rheinische ART
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rheinische ART 02/2015

Archiv 2015

GEBURT EINES MALERS
Tristesse statt züngelnde Zypressen

 

Am 29. Juli 2015 jährt sich Vincent van Goghs 125. Todestag. Museen in den Niederlanden, Frankreich, Belgien und England - Länder in denen der Künstler jeweils gelebt hat - nutzen das Gedenkjahr, um an den Maler zu erinnern, der bis heute vielen als Inspirationen dient.

 

Vincent van Gogh Kohlebergwerk im Borinage, Cuesmes/Belgien, 1879, Aquarell © Van Gogh Museum, Amsterdam, Niederlande

 

Den Auftakt macht die wallonischen Stadt Mons. Sie richtet ihre Exposition an jenen zwei Jahren aus, die der junge niederländische Kunstautodidakt in der berüchtigten Kohleregion Borinage verbrachte. Die Schau mit dem Titel „Van Gogh im Borinage – Die Geburt eines Künstlers“ wird im frisch renovierten Museum der Schönen Künste BAM (Beaux-Arts Mons) gezeigt. Sie ist ein Programmhöhepunkt in einer Reihe von Veranstaltungen, die anlässlich der Ernennung von Mons zu einer der zwei Kulturhauptstädte Europas 2015 ausgerichtet werden.

 

Vincent van Gogh Das Café „Au Charbonnage“, Brüssel/Belgien 1878, Bleistift, Tinte/Tusche © Van Gogh Museum, Amsterdam, Niederlande

 

Vincent van Gogh Die Tochter von Jacob Meyer (The Daughter of Jacob Meyer [after Holbein]) Etten, Niederlande 1880/1881, Bleistift auf Papier © Rijksmuseum Kröller-Müller, Otterlo, Niederlande

 

Im Schwarzen Land Es ist ein ungewöhnlicher, überraschender Blick auf eher unbekannte oder doch zumindest selten so gezeigte Frühwerke des späteren Impressionisten, die seine Anfänge aus den Jahren 1878 bis 1880 markieren. Denn Vincent van Gogh (1853-1890) war zu diesem Zeitpunkt alles andere als ein ausgereifter Künstler. Der 25-Jährige, der nie genau wusste was er werden wollte, kam im Dezember 1878 als Hilfsprediger in die südwestbelgische Region um Mons, die als „Schwarzes Land“ galt, als Gebiet der Kohlegruben, der harten Lebensbedingungen, der Armut und fortschreitenden Naturzerstörung.
     Schon im Sommer des Folgejahres war sein Predigerdasein allerdings beendet; die Probezeit bestand er nicht und eine Stelle gab es nicht. Er blieb noch bis zum Oktober 1880 und lebte in den Bergbau-Ortschaften Cuesmes und Wasmes. Und am Ende dieser fast zwei „Lehrjahre“ war er zu der Überzeugung gelangt, dass die Malerei und die Zeichenkunst seine Bestimmung sei und nicht der Klerus und das Bibellesen.

     Van Gogh hatte während all der Monate gezeichnet, mühselig und eher etwas unbeholfen, jedoch nicht untalentiert. Seine Hauptmotive waren Land und Leute des Borinage, schäbige Hütten, ärmliche Bäuerinnen und Bauern, Minenarbeiter, einfache Menschen, überwiegend in erdigen Tönen und trister Umgebung. Farbliche Darstellungen dieser Zeit sind selten. Und so kann die wallonische Industrielandschaft Borinage gewissermaßen als seine „künstlerische Geburtsstätte" angesehen werden.

 

Vincent van Gogh Die Lastenträger (The Bearers of the Burden) 1881, Zeichnung, 47,5 x 63 cm, Coll. Kröller-Müller Museum, Otterlo, inv. KM 122.865 recto © Stichting Kröller-Müller Museum

 

Erinnerung fürs Leben Reminiszenzen an den Landstrich Borinage und das karge Leben seiner Bewohner finden sich in zahlreichen seiner späteren Werke. So etwa in dem berühmten Meisterwerk „Die Kartoffelesser“ (mehr). Die erste Version des Gemäldes entstand im Frühjahr 1885 und kann als typisch für van Goghs noch autodidaktisch geprägte Frühphase nach seinem Borinage-Aufenthalt angesehen werden. Skizzen und Zeichnungen aus seiner frühen Zeit dienten Jahre später auch in einigen Fällen als Vorlage für Ölmalereien auf Leinwand, wie das Beispiel des Schnitters mit der Sichel veranschaulicht. Zwischen Zeichnung und Ölbild liegen neun Jahre. Die Themen Arbeit, Armut, Unterdrückung und später auch eine sozialkritische Einstellung, die teils aus den zwei belgischen Jahren im Bergarbeitermilieu herrührte, blieben lebenslang grundlegende Elemente im Schaffen des Künstlers.

 

Vincent van Gogh

Der Schnitter mit der Sichel (nach Jean-François Millet) Moissonneur à la faucille (d’après Jean-François Millet), 1880, Zeichnung, 55,5 x 30 cm, Uehara Museum of Modern Art, © Uehara Museum of Modern Art

 

Vincent van Gogh

Der Schnitter (nach Jean-François Millet) Le moissonneur (d’après Jean-François Millet), 1889, Öl auf Leinwand, 44 x 33 cm, Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation), inv. s 198V/1962 © Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation)

 

 

Werkschau Die Ausstellung im BAM ist mit rund 70 Gemälden und Zeichnungen aus diversen internationalen Museen bestückt, darunter umfängliche Leihgaben des Van Gogh Museums in Amsterdam und des Kröller-Müller Museums in Otterlo. Neben den Kunstwerken werden auch rare Originalbriefe van Goghs aus der Borinage-Zeit und aus Brüssel präsentiert. Die Werkschau umfasst alle Schaffensphasen van Goghs, lediglich sechs der präsentierten Werke - mehr sind nicht erhalten - stammen tatsächlich aus der titelgebenden Borinage-Zeit. Sie werden als Leitfaden in der Ausstellung benutzt, so dass sich die Entwicklung des Anfängers hin zum großen Impressionisten anschaulich nachvollziehen lässt. Apropos Anfängen: Von seinen künstlerischen Zeugnissen aus der Lehrzeit im Borinage war der Niederländer offenbar selber wenig angetan. Vermutlich rund 400 Arbeiten aus den zwei Jahren habe er vernichtet, erklären die Kuratoren der Ausstellung. Zwölf Jahre später war aus dem mühselig arbeitenden Jungkünstler im Borinage der sichere und charakteristische Maler flirrender Farben und flammender Zypressen geworden.

 

Vincent van Gogh Dorfstraße in Auvers-sur-Oise (Rue à Auvers-sur-Oise), 1890, Öl auf Leinwand, 73 x 92,5 cm, Ateneum Art Museum Finnish National Gallery - Hannu Aaltonen , © Ateneum Art Museum Finnish National Gallery - Hannu Aaltonen


 Das Borinage war in jener Zeit eines der bedeutendsten Steinkohlereviere in Europa. Um 1830 förderten die Bergleute in der Wallonie mehr Steinkohle als ihre Kumpel in Deutschland und Frankreich zusammen. Das Verwaltungs-, Handels- und Kulturzentrum dieser reichen Rohstoffregion war die Tuchmacherstadt Mons, die selbst kein Bergbaustandort war. Die Kommune nahe der französischen Grenze ist in diesen Jahr mit Pilsen (Tschechische Republik) zur Kulturhauptstadt Europas gewählt worden.
K2M

 

Die Ausstellung „Van Gogh im Borinage - die Geburt eines Künstlers“ wird bis zum 17. Mai 2015 gezeigt.
Musée des Beaux-Arts
Rue Neuve 8
7000 Mons, Belgien
Tel: +32 65 40 53 30
Öffnungszeiten
DI - SO von 10 – 18 Uhr

 

Mehr van Gogh: Unter dem Generaltitel "Van Gogh 2015 - 125 Jahre Inspiration" werden im laufenden Jahr weitere Ausstellungen und Veranstaltungen im Benelux-Raum und in Frankreich geboten (Auswahl):

 

► 24.01.2015 – 26.04.2015
Museum Nordbrabant,
'S-Hertogenbosch, Verwersstraat 41, Tel. +31 73 687 7877
„Design aus dem Land der Kartoffelesser“. Präsentation von Objekten und Produkten aus Natur, Landwirtschaft und einfachem Leben, die viele Werke van Goghs geprägt haben.

 

► 25.04.2015 – 27.09.2015

Kröller-Müller Museumzentrum
Houtkampweg 6, 6731 AW Otterlo, Niederlande
Tel. +31 318 591 241
„Van Gogh & Co.“ Gegenüberstellung von Gemälden und Zeichnungen van Goghs und Werken seiner Zeitgenossen wie etwa Claude Monet, Paul Cézanne oder Henri Fantin-Latour.

 

► 25.09.2015 – 17.01.2016
Van-Gogh-Museum AmsterdamPaulus Potterstraat 7,
1071 CX Amsterdam, Niederlande Tel. +31 20 570 5200
„Van Gogh und Edvard Munch“
Gegenüberstellung der beiden Künstler. Das Museum besitzt mit 205 Gemälden und rund 500 Zeichnungen die weltweit größte Sammlung mit Werken des niederländischen Malers.

 

 

 

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