rheinische ART
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rheinische ART 08/2014

Archiv 2014

FONDATION MAEGHT 
Das Haus im Pinienwald

 

Wenn von einer perfekten Präsentation zeitgenössischer Kunst in mediterraner Landschaft die Rede ist, dann trifft dies ohne Übertreibung auf Frankreichs Kunststiftung Fondation Maeght zu. Die bedeutendste Privatstiftung des Landes und ihr einzigartiger Kulturtempel, idyllisch beim Städtchen Saint-Paul-de-Vence im Hinterland von Nizza gelegen, sind in diesem Sommer 50 Jahre alt geworden.

 

Joan Miró La Fourche (Die Gabel), 1963, Bronze, 507 x 455 x 9 cm. Eine der ersten Plastiken, die Joan Miró im Labyrinth der Skulpturen in der Fondation installierte. ©Foto rART

 

Zum runden Geburtstag zeigt das weltberühmte Haus die Sonderschau „Face à l´œuvre“ (Angesichts des Werkes). Mit dieser Ausstellung führt die Stiftung Arbeiten von rund 40 Künstlern zusammen, die mit dem Stifterehepaar, Marguerite und Aimé Maeght, auf das engste verbunden waren und nach der Gründung der Institution vor einem halben Jahrhundert in der Auftaktausstellung vertreten waren. Darunter so große Namen wie Wassily Kandinsky, Pierre Bonnard, Fernand Léger, Georges Braque, Alexander Calder oder Eduardo Chillida.

 

Blick in den Pinienwald mit Installationen von Alexander Calder und Joan Miró (1970). ©Foto rART

 

Rückblick Zur Eröffnung des Kunst-Hauses am 28. Juli 1964 gab es eine gigantische Champagner- Sause, nachzulesen in Magazinen und Tageszeitungen jener Zeit. Rund 1000 Prominente aus Kunst, Kultur und Politik - von Baron Rothschild bis Peter Ustinov - und der Jetset reisten, teils stilgerecht per französischem Düsenflugzeug „Caravelle“, aus Paris an und feierten zwei Tage in dem von Joan Miró angelegten labyrinthischem Garten.

 

Aimé Maeght vor dem Ausstellungsgebäude der Fondation Maeght, Foto Claude Gaspari © Archives Fondation Maeght

„Ja mein lieber Joan, wir werden ein in der Welt einzigartiges Werk kreieren.“ (Korrespondenz von Aimé Maeght an Joan Miró vom 29. August 1959)

 

Alberto Giacometti, Portrait der Marguerite Maeght, 1961, Öl auf Leinwand, 100 x 81 cm, Foto Galerie Maeght ©Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti Paris + ADAGP Paris 2014)

 

Josep Lluís Sert und Joan Miró mit einem Modell der Fondation Maeght © Archives Fondation Maeght

 

Frankreichs Kulturminister, der Kunsttheoretiker und Schriftsteller André Malraux, eröffnete höchstpersönlich die Festivität, die große amerikanische Jazz-Sängerin Ella Fitzgerald gab ein Ständchen und der Top-Kinostar und Chansonnier der Pariser Szene, Yves Montand, brillierte mit Schaueinlagen. Die Gäste labten sich unter anderem an einem über 100 Meter langen kalten Buffet und huldigten der kostbarsten privaten Kunststiftung, die Frankreich bis dahin erhalten hatte.
     Gefeiert wurde die „Schlüsselübergabe“ an den Kulturminister und die Tatsache, dass ein kunstaffines Ehepaar aus bürgerlichen Verhältnissen einen eigenwilligen, einstöckigen Bau mit gewellter Dachkonstruktion in die duftende, warmfarbene provencalische Landschaft gestellt hatte, drum herum ein edler Park, voll mit Skulpturen, Plastiken, Mosaiken und Installationen und einem Labyrinthgarten, wie man ihn bislang nicht gesehen hatte.
     Die Pläne dieses noch heute ungewöhnlich wirkenden Ensembles lieferte der katalanische Architekt José Lluis Sert, seinerzeit Nachfolger von Walter Gropius als Dekan der Harvard Graduate School of Design in Cambridge.

 

Haus der Begegnung Die Maeghts vertraten allerdings beharrlich die Meinung, der Neubau sei kein Museum. Was also dann? „Es ist ein Haus, in dem Musiker, Poeten und Maler zusammenkommen und gemeinsam arbeiten“, erklärten sie in einem Interview. Klar ausdrückt: Stiftung und Immobilie sollten als Veranstalter und Ort von Ausstellungen für interdisziplinäre zeitgenössische Kunst gesehen werden.
     Wie auch immer. Die Fondation Maeght wird, selbst wenn es nicht so gedacht war, in der Öffentlichkeit längst als Museum und gerne als eines der Moderne wahrgenommen. Schließlich ist ihr Bestand an Kunstwerken, mit denen sie Ausstellungen oder Retrospektiven bespielen, mit 12.000 Werken immens. Darunter befinden sich Objekte der Spitzenklasse. Vom Schweizer „Jahrhundertbildhauer“ Alberto Giacometti etwa allein 52 Skulpturen oder von Joan Miró 150 Arbeiten. Weitere große Bestände existieren zum Beispiel von Pierre Bonnard, Alexander Calder (mehr), Fernand Léger, Marc Chagall, Wassily Kandinsky, Henri Matisse und anderen. Über eine Viertelmillion Besucher jährlich verzeichnet dieses „Traumhaus der Kunst“.

 

Karriere Aimé Maeght, Sohn eines Eisenbahners, wurde 1906 in dem mehr flämisch geprägten nordfranzösischen Hazebrouck nahe Lille geboren. Als Halbwaise, der Vater fiel im Ersten Weltkrieg, kam er nach Südfrankreich. In Nimes wurde er zum Lithografen ausgebildet, ab seinem 20. Lebensjahr arbeitete er in Cannes als Maler, Grafiker und Kunstdrucker. Mit seiner drei Jahre jüngeren Frau Marguerite betrieb er dort ab 1932 eine Druckerei und einen Bilderhandel, aus dem wenige Jahre später eine Galerie wurde.
     Die jungen Eheleute waren zur rechten Zeit am rechten Platz. Zahlreiche Künstler und Intellektuelle zogen in den 30er und 40er Jahren an die Côte d´Azur. Aimé Maeght traf dort auf den Maler Pierre Bonnard (1867-1947). Es war eine entscheidende Begegnung, denn Bonnard bestärkte Maeght, sich dem Handel mit Kunst zuzuwenden.
     In den Folgejahren präsentierten und vertraten die Galeristen neben Bonnard Künstler wie Matisse, Braque, Miró, Chagall und Kandinsky, aber auch junge, noch weitgehend unbekannte Talente wie Ellsworth Kelly, Eduardo Chillida oder Alberto Giacometti. Dem aufstrebenden Bildhauer finanzierte das Galeristenpaar die Bronzegüsse und zeigte ihn erstmals 1951 in ihren Räumen. Marguerite und Aimé Maeght wurden zu „der“ Adresse für zeitgenössische Kunst schlechthin und der Kunsthandel machte das Sammlerpaar zu Millionären.

 

 

Fondation Maeght Anlass für den Bau eines Kunsthauses der Spitzenklasse war nicht allein die Frage, wie die enorme Kollektion der Eheleute untergebracht und ausgestellt werden sollte. Der frühe Tod des zweiten Sohns Bernard, der mit elf 1953 an Leukämie starb, hatte die Familie schwer getroffen und vor allem den Kunstmäzen in schwere Depressionen gestürzt. Das Engagement seiner Künstlerfreunde, namentlich Braque und Léger, die mit der Idee eines modernen, technisch ausgefeilten Sammlungshauses an Aimé Maeght herantraten, lenkte den kranken Kunsthändler ab. Aus ersten Plänen entstand schließlich das Gesamtkonzept, realisiert von dem Architekten Sert. Von 1959 bis 1964 wurde in einem hügeligen alten Pinienhain bei Saint-Paul-de-Vence gebaut und gestaltet.

     Sert errichtete ein Gebäudeensemble aus zwei Häusern, einem verbindenden Hof - dem Cour Giacometti mit seinen Bronzefiguren - und der abseits liegenden kleinen Kapelle St. Bernard; alles fügte sich harmonisch in die mediterrane Landschaft. Die Kapelle ließen die Eheleute zur Erinnerung an ihren Sohn errichten. Die farbigen Glasfenster gestalteten George Braque und der in Köln geborene belgische Maler und Bildhauer Raoul Ubac (1910-1985).

 

Der "Cour Giacometti", ein Innenhof mit den Bronzefiguren des Schweizer Bildhauers © Foto Galerie Maeght

 

Die nicht groß wirkenden Baukörper wurden nach den Vorstellungen der Bauherren entwickelt. Sert entwarf und baute mit groben Backsteinen und weiß- und ockerfarbenem Sichtbeton, testete und nutzte raffinierte Verschattungsmethoden und ebensolche Lichteinlässe - schließlich sollte auch extrem sensible Kunst schadlos die Wände schmücken und reflexlos bestaunt werden können. Braque, Chagall, Miró, Kandinsky und Giacometti erhielten eigene Kabinette mit jeweils auf die Bedürfnisse ihrer Kunstwerke abgestimmten Lichtverhältnissen.

 

Auf das Dach wurde eine Terrasse gesetzt, die einen Blick ins Grüne und den „Cour Giacometti“ ermöglicht. Mit seinem Landsmann und Freund Joan Miró gestaltete Sert das abschüssige Garten- und Terrassenlabyrinth neben den Gebäuden. Braque gab einem Wasserbassin aus Mosaiken Form und Farbe, Calders „Stabiles“ recken sich zwischen exotischen Sträuchern und Bäumen und der Maler Pierre Tal-Coat, Mitbegründer des Tachismus, verschönerte eine Eingangsmauer. Diese gestalterische Mitwirkung der Künstler war das Neue und das Unverwechselbare, das die Fondation Maeght ausmachte – und bis heute ausmacht. Ein architektonisches Kunstwerk von Künstlern für ihre Kunst. Denn tatsächlich waren es die befreundeten Kreativen, die das bis heute bewunderte Aussehen der Fondation prägten.

Claus P. Woitschützke

 

Cafeteria mit einer Atmosphäre der besonderen Art: das Café F, auch Café Diego genannt. ©Foto rART

 Café Diego Ein eher profan wirkendes Café hinter dem Eingang offenbart erst auf den zweiten Blick sein wahres Geheimnis. Für die Kaffeestube gestaltete Alberto Giacomettis Bruder Diego das Interieur. Ein gutes Dutzend gusseiserner Tische mit ebensolchen Stühlen, dazu ein passender Tresen, zeugen von bemerkenswerter Stilsicherheit. Bei noch überschaubaren Preisen für Snacks, Kalt- und Heißgetränke sitzt der Besucher hier auf Kunst, auf immerhin originalen Diego Giacometti- Stühlen. Wo gibt´s das sonst. Der Park der Fondation und insbesondere das Café sollen übrigens ein Lieblingsort des Museum Insel Hombroich-Stifters Karl-Heinrich Müller (mehr) gewesen sein. Unschwer zu erraten, woher seine Motivation zu „Kunst und Natur“ kam.

     Eine Frage nach dem Wert dieser Caféhaus-Ausstattung ist durchaus statthaft. Eigentlich unbezahlbar, heißt es vom Mann an der Espresso-Maschine. Aber wer sich den Giacometti-Marktwert, auch wenn´s bei dieser Innenausstattung der Bruder war, hochrechne, der komme leicht auf Zahlen über 10 Millionen Euro. Da will man gar nicht mehr aufstehen.

 

Die Sonderschau „Face à l´oeuvre“ wird bis zum 11. November 2014 gezeigt.

Fondation Maeght
623, Chemin des Gardettes
06570 Saint-Paul-de-Vence, Frankreich
Tel. : +33 (0) 4 93 32 81 63
Öffnungszeiten
Oktober bis Juni: 10 – 18 Uhr
Juli bis September: 10 – 19 Uhr

 

 

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