstraße 6-20
51063 Köln-Mülheim
Öffnungszeiten
DI – DO, SO 10 - 18 Uhr
FR, SA 10 – 20 Uhr
Café Lehmitz bis 23 Uhr

 

 

 

 

 

 

 

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