rheinische ART
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rheinische ART 03/2020

Archiv 2020

PABLO PICASSO
Kunst unter Kriegsrecht


War Picasso ein Opportunist oder vielleicht gar unpolitisch? Wenige Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im Juni 1940 tauschte der berühmte Maler sein temporäres Fluchtdomizil in Royan am Atlantik gegen ein Atelier im besetzten Paris.

 

Pablo Picasso Trois têtes de mouton / Drei Schafschädel / Three Lamb's heads, 17.10.1939, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn, 2019, Photographic Archives Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Foto © Kunstsammlung NRW

 

Dies lag in der Rue des Grands-Augustins und dort wohnte und arbeitete der Künstler bis zur Befreiung der Stadt im Sommer 1944. Vier Jahre und rund 71 Tage sollte sein Leben unter der deutschen Besatzung dauern. In die „Zone libre“ der französischen Vichy-Regierung, also in das zunächst unbesetzte Frankreich, zog es ihn ganz offensichtlich nicht.

     Allerdings: Eine ungestörte Idylle war das okkupierte Paris in jenen Jahren auf keinen Fall. Die Besatzungszeit war eine lebensgefährliche Angelegenheit für alle, die ihr ausgesetzt waren. Picasso entschärfte sie für sich durch einen Rückzug ins Private – und hielt nachweislich verhaltene Verbindungen zur Resistance. Unter künstlerischen Aspekten stellt sich diese für ihn hochbedrohliche Lebensphase im Rückblick als ein produktiver Zeitraum dar.

 

Pablo Picasso Taube, 4.12.1942, Chinatusche, Auswaschungen und Gouache auf Büttenpapier, 64,8 x 46 cm, Musée national Picasso-Paris, © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn, 2019, Foto: © bpk / RMN - Grand Palais / Michèle Bellot, Foto © Kunstsammlung NRW

 

Pablo Picasso im Januar 1962 Fotoquelle © Wikipedia, gemeinfrei. File:Pablo picasso 1.jpg Erstellt: 1. Januar 1962
 

Das Düsseldorfer K20 bietet in einer eher kleinen, gleichwohl sehr interessanten Schau Einblick in das Leben und Schaffen des genialen Künstlers während des Zweiten Weltkriegs. Sie titelt „Pablo Picasso. Kriegsjahre 1939 bis 1945“.

     Es ist hinlänglich bekannt, dass Pablo Ruiz Picasso (1881–1973), gebürtig aus Malaga und beim deutschen Einmarsch in Paris 59 Jahre alt, wegen seiner Prominenz deutlich weniger zu leiden hatte als Zigtausende im Land.

     Zwar galt der Spanier als „entarteter“ Maler, denunziert als „Pinsel Israels“ und bei Gestapo und Pariser Polizei in der „Akte Picasso“ ermittlungsdienstlich erfasst (Lit.s.unten). Ein Grafiker und Bildhauer zudem mit einem unsicheren Status als Ausländer, der dem faschistischen Franco-Regime in seiner Heimat aus der Ferne mit künstlerischen Mitteln Paroli bieten wollte.

 

Es mochte wohl eben seine internationale Bekanntheit sein, so betont das ausstellende Haus, die ihm „Schutz vor den Übergriffen der Besatzer“ verschaffte. Picasso war ein prominenter Privilegierter, für ihn gab es weder Verhaftung, Internierung oder Deportation. Welche Rolle dabei der reichsdeutsche Staatskünstler Arno Breker (mehr) spielte, ein großer Bewunderer des spanischen Exilanten, kann nur vermutet werden. Sicher ist, dass Picasso Brekers Ausstellung in Paris im Frühsommer 1942 besuchte.

     Auch die kriegsbedingten Verknappungen bei Malerutensilien, Skulpturengüssen in Bronze und vor allem Lebensmitteln, insbesondere 1943, griffen bei ihm nicht in der sonst üblichen Schärfe. Da halfen unter anderem Obst- und Gemüserationen aus dem eigenen Garten des Herrenhauses Boisgeloup, rund 63 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Dort hatte der gut vernetzte Picasso übrigens in den Vorkriegsjahren viel Zeit mit seiner Geliebten und Muse Marie-Thérèse Walter verbracht, während die Gattin Olga in Paris weilte.

 

Installationsansicht "Pablo Picasso. Kriegsjahre 1939 bis 1945", K20, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2020, Foto: Achim Kukulies Foto © Kunstsammlung NRW


Wer in der K20-Schau nach konventionellen Kriegsmotiven sucht, wird nicht fündig. 1944 erklärte der Meister: „Ich habe nicht den Krieg gemalt, weil ich nicht zu der Sorte von Malern gehöre, die wie ein Fotograf etwas darzustellen suchen. Aber ich bin sicher, dass der Krieg Eingang genommen hat in die Bilder, die ich geschaffen habe.“

     Pablo Picasso reagierte in seinem Werk auf die Bedrohungen der Zeit, auf Tod und Zerstörung, in seiner eigenen Weise. Er widmete sich nicht vordergründig dem Drama Krieg, sondern subtil, vor allem in den klassischen Gattungen der Malerei. Es entstanden Portraits, Aktdarstellungen und vielseitige Stillleben – teils mit Lebensmitteln und banalem Hausrat als Motiv. „Knappheit und Entbehrung werden so anschaulich – auch wenn der Künstler womöglich weniger unter dem Mangel zu leiden hatte“, heißt es in der Ausstellung.

 

Pablo Picasso Nature morte au crâne de bœuf / Stilleben mit Stierschädel / Still Life with Bull's Skull, 5.4.1942, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn, 2019, Foto: Walter Klein, Düsseldorf #K20Picasso #K20 Foto © Kunstsammlung NRW

 

Diese indirekte Auseinandersetzung Picassos mit der Kriegswirklichkeit zeigt die Schau. Denn die Abstraktionen der Körper, oft als Deformationen bezeichnet, und die mit der Zeit zunehmend düsteren und stumpfen Farben spiegeln, wie auch Totenköpfe und Tierschädel, ebenso die Schrecken und das Grauen des Kriegsalltags wider.

     Picassos innere Emigration wird ferner deutlich in den zahlreichen Bildnissen seiner Lebensgefährtin, der Fotografin und Malerin  Dora Maar, sowie in der zeichnerischen Erfassung eben jener Orte seines Umfeldes, die sein Leben bestimmten: sein Atelier, der kleine Park Le Vert-Galant unweit seiner Werkstatt oder das Restaurant Le Catalan, welches er häufig besuchte. In manchen Werken griff Picasso die Stilmittel seiner kubistischen Zeit auf.

     Es seien die zutiefst menschlichen Widersprüche, so betont das K20, die Picassos Leben und Werk in den Kriegsjahren prägen würden. Unpolitisch war dieser Weltstar auf keinen Fall. Mit seinem berühmten, monumentalen Anti-Kriegs-Wandgemälde „Guernica“, dass er 1937 in Rekordzeit in seinem Pariser Atelier schuf, klagte er die Bombardierung der baskischen Kleinstadt durch deutsche und italienische Flugzeuge während des spanischen Bürgerkriegs an. Eine ähnlich eindeutige Haltung bezog er allerdings in der Folgezeit nicht mehr.

 

Nach der Befreiung von Paris am 24. August 1944 wurde Picasso als Überlebender bejubelt und zur „Ikone des künstlerischen Widerstandes“ erhoben. Die internationale Presse feierte ihn in großem Stil. Fotografien von ihm aus jenen siegestaumeligen Wochen fertigten die Namhaftesten der Branche: So der in Ungarn geborene und mit Picasso befreundete Fotograf Gyula Halasz „Brassaï“ und die US-Kriegsberichterstatterin Lee Miller (mehr).

     Picasso selbst wird ein großer Anteil an der Inszenierung seiner Person als „Galionsfigur der Freiheit“ zugeschrieben, so die Aussteller. Denn nur wenige Tage nach dem Ende der düsteren Zeit unter der NS-Diktatur präsentierte er seine unter Kriegsrecht entstandenen Werke in seinem Atelier. Es fanden sich die Größen der damaligen Kunst- und Kulturwelt ein, aber auch alliierte Soldaten und Touristen, so ist überliefert. Noch im selben Jahr trat Picasso der Kommunistischen Partei Frankreichs bei und blieb ihr treu bis ans Lebensende.

     Die chronologisch aufgebaute Ausstellung lässt den Besucher das Leben Picassos in diesen Jahren quasi abschreiten. Die Werke sind ihren Erstehungsdaten nach präsentiert. Und Picasso nahm die Datierung seiner Arbeiten sehr genau. „Warum glauben Sie, datiere ich alles, was ich mache? Weil es nicht genügt, die Arbeiten eines Künstlers zu kennen, man muss auch wissen, wie und unter welchen Bedingungen er sie schuf.“

K2M


Die knapp 70 gezeigten Werke bestehen aus Gemälden, Skulpturen, "Papiers déchirés" und Illustrationen. Darüber hinaus vermitteln Zeitdokumente, Reproduktionen von Fotos, die den Künstler und seine Werke aus dieser Zeit abbilden, und Buchprojekte einen zeithistorischen Einblick.

► Die Ausstellung ist eine Kooperation des Musée de Grenoble mit der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und dem Musée national Picasso-Paris. Das Projekt steht unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Armin Laschet, dem Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Beziehungen zu Frankreich.

 

Die Ausstellung „Pablo Picasso Kriegsjahre 1939 bis 1945“ wird verlängert bis zum 26. Juli 2020 gezeigt.
K20
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen

Grabbeplatz 5
40213 Düsseldorf
Tel. 0211 / 8381-204
Öffnungszeiten
DI – FR 10 – 18 Uhr
SA + SO 11 – 18 Uhr

 

 Literaturhinweis Michael Carlo Klepsch: Picasso und der Nationalsozialismus. 240 Seiten, Patmos Verlag 2007, ISBN-10: 3491350115

Katalog zur Ausstellung Die Publikation Pablo Picasso. Kriegsjahre 1939 bis 1945 geht vertiefend auf das Thema ein und ist im Wienand Verlag Köln erschienen.

     Herausgegeben von Susanne Gaensheimer, Kathrin Beßen, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, mit
Beiträgen von Susanne Gaensheimer, Sophie Bernard, Stéphane Guégan, Brigitte Léal, Laurence Madeline, Guitemie Maldonado, Martin Schieder, Guy Tosatto, 331 Seiten mit 288 farbigen und 52 s/w Abb., 28,0 x 22,0 cm, Hardcover, Deutsch, Erscheinungsdatum: 04.02.2020, ISBN 978-3-86832-562-1

 

 

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