rheinische ART
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rheinische ART 04/2013

 

ARCHIV 2013
Ferdinand Hodlers Spätwerk in Basel

 

„Blau ist mir überhaupt die liebste Farbe“

 

 

Ferdinand Hodler, Selbstbildnis, 1914,

Öl auf Leinwand, 43 x 39 cm,

Museum zu Allerheiligen, Schaffhausen, Foto: Museum zu Allerheiligen

 

Wann immer von Ferdinand Hodler (1853-1918) die Rede ist, sind Titulierungen wie Schweizer Bergmaler, Nationalkünstler, Symbolist oder Jugendstilist nicht fern. In der Tat gehören seine Alpenpanoramen, der wuchtige Volksheld Wilhelm Tell oder der archaisch-heroische Holzfäller zu seinen Markenzeichen. Sie sorgen dafür, dass sein Ruf als eidgenössischer Maler pathetischer Monumental- und Historienbilder unverändert stabil bleibt. Mit seinen Gemälden, so heißt es, hätte er wie kein anderer das Bild und das Selbstverständnis der Schweiz geprägt. Doch Hodler war stets mehr: nämlich ein moderner Künstler mit einer revolutionären Bildtechnik, einer der wichtigsten des Übergangs vom 19. Jahrhundert zur Moderne.

 

Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel zeigt - nach eigenen Angaben als erstes Schweizer Museum - eine 80 Werke umfassende Schau zu Hodlers Spätwerk. Es ist eine opulente Exposition, die sich auf die letzten fünf Lebensjahre des Malers konzentriert. In dieser Phase seines Lebens musste der aus sozial schwierigen Verhältnissen stammende Künstler sich niemandem mehr beweisen: Er hatte sich wohlhabend gemalt und war ein allgemein anerkannter und gefragter Meister. Motive aus seinem Atelier zierten Geldscheine, Münzen und Briefmarken.
   In den späten Gemälden greift er die großen Themen seines Lebens und Schaffens noch einmal auf. Er stellt sie in Serien und Variationen dar: seine Auseinandersetzung mit dem Selbstportrait, von denen es wohl rund 30 gibt, die legendären, wunderschönen wie auch leicht kitschig wirkenden Darstellungen der Schweizer Alpenwelt, seine Faszination für Frauen, derer er mehrere nicht nur als Muse hatte, den Tod und die Ewigkeit.

 

Brückenbauer der Moderne

 

Ferdinand Hodler, Genfer See mit Mont Blanc am frühen Morgen (März), 1918, Öl auf Leinwand, 66 x 80,5 cm, Privatsammlung, Zürich, Foto: SIK-ISEA, Zürich

 

Ferdinand Hodler, Genfer See mit Mont Salève und Schwänen, 1914/15, Öl auf Leinwand, 65 x 85 cm, Kunstmuseum Bern, Vermächtnis von Madame Hector Hodler, Genf, Foto: Kunstmuseum Bern

 

Ferdinand Hodler, Bildnis Valentine Godé-Darel (Französischer Frauenkopf), um 1912, Öl auf Leinwand, 43 x 33 cm, Kunsthaus Zürich, Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, Foto: © Kunsthaus Zürich

 

Den Schwerpunkt bilden Landschaftsgemälde. Aus vorher eher dunkel und drohend anmutenden Berg-, Bach- und Seenbildern werden mit steigendem Alter des Meisters streng komponierte, expressionistisch anmutende, horizontal gestufte Farbschichtungen, in denen parallele Linien und Raum ineinander aufgehen: fast irreal, planetarisch, kosmisch – auch in der Farbgebung. Im letzten Lebensjahr war der lungenkranke Hodler aber kaum mehr in der Lage, sein Appartement in Genf zu verlassen. Deshalb malte er vom Balkon seiner Wohnung aus in immer wieder neuen Variationen den Blick über den Genfer See auf das Mont-Blanc-Massiv und zwar immer radikaler und abstrakter.

   Hodler gehe es um die Essenz der Malerei, so die Kuratoren, um Farbe und Form und um die pantheistische Einheit der Natur. Er sei mit diesen Landschaftsbildern zu einem Maler von Farbflächen geworden. Die abstrakte Farbfeldmalerei eines Mark Rothko oder eines Barnett Newman finde hier einen frühen Vorläufer und damit einen Wegbereiter der Moderne.

   Ein völlig anderes Sujet ist dagegen der ergreifende Bilderzyklus über das Leiden und Sterben der Geliebten und Lebensgefährtin Valentine Godé-Darel, die Mutter seiner Tochter und sein ehemaliges Modell. Von 1912 bis 1915 begleitete Ferdinand Hodler zeichnend und malend den körperlichen Verfall und schließlich den Tod der an Krebs erkrankten 42-Jährigen. Es ist nicht bekannt, ob er die Dokumentation des Leidens der geliebten Frau unter Qualen ertrug oder die fast 100 Gemälde und Zeichnungen zu diesem Thema mit der Schamlosigkeit eines Zuschauers künstlerisch verarbeitete. In der Kunstgeschichte gilt das Vorgehen des Malers auf jeden Fall als einzigartig. Oft wird Hodlers Vita als Erklärung herangezogen. Denn der junge Ferdinand war Vollwaise, dem die Tuberkulose mit sieben Jahren den Vater, mit vierzehn die Mutter und mit 23 alle fünf Geschwister dahinraffte. Hodler hatte ein seit Kindheit eigenes, vertrautes Verhältnis zum Tod: „Mir war, als wäre immer ein Toter im Haus und als müsste es so sein.“

 

Ferdinand Hodler, Blick in die Unendlichkeit, 1913/14-1916, Öl auf Leinwand, 446 x 895 cm, Kunstmuseum Basel, Foto: © Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler

 

Zu bewundern ist in der Schau auch das Kolossalgemälde Blick in die Unendlichkeit. Das eher symbolistisch und jugendstilhaft wirkende, dem Expressionismus zugeordnete Großbild zeigt fünf hochgewachsene Frauen in blauen Gewändern. „Blau ist mir überhaupt die liebste Farbe“, so Hodler. Es sei die Farbe, „...die wir am leichtesten in großen Ausdehnungen ertragen.“ Die Haltung der Frauen deutet eine tänzerische oder eurythmische Bewegung an, die Hände einander zugereckt, die Blicke entrückt aus dem Bild in die Weite des blauen Himmels gerichtet, in die Unendlichkeit. Aufgestellt in einer Reihung, die beliebig fortgeführt werden könnte – eben auch bis in die Unendlichkeit Das Breitwandbild ist ein Beispiel für Hodlers streben, Monumentalismus durch - wie er es sah - Parallelismus, also die Wiederholung gleicher Formen oder Figuren, zu erzeugen.

bra/K2M

 

In Deutschland hatte Ferdinand Hodler bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges große Erfolge. Er fertigte 1907 das Wandbild Auszug deutscher Studenten in den Freiheitskrieg von 1813 für die Universität Jena und das Historiengemälde Einmütigkeit für den Ratssaal des Neuen Rathauses in Hannover (1913) an. Als Mitunterzeichner des sog. „Genfer Protests“, der sich gegen die Beschießung der Kathedrale von Reims durch die deutsche Artillerie wendete, wurde er 1914 in Deutschland allerdings zur persona non grata erklärt.

 

Die Ausstellung „Ferdinand Hodler“ ist bis zum 26. Mai 2013 zu sehen.
Fondation Beyeler
Baselstraße 101
Riehen CH – 4125 Basel / Schweiz
Tel. +41 – (0)61 – 645 97 00

Öffnungszeiten
täglich 10 - 18 Uhr

MI 10 - 20 Uhr
Das Museum ist an allen Sonn- und Feiertagen geöffnet


 

 

 

Fotos (5) Fondation Beyeler