rheinische ART
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rheinische ART 12/2013

Archiv 2013

KUNSTFORSCHUNG 

„Schilderer“

 

„Eine Etage tiefer“ sei die Ausstellung, sagte der freundliche Museumswärter. Das ist fast Programm. Denn in der Sonderausstellung „Geheimnisse der Maler – Köln im Mittelalter“ geht es um die Rätsel unter der Oberfläche. Nicht was gemalt wurde steht im Vordergrund, sondern wie.

 

Gesicht der Maria (Detail), Stefan Lochner, Weltgericht, um 1435, Eichenholz,
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, © Wallraf

„Wie hat Stefan Lochner es geschafft, die Brosche der Muttergottes in der Rosenlaube zum Funkeln zu bringen?“ Solche Fragen interessieren nicht nur Kunsthistoriker, sondern auch Museumsbesucher: Diese grundlegende und didaktisch brillante Ausstellung war längst überfällig.
   Welcher Kölner Künstler war am Werk, wie hat er gemalt und welches Schicksal erfuhren seine Kunstwerke? Das sind einige der Fragen, die ein Team von Kunsttechnologen, Naturwissenschaftlern und Kunsthistorikern in einem mehrjährigen Projekt umtrieb. Mit Röntgenbildern, Infrarotaufnahmen, mit dem Stereomikroskop sowie chemischen und dendrologischen Analysen bedienten sie sich modernster Forschungsmethoden, um den Malern des Kölner Mittelalters auf die Spur zu kommen. In vier Kapiteln und drei Exkursen präsentiert die Ausstellung nun ihre Ergebnisse.
   Am Anfang steht eine Zeitreise zurück ins Mittelalter. Dort, wo sich heute Modelabels aneinanderreihen, lebten und arbeiteten vor rund 600 Jahren die meisten Kölner Maler: In der Schildergasse. Der Name geht zurück auf die Berufsbezeichnung der Schild- und Wappenmaler. Ihr Aufgabenspektrum war umfangreich und umfasste neben Altarbildern, Wandmalereien und Gemälden auch das Bemalen von Möbeln, Holztruhen oder Fahnen für das private Haus. Viele der mittelalterlichen Werke wurden im Zuge der Säkularisation aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang gerissen. Insbesondere Triptychen und Diptychen wurden auseinandergenommen, geteilt, zersägt oder gespalten und auf die Teile reduziert, die sich gut verkaufen ließen.

 

Original neben Röntgenaufnahme, Maria mit Kind und dem Heiligen Hieronymus, 1440/50. Die im Röntgenbild kartierten Brettfugen und Dübel veranschaulichen die Konstruktion des Tafelbildes aus Tannenholz. Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, © Wallraf

 

Neben den Originalen ausgestellte Röntgenbilder und Infrarotaufnahmen machen nun durch Spuren von Scharnieren oder Verbindungsteilen ihre Vergangenheit sichtbar. So belegen die bislang nicht bekannten Spuren von Scharnieren, dass es sich bei dem Kalvarienberg des Meisters des Wasservass’schen Kalvarienbergs von 1420/30 nicht um ein Einzelbild handelt. Die Forscher konnten weiter nachweisen, dass ein Tafelbild von 1330/40 mehr als 100 Jahre später teilweise übermalt wurde, um es dem Zeitgeschmack anzupassen. Bewusst lassen die Kuratoren Fragen offen: War es ein über Leisten gespanntes Textil, das auf den Rahmen einer Mitteltafel aufgesteckt wurde? Rätselhafte Bohrungen lassen den Schluss zu, aber sicher ist das nicht.

 

Infrarotaufnahme (Detail), Ankunft der Heiligen Ursula und ihrer Schar in Rom, 1455/60, Tannenholz. Die Aufnahme macht die Unterzeichnung auf dieser Tafel des Ursulazyklus sichtbar. Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, © Wallraf

Die Malerei zählte damals noch nicht zu den Freien Künsten: Maler waren vielmehr Handwerker, und als solche haben sie ihre Werke nicht signiert. So wundert es nicht, dass sich die erhaltenen Kunstwerke heute kaum einem Künstler zuordnen lassen. Die kunsthistorische Forschung erfand Notnamen wie „Meister der Kleinen Passion“ oder „Meister der heiligen Veronika“, die sich zumeist auf das bedeutendste Werk eines Malers beziehen und hinter denen sich wahrscheinlich eine ganze Werkstatt verbirgt.

     Ein Ergebnis dieser Ausstellung ist, dass mehrere – vermutlich unterschiedlich qualifizierte - Maler an einem Werk arbeiteten und dass es wohl nur drei bedeutende Malerwerkstätten in der Schildergasse gab, zwischen denen Malergehilfen je nach Auftragslage pendelten. Anhand ihrer Figurenformulierung, ihres Farbauftrags und der Art, zu punzieren oder mit Rundstempeln Muster auszuführen, wurde versucht, die Hände zu unterscheiden. Solche Details sind aus der üblichen Besucherdistanz in Museum nicht zu erkennen, weshalb die mit dem Stereomikroskop gemachten Aufnahmen in der Ausstellung gezeigt werden. Auch interessant: Die Maler malten mit Schablonen, die das häufige Auftreten gleicher Gesichter oder Profile erklären.
      Stefan Lochner ist der einzige Maler, dem Bilder konkret zugewiesen werden können. Infrarotaufnahmen und Röntgenbilder machen die minutiöse Vorzeichnung bei einem seiner Hauptwerke sichtbar, dem Weltgericht.

 

Stefan Lochners Muttergottes in der Rosenlaube, um 1445, auf Eichenholz gemalt. Daneben die Detailaufnahme der nur 1,5 cm hohen Brosche der Muttergottes. Die Perlen und das figürliche Relief der Brosche scheinen dem Betrachter durch die körperhaften Farbakzente in ihrer Form geradezu greifbar zu sein. Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, © Wallraf und RBA Köln

 

Die Muttergottes in der Rosenlaube hat ihren angestammten Platz im Museum verlassen hat und wird als Highlight in der Ausstellung präsentiert. Ein Film erklärt anschaulich ihren maltechnischen Aufbau und zeigt, wie das Blattgold aufgetragen wurde. Einziges Manko: Die schlechte Akustik. Dafür sind die Ausstellungsdidaktik und das Begleitprogramm für Kinder überzeugend. Immer wieder fordert der Hinweis „please touch“ den Besucher auf, Schubladen zu öffnen, Hölzer anzufassen oder Diptychen aufzuklappen. Eine Schauwand erklärt, wie Maler im Mittelalter Farbe herstellten – unter Gefahr für Leib und Leben. Zinnober oder Bleiweiß enthielten toxische Stoffe, und die Bleivergiftung galt als Malerkrankheit. Dem Holz als Bildträger ist ein eigener Exkurs gewidmet: Welches Holz wurde überwiegend genutzt, worin liegen Unterschiede, was macht gute Qualität aus? 

     Naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden liefern nun Antworten auf jene Frage, mit der Kunsthistoriker häufig konfrontiert werden: „Woher willst Du das wissen?“ Die Ergebnisse werden auch Zweifler überzeugen. Aber ein Geheimnis kann kein Röntgenbild lüften: Das um die Aura der Muttergottes in der Rosenlaube. Kunst ist mehr als reine Wissenschaft.
Marion Lisken-Pruss

 

Die Ausstellung „Geheimnisse der Maler – Köln im Mittelalter“ ist bis zum 9. Februar 2014 zu sehen.
Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
Obenmarspforten (am Kölner Rathaus)
50667 Köln
Tel. 0221 / 221 - 211 19
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 18 Uhr
DO 10 – 21 Uhr

 

Katalog zur Ausstellung
Köln im Mittelalter – Geheimnisse der Maler
Hrsg. vom Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud
mit Beiträgen von Katja von Baum, Iris Schaefer und einer Einführung von Carl Dietmar.
Deutscher Kunstverlag, Preis: 24,90 €