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rheinische ART 10/2020

Archiv 2020

ART DÉCO
Schön, schöner, am schönsten


Druckgrafiken, darunter vor allem Plakate, sind ein vergängliches Gut: Überklebt, zerrissen, verblichen, vom Winde verweht. Wie gut, dass diese Kunstform ihre Sammler hat. Eine Schau in Köln zeigt, warum!

 

René Vincent Peugeot, Plakat, 1928, Lithografie © MKG, Hamburg / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

 

Im dortigen Käthe Kollwitz Museum werden mehr als 100 zum Teil großformatige Art-Déco-Druckgrafiken aus der Sammlung des Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG Hamburg) präsentiert.

     Es ist eine bemerkenswerte Ausstellung, denn sie nimmt den Besucher – man darf in dieser Hinsicht den Kuratoren beipflichten – mit „auf eine Reise in das glanzvolle Paris vor 100 Jahren.“ Und damit in jene Zeit, in der Frankreichs Kapitale im Zeichen des dekorativen Jugendstil-Nachfolgers stand.

 

Paul Iribe Illustration aus Les Robes du Paul Poiret, 1908, Pochoir über Strichätzung © MKG Hamburg

 

Die Schau läuft unter dem schlichten Titel „ART DÉCO – Grafikdesign aus Paris“, ist verzaubernd, einnehmend, betörend und ein wenig erotisch, „eine Verführung in die Illusion einer besseren und schöneren Welt.“

     So jedenfalls kann diese Plakatkultur, die zwischen Kunst und Werbung schwankte, heute wahrgenommen werden. Als sie entstand, in der Zwischenkriegsphase der Zwanziger- und Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts, wurden hoch-ästhetische Arbeiten bekannter oder unbekannter Schöpfer oft nur nachlässig registriert, weitsichtige Zeitgenossen pflegten gleichwohl die „Affichomanie“, die Plakatsammlung.

     Die heute als Raritäten gehandelten Stücke fristeten als Illustrationen, Zeitungsanzeigen oder Plakate oft nur eine kurzzeitige Präsenz: Nämlich als Aushang oder Anschlag, etwa an Bauzäunen, Baumstämmen, Hauswänden oder Plakat- oder Litfaßsäulen – aufgehängt, geklebt, genagelt, gepappt. Die breite Masse der Gucker oder Leser war sich des phantastischen Reichtums des Grafik-Designs nicht bewusst.

 

Paul Colin Das Jazzorchester der Josephine Baker, Tafel aus Le Tumulte noir, 1927, Pochoir und Lithografie © MKG Hamburg / VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Rankende florale Formen und strenge geometrische Elemente, kontrastreiche Farben, klare und zugleich verspielte Typografie – das Grafikdesign des Art Déco vereinte das scheinbar Gegensätzliche, heißt es in Köln.
     Ob für Seife, Kosmetik, elegante Sportwagen oder Seeschifffahrt, für Haute Couture, Revue, Jazz und Tanz – die großen Themen der „verrückten 1920er Jahre“ in Frankreich, der berühmten Années folles, spiegelten sich in diesen kunstvollen Plakaten und in anderen Druckerzeugnissen.

     Diese Kunstrichtung war natürlich kein rein französisches Phänomen. Bauhaus in Deutschland, de Stjil in den Niederlanden und die russische Avantgarde – Art Déco-Kunst erlebte in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg international eine Blüte. Frankreich aber blieb der Nukleus der Grafikkunst. Was hier anknüpfend an den Jugendstil der Jahrhundertwende seinen Anfang nahm und 1925 zur Pariser Weltausstellung der angewandten Künste eine Benennung fand, dokumentierte nichts weniger als den gesellschaftlichen Tanz auf dem Vulkan jener Zeit.

 

Paul Colin Josephine Baker im Bananenkostüm, Tafel aus Le Tumulte noir, 1927, Pochoir und Lithografie © MKG Hamburg / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

 

André Édouard Marty aus der Serie Vier Plakate für London, General Omnibus Company, 1931, Lithografie © MKG Hamburg / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

 

In kühn gezeichneten Visionen extravaganten Lebens zeigte sich vor allem Paris als ein brodelnder Kreativ-Topf, farbenfroh, progressiv und exaltiert. Die führenden Grafiker in der „Stadt des Lichts“ illustrierten das Lebensgefühl der „verrückten Jahre“, mit künstlerischen Experimenten, innovativen Techniken und spektakulären Bildfindungen.
     Es etablierte sich eine Kunstform, die ihre Stars hatte. Zu den führenden Plakatmalern Frankreichs – Plakate wurden im Übrigen in Öl oder Gouache an der Staffelei entworfen und dann traditionell lithographisch gedruckt – zählten die Grafikdesigner und Typografen Adolphe Jean-Marie Mouron (1901–1968) – Pseudonym A. M. Cassandre – und Paul Colin (1892–1985), jeder mit einem unverwechselbaren Stil.

     Während Cassandre vor allem im Bereich der Werbung Aufsehen erregende Art-Déco-Plakate für Luxusprodukte entwarf, spezialisiert sich Colin auf die Theater- und Cabaret-Bühnen von Paris. Er porträtiert die großen Sängerinnen und Schauspieler der Zeit, darunter vor allem Josephine Baker.

 

Ein technisch bewährtes Verfahren, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts praktizierte Pochoir- oder Schablonendruck, gelangte in der Art-Déco-Zeit zu seinem kunsthandwerklichen Höhepunkt.

     Es handelte sich um eine anspruchsvolle Drucktechnik mit Schablonen, häufig kombiniert mit Lithographie, Strichätzung und einem nicht geringen Anteil Handarbeit, wie im Käthe-Kollwitz-Museum hervorgehoben wird. Mit dem bloßen Auge sind diese aufwendigen Drucke oft kaum von Aquarellen zu unterscheiden. Pochoir wurde zum Inbegriff für das Genre der eleganten Mode-Illustration in Magazinen und Almanachen.

     Eine Reihe hervorragender Zeichner, die in der Kölner Ausstellung vertreten sind, wie Paul Iribe (1883–1935), George Barbier (1882–1932) und André Édouard Marty (1882–1974) wählte dieses Verfahren als ihr Medium. Ferner auch der berühmte Grafiker René Vincent (1879 –1936), der für Peugeot (siehe oben), Bugatti, Michelin und die Shell Oil Company zeichnete. Im Kollwitz-Museum wird die Pochoir-Technik anschaulich erläutert.
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Als ein Highlight der Kölner Ausstellung gilt Colins Mappenwerk über die „Revue Nègre“, die Tanzkompagnie von Josephine Baker (1906–1975), die ab 1925 mehrfach in Paris gastierte und für die Paul Colin auch Bühnenbilder und Kostüme entwarf. Später schuf der gelernte Gebrauchsgrafiker, Maler und Dekorateur auch Illustrationen für Bakers Memoiren.

 Pochoir oder Schablonendruck ist nicht aus der Mode gekommen. Streetart- und Graffiti-Künstler wie etwa Bansky verwenden nicht selten die Schablonentechnik.

 

Die Ausstellung ART DÉCO – Grafikdesign aus Paris ist bis zum 16. Januar 2021 zu sehen. (Verlängert bis voraussichtlich 2. Mai 2021)
Käthe Kollwitz Museum Köln
Kreissparkasse Köln
Neumarkt 18-24
50667 Köln
Tel. 0221 / 227 -2899/-2602
Öffnungszeiten
DI – FR 10 – 18 Uhr
SA/SO/Feiertag 11 – 18 Uhr

 

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