rheinische ART
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rheinische ART 11/2013

ARCHIV 2013

Münchener Bilderschatz

Entartete Kunst in Solingen

 

Der sensationelle Bilderfund in der Münchener Wohnung des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt, dem Sohn des Kunsthistorikers und -händlers Hildebrand Gurlitt (1895-1956), schlägt hohe Wellen und erschüttert die Kunstszene. Gurlitt Senior soll den Kunstschatz, dessen Wert an (unbestätigte) eine Milliarde Euro reichen soll, seinem Sohn hinterlassen haben. Die Spuren reichen auch ins Rheinland, bedingt unter anderem durch weit verzweigte verwandtschaftliche Bindungen des Kunsthändler-Clans.

 

Paul Kleinschmidt, Frau mit Konfekt, 1936,

Öl auf Leinwand, Foto Kunstmuseum Solingen

 

Da ist zunächst die Tatsache, dass Hildebrand Gurlitt von 1948 bis zu seinem Unfalltode acht Jahre lang in Düsseldorf als Leiter des „Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen“ tätig war. Eine interessante Rolle nimmt dessen Cousin Wolfgang Gurlitt (1888-1965) ein. Darauf verweist nun das Solinger Kunstmuseum, das einzige deutsche Museum mit dem Sammlungsschwerpunkt „Verfolgte Künste“. Wolfgang Gurlitt war ebenfalls Kunsthändler, ferner Sammler, Verleger und Galerist; er betrieb in den 1930er Jahren in Berlin eine Galerie.
   Derzeit zeigt das Solinger Museum in der Sonderausstellung „Paul Kleinschmidt: Im Hinterzimmer der Schönheit “ Gemälde, die bis 1933 in dessen Berliner Galerie ausgestellt wurden. Im Begleitheft zur Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937 werden gleich zwei Bilder des Künstlers Kleinschmidt als „entartet“ angeprangert. Paul Kleinschmidt (1883-1949) stammte aus Pommern und war ein sozialkritischer Maler des Expressionismus und Realismus. Er schuf bevorzugt Frauenbilder in einem ihm eigenen Duktus, griff jedoch auch Landschafts-, Theater- oder Varieté-Szenen auf. Der Verfemte ließ sich von den Anfeindungen nicht schrecken. Er jubelte: „Jetzt kommt aber noch eine freudige Botschaft! Ich bin für Januar 1937 von der Harvard Universität in Boston, USA, zu einer großen Sonderausstellung eingeladen worden.“
   Auch andere Künstler, die in Solingen ständig präsentiert werden, wurden in der Berliner Galerie Gurlitt ausgestellt. Von Januar bis März 1933 beispielsweise der deutsch-jüdische Maler Eric Isenburger.

 

Lovis Corinth: Porträt Wolfgang Gurlitt 1917, Fotoquelle Wikipedia

 

Nach dem Reichstagsbrand schrieb der Galerist Wolfgang Gurlitt an das Ehepaar Isenburger, es möge „einige Zeit von der Bildfläche verschwinden“, weil sie auf einer schwarzen Liste der Gestapo stünden. Die Isenburgers flüchteten nach Frankreich. Er, der Künstler, und sie, eine gefeierte Tänzerin, setzten dort ihre Karrieren fort – bis zur Besetzung Frankreichs. Das Ehepaar wurde in Südfrankreich interniert und erst der französische Schriftsteller und spätere Literaturnobelpreisträger André Gide, damals 75 Jahre alt, erreichte ihre Freilassung. Das Thomas-Mann-Komitee verhalf ihnen zu einer Schiffspassage in die USA, wo Eric Isenburger weiterhin tätig war. Glücklich war er über eine erneute Zusammenarbeit mit Wolfgang Gurlitt 1962, als dieser ihn in seiner Galerie in München ausgestellt hat.

 

► Hildebrand Gurlitt, der „Erblasser“ des unglaublichen Kunstschatzes von 121 gerahmten und 1285 ungerahmten Werken (Staatsanwaltschaft Augsburg) war zunächst Museumsleiter in Zwickau, wurde jedoch 1930 aus dem Amt entlassen. Als Gründe werden heute seine nicht „rein-arischen“ Wurzeln sowie seine Vorliebe für Avantgardekunst angenommen. Er leitete danach drei Jahre lang den Hamburger Kunstverein, musste aber auch dort den Dienst quittieren. Die Nationalsozialisten beauftragten Hildebrand Gurlitt in den Folgejahren mit der Veräußerung „entarteter Kunst“ ins Ausland, gleichzeitig fungierte er als Bilderkäufer für das geplante NS-Museum in Linz/Österreich („Sonderauftrag Linz“). Seine Rolle im Dritten Reich gilt heute als tragisch, da er sowohl Täter als auch Opfer war. Die Entnazifizierung überstand er schadlos, bevor er 1947 an den Düsseldorfer Kunstverein berufen wurde. Noch heute, so schreibt die Rheinische Post in ihrer Ausgabe vom 6. November 2013, erinnert die Gurlittstraße in der Landeshauptstadt Düsseldorf an den Kunsthändler.

cpw

 

Die Ausstellung „Paul Kleinschmidt: Im Hinterzimmer der Schönheit“ wird noch bis zum 17.11. 2013 gezeigt. 

Kunstmuseum Solingen
Wuppertaler Straße 160
42653 Solingen
Tel. 0212-258 1410

Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 17 Uhr

 

 

 

 

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