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rheinische ART 05/2020

Archiv 2020

ETHNOLOGIE
Der Prinz und die Indianer


Das Jahr 2019 stand naturwissenschaftlich im Zeichen des überragenden Forschers Alexander von Humboldt. Über das „Humboldt-Jahr“ (mehr) kann leicht ein anderer bedeutender Naturforscher übersehen werden.
 

Karl Bodmer Bisonherde am oberen Missouri, Aquarell, 1833, 24 x 32 cm, (Landscape with Herd of Buffalo on the Upper Missouri) Reproduktion Foto © Joslyn Art Museum Omaha/ Nebraska

 

Maximilian Prinz zu Wied-Neuwied (1782–1867) hieß der deutsche Ethnologe, Zoologe und Forschungsreisende, der vor über 185 Jahren bahnbrechende und einzigartige völkerkundliche Studien in Nordamerika betrieb.

 

Maximilian Prinz zu Wied Buchtitel „Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834“, Band I, Verlag J. Hoelscher Coblenz 1839

 

Johann Heinrich Richter Maximilian Prinz zu Wied und der Botokude-Indianer Quäck im brasilianischen Urwald. Oil on canvas, 1828. Foto © wikipedia; gemeinfrei. Abgebildet in: Brasilien-Bibliothek der Robert-Bosch-GmbH, Katalog Band II

 

Sie erschienen 1839 in einem mehrbändigen Werk unter dem Titel „Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834“ und wurden erfolgreich auch in englischen und französischen Fassungen verlegt.
     Die Ergebnisse der Studien, die zu Wied bei Dutzenden Nordamerikas Indianerstämmen betrieb, gehören heute zu den wichtigsten Dokumentationen der indigenen Bevölkerung der USA. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht wurde der Wissenschaftler und Prinz daher oft auch als der „rheinische Humboldt“ tituliert.
     Es war seine dritte Forschungsreise. Zunächst auf Regionen in Mitteleuropa begrenzt, organisierte er 1815 eine zweijährige Expedition nach Brasilien, vermutlich beeinflusst durch Empfehlungen Alexander von Humboldts. In Brasilien befasste er sich eingehend mit den dortigen Ureinwohnern und der Tier- und Pflanzenwelt.

 

Was die 28-monatige Exkursion zu den Indianerkulturen Nordamerikas, die seinerzeit westlich des oberen Missouri siedelten, so besonders wertvoll macht, sind die dort gefertigten faszinierenden Zeichnungen.

     Sie stammen von dem jungen Schweizer Maler, Grafiker und Lithographen Karl Bodmer (1809–1893), der noch heute als der „Indianermaler“ schlechthin gilt. Bodmer war gerade 23 Jahre alt, als ihn der 50-jährige zu Wied für die wissenschaftliche Tour nach Nordamerika verpflichtete.
     Karl Bodmers exakte, aquarellierte Illustrationen von Landschaften und Kultur der nordamerikanischen Urbevölkerung zeigen noch eine intakte Lebenswelt dieser Menschen. Wenige Jahrzehnte später waren deren Sitten, Gebräuche, Stammesriten, familiären Verbindungen und Heimatregionen durch die nach Westen drängenden „weißen Siedler“ weitgehend zerstört worden und unwiederbringlich verloren.

     Erst rund 70 Jahre später war es der US-Amerikaner Edward S. Curtis (1868–1952), der den ausgerotteten Stämmen ein letztes, heute wegen der Stereotypie umstrittenes Denkmal setzte: kostspielige und glorifizierende Foto-Sammelbände unter dem Titel „The North American Indian“, deren Inhalt zwischen Manipulation und Dokumentation changiert (mehr).

 

Karl Bodmer Mató-Tópe, Häuptling des kleinen Indianerstammes der Mandan. 1838 fiel ein Großteil dieses halbnomadischen Volkes einer Pockenepedemie zum Opfer. Foto © Wikipedia gemeinfrei

 

Karl Bodmer Abdih-Hiddisch, Mönnitarri-Chef. Tableau 24. In: Maximilian zu Wied-Neuwied: Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834, Verlag J. Hoelscher, Coblenz 1839–1841

 

Die Nordamerika-Fahrt des unprätentiösen Adligen, der korrekt Maximilian Alexander Philipp Prinz zu Wied-Neuwied hieß und der bei seinen Aufenthalten in der Ferne gerne auch Pseudonyme annahm, begann im Frühjahr 1832.     

     Neben Bodmer war als Dritter der Präparator, Hofjäger und „Kalfaktor“ David Dreidoppel von Schloss Neuwied dabei, ein Mann, der bereits zuvor bei der Brasilien-Expedition assistierte.

     Im Rahmen der Forschung fertigte Bodmer Hunderte Zeichnungen und Skizzen, die er teilweise nach seiner Rückkehr kolorierte und komplettierte. Rund 20 Jahre später begann bereits das Zeitalter der Fotografie und die Kamera ersetzte den Tuschkasten.

     Noch heute gelten die Ergebnisse dieser akribischen Entdeckungs- und Dokumentationsreise als Quelle für die Beantwortung von natur- und völkerkundlichen Fragen über den Raum Nordamerikas. Bodmers Aquarelle waren letztlich Vorlage für die über 80 Kupferstiche in dem Nordamerika-Reisewerk, von dem das Universallexikon Brockhaus schon 1853 schwärmte, es sei ein „Prachtwerk, dem Ähnliches in Deutschland nicht vorausgegangen“ sei.

 

Im Gegensatz zu Europa, wo zu Wied und Bodmer eher selten Erwähnung finden, ist ihre Präsenz in Übersee bemerkenswert. So wird heute beispielweise das gesamte Originalwerk des Züricher Malers in den USA archiviert und betreut. Die detailreichen Abbildungen aus der Lebenswelt der Indianer sind in allen Bundesstaaten weit verbreitet, reichen als Anschauung bis in Schulbücher und gelten als kulturelles Gedächtnis der amerikanischen Nation.
K2M

  

► „Prinz Maximilian zu Wied starb 84jährig am 3. Februar 1867 in Neuwied. Die bereits ein Jahr später in Erwägung gezogene Errichtung eines Denkmals konnte erst Ende des 20. Jahrhunderts neben dem Neuwieder Schloss verwirklicht werden. Allgemein bekannt ist, dass sein Nordamerika-Reisewerk zur Standardlektüre Karl Mays bei der Vorbereitung seiner Indianerromane zählte. Karl Bodmers Indianerbilder dienten später sogar als Vorlage für Hollywood-Verfilmungen.“ (Quelle: Roentgen-Museum Neuwied). Das Museum zeigte anlässlich des 150. Todestages des Prinzen 2017 eine umfassenden Schau über sein wissenschaftliches Wirken.

 

 

 

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