rheinische ART
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rheinische ART 12/2011

 

 

Archiv 2011: aus "Kunst erleben"

Keramik von Ettore Sottsass in Düsseldorf

 

 

Der Architekt und Designer,

 

der auch ein Künstler war

 

 

 

Ettore Sottsass mit Menhir, 2002,

Grande vaso afrodisiaco per conservare

pillole antifecondative, Ausführung Bitossi

in Montelupo Fiorentino,1966

Er gilt als bedeutendster italienischer Designer des 20. Jahrhunderts. Ettore Sottsass (1917-2007) lebte in der Überzeugung, dass es zwischen Architektur, Skulptur, Design und Malerei keine Grenzen gibt. Und so war er - erstaunlich genug - in allen diesen Sparten gleichermaßen fast ein halbes Jahrhundert tätig und nahm eine führende Rolle im italienischen Avantgarde-Design ein. Die Keramik spielt in diesem kreativen Reigen eine markante Rolle.

 

DAS DÜSSELDORFER Hetjens-Museum zeigt dankeswerter Weise erstmals eine große Schau des keramischen Schaffens des Italieners. Damit unterstreicht das Haus, dass Ettore Sottsass weit mehr als ein führender Repräsentant der Postmoderne war. Die Exponate bilden einen Querschnitt der zwischen 1955 und 2003 von ihm entworfenen Arbeiten mit dem Material Ton. Sottsass kreierte anfänglich für die italienische Keramikfirma Bitossi (Montelupo) zahlreiche Unikate und erste Serien von Vasen und Tellern, daneben auch großformatige Objekte. Später stylte er Vasen unter anderen für die französische Edelmanufaktur Sèvres.

 

Altar, entworfen für die Ausstellung Miljö för En Ny Planet im Nationalmuseum Stockholm, Ausführung Bitossi in Montelupo Fiorentino, 1969, Ø 300 cm

 


Zwischen Kunst und Industrie

 

Um deutlich zu machen, welch großen Einfluss Sottsass als genialer wie kompromissloser Gestalter und als ästhetischer Impulsgeber auf das internationale Design hatte, ist ein Rückblick hilfreich. Nach einem Architekturstudium in Turin gründet der gebürtig aus Innsbruck stammende Sottsass Ende der vierziger Jahre in Mailand ein Designstudio. Dort gestaltet er Möbel und Industrieprodukte, Schmuck, Teppiche, Glaswaren und Leuchten und widmet sich gleichzeitig der Bühnenbildnerei und Malerei. Seine Arbeit ist unkonventionell und konträr zum Mainstream. Dem Zeitgeist unter der Devise „Die Form folgt der Funktion“ setzt er seine Inspiration, Intuition, Emotion und Kreativität entgegen, verlässt mit neuen Materialien wie etwa Kunststoff und Aluminium, mit neuen Technologien und eigenwilligen Lösungen traditionelle Wege der Gestaltung.
 

Ninive aus der Serie Antiche ceramiche
Ausführung Alessio Sarri Ceramiche in Sesto Fiorentino, 1994, H 34 cm, Ø 33,5 cm

 

   Ettore Sottsass wird künstlerischer Leiter bei Poltronova in Florenz, ab 1958 auch Berater und kreativer Kopf für Büromöbel beim Industrie-Konzern Olivetti. Hier entwickelt er seine ersten revolutionären Industriedesigns, die ihn mit einem Schlag berühmt machen: so etwa die Schreibmaschinen „Tekne 3“ (1964), „Lettera de Luxe“ (1965) und die legendäre Pop-Art-beeinflusste knallrote Kofferschreibmaschine „Valentine“ (1969). Das transportable Schreibgerät wird Jahre später eine der berühmten Design-Ikonen im New York MoMA.
Sottsass hatte seinen Weg zum „emotionalen Design“ gefunden und formuliert: „Design sollte nicht nur funktionell sein, sondern zudem sinnlich und aufregend.“ Diese Überlegung prägt seine Entwürfe - so entstammen zahlreiche stilistische Elemente seiner Keramik-Kollektionen jener Zeit indischen Reiseimpressionen aus dem Jahre 1960. Namentlich gilt dies für die „Ceramiche delle Tenebre“ (1963) und die Serien „Offerta a Shiva“ (1964), „Yanta“ und „Tantra“ (1968).

 

Y 37 aus der Serie Yantra di terracotta
Im Auftrag der Firma Poltronova, 1969
H 51,5 cm, B 20,5 cm, T 21 cm

 

Der Nonkonformist

 

Ab 1970 setzt sich Ettore Sottsass verstärkt kritisch mit Design-Fragen auseinander, wird experimenteller und schließlich ein Protagonist der Radical-Design-Bewegung. Seine ständige Suche nach neuen Ideen, Formen und Gestaltungsansätzen – im Grunde eine Suche nach neuer Ästhetik – findet Ausdruck in wechselnden Firmengründungen oder Kooperationen. 1972 wird er Mitbegründer der alternativen Designschule „Global Tools“, die der Anti-Design-Bewegung entsprang. Nach drei Jahren löst sich dieser Kreativ-Pool auf. Sottsass und namhafte zeitgenössische Gestalter wie Alessandro Mendini, Andrea Branzi und Michele De Lucchi schließen sich im selben Jahr zur experimentellen Designfirma „Studio Alchimia“ in Mailand zusammen, eine Ideenschmiede der Postmoderne und ein „Think-Tank“ gegen konventionelles Entwerfen und Gestalten. Sottsass, charismatischer Designer, Architekt, Fotograf, Künstler, Kurator und Stadtplaner in einer Person, wird schließlich mit 64 Jahren endgültig eine der Leitfiguren in der internationalen Kreativszene.

   Mit jüngeren Kreativen gründet er 1980 in Mailand die „Sottsass Associati“, die sich auf neue Architektur, Interieur und Industriedesign spezialisiert. Namhafte Unternehmen nutzen die Ideen des großen Objekt-Designers und seines Studio-Teams, wie etwa die Haushaltswaren-Produzenten Bodum und Alessi, die Möbelhersteller Driade, Knoll und Zanotta sowie der Mode-Konzern Esprit (Showrooms und Stores). Für das Modelabel Esprit reaisierte er u.a. die europäische Zentrale in Düsseldorf.

 

Der ehemalige Esprit-Showroom. Mit dem Werk von Sottsass hat die Stadt Düsseldorf ein einzigartiges Zeugnis für den Anfang der 1980er Jahre entwickelten Memphisstil erhalten

 

Memphis und die neue Design-Ästhetik

 

 

Aus dem Studio erwächst 1981 das Flaggschiff des neuen „Avantgarde-Designs“, die Künstlergruppe Memphis. Ihr kreatives Credo kennt weder funktionale, farbharmonische, rationale noch ergonomische Anforderungen. Stilistisch greifen Pop-Art-Elemente Raum: knallbunt, alle Konventionen sprengend, verspielt, nicht selten auch unzweckmäßig und nur dekorativ – eine Designer-Revolution, eine neue Ästhetik für den Alltag, die schnell zu einer Massenbewegung avanciert. Memphis wird zum Synonym dieser neuen Richtung, Sottsass zum Hochmeister des neuen Stylings. Doch Ettore Sottsass, der Unruhige und Kompromisslose, der Nonkonformist, sieht sich selbst offenbar wesentlich vielschichtiger und löst sich vier Jahre später von der Gruppe.

   Er widmet sich mit seinem Mailänder Büro nunmehr vornehmlich internationalen Bautätigkeiten. Die Liste realisierter Architekturprojekte reicht von Häusern in Colorado, Hawaii, der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten bis zu Hotels in China und dem Flughafen Mailand-Malpensa. Kreative Arbeiten des Multitalents und Designer-Rebellen sind heute in zahlreichen bekannten Museen etwa in Paris, London, New York, Barcelona und München zu sehen.

 

Mit dem als technisches Denkmal geschützten ehemaligen Esprit-Showroom und der zugehörigen Außenanlage am Vogelsanger Weg 49 verfügt Düsseldorf über ein einzigartiges Architektur-Zeugnis im Memphisstil. Ettore Sottsass gestaltete 1985/86 ein Betriebsgebäude in Stadtteil Mörsenbroich in diesem Baustil um. Auftraggeber war der Bekleidungskonzern Esprit, der seinerzeit weltweit seine Show- und Verkaufsräume von Sottsass kreieren lies. Das Objekt in Düsseldorf gilt als wichtiges Bau-Dokument des weltberühmten Architektur- und Industriedesigners. Der Memphisstil - auf den Sottsass sich zu Lebzeiten nie reduziert sehen wollte - manifestiert sich hier mit zahlreichen farbigen Details, unter anderem in Form auffälliger kleinformatiger Farbfliesen im Portalbereich, Glasbausteinen und farbigen Betonelementen sowie diagonalen Fensterstrukturen. Im Inneren setzen ein Intarsienparkett, farbige Bauteile und eigenwillige Heizkörperbekleidungen stilistische Akzente. Eine Grünanlage und ein dekonstruktivistisch anmutender Pavillon mit Wasserbecken und Sitzgelegenheit aus Ziegeln komplettieren das ungewöhnliche Ensemble. Seit 2006 wird die Immobilie von einem Design-Möbelhaus genutzt.

Claus P. Woitschützke

 

Die Ausstellung "Ettore Sottsass - Keramik" ist bis zum 26. Februar 2012 zu sehen.

Hetjens-Museum Düsseldorf
Deutsches Keramikmuseum
Schulstraße 4
40213 Düsseldorf

Tel. 0211 – 89 94210

Öffnungszeiten:
DI 11-17 Uhr
MI 11-21 Uhr
DO - SO 11-17 Uhr

 

 

Fotos © Studio Ettore Sottsass, Mailand, sowie Erik & Petra Hesmerg, Fotografie, Amsterdam (4)

Fotos © ehemaliges Esprit-Gebäude www.architektengruppe.info, nodesign (2)

 

 

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