rheinische ART
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rheinische ART 05/2013

ARCHIV 2013
Hundertwasser, Japan und die Avantgarde

 

Weisheiten des Fernen Ostens

 

 

Friedensreich Hundertwasser, Der große Weg, 1955, Kunstharz auf Leinwand, 158 x 158 cm © 2012 Namida AG, Glarus / Schweiz Foto: Belvedere, Wien

 

Einer der international populärsten Vertreter der Nachkriegsmoderne, der Österreicher Friedensreich Hundertwasser, wurde in seinen Frühwerken maßgeblich von japanischer Kunst und fernöstlicher Philosophie beeinflusst. Eine Ausstellung in Wien beleuchtet diesen höchst interessanten Aspekt des eigenwilligen Künstlers. Hundertwasser einmal nicht als Vorreiter der Öko-Architektur, nicht als Gestalter grellbunter Hausfassaden und kinderfreundlich-märchenhafter Phantasiebauten. Eine Überraschung!

 

DIE ERSTE große Japan-Mode traf die Bildende Kunst in Europa im 19. Jahrhundert und beflügelte als „Japonismus“ unter anderem den Jugendstil, aber auch die beginnende Moderne, etwa mit Vincent van Gogh und James McNeill Whistler. Die zweite wirkte auf die Architektur zu Beginn der 1930er Jahre ein, die in der historischen Baukunst Japans große Parallelen zu ihrer eigenen neuen Bauwelt sah, vertreten vor allem durch Walter Gropius und Bruno Taut. Die dritte schließlich schwappte mit der „Japanischen Avantgarde“ zwischen 1949 und 1961 auf den alten Kontinent. Viele Kreative in Europa und Nordamerika sahen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs den Fernen Osten, insbesondere Japan mit seiner shintoistischen und buddhistischen Gedankenwelt, als Kernraum einer neuen Kunstauffassung. Treffpunkt der von Japan begeisterten Maler und Bildhauer war Paris, wo sich westliche und fernöstliche Künstler in Diskussionen über Action-Painting, Informel oder Fluxus austauschten.

 

Faszination Nippon

Friedensreich Hundertwasser mit dem Bild Die erste Japan Spirale, 1961 Foto: Keisuke Kojima

 

Akira Kito, Milliardaire, Öl auf Leinwand
Collection Liliane Vincy, Paris, Foto: © Gwen Lebras

Zu ihnen gehörte auch ein Ex-Montessori-Schüler mit dem Künstlernamen Hundertwasser, bürgerlich Friedrich Stowasser (1928-2000), der später - rätselhaft oder skurril - zeitweise auch als Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser auftrat. Der talentierte und kreative Kunststudent hatte seinen aus dem Slawischen stammenden Namensteil „Sto“ (= hundert) schlichtweg übersetzt und signierte nunmehr als Hundertwasser seine ersten Arbeiten an der Wiener Kunstakademie. Diese verließ er allerdings nach kurzer Zeit ohne Abschluss. Es war die traditionelle japanische Kunst, auf die er in einer Mailänder Schau aufmerksam geworden war, und die ihn fesselte - zunächst in Form der „Bilder der fließenden Welt“, der berühmten Holzschnitte aus den Werkstätten der japanischen Meisterholzschneider Ando Hiroshige und Katsushika Hokusai (mehr).

   Mitte der 1950er Jahre hatte Hundertwasser sein repetitives künstlerisches Hauptthema, die unverkennbaren, labyrinthischen „Spiralen“, Kreise und Kringel gefunden. Für seine Kompositionen wurde er in japanischen Kunstmagazinen gefeiert und seine Werke erzielten schon damals auf dem Kunstmarkt bemerkenswerte Preise. In seinem Künstlerumfeld in Paris gab es mehrere japanische Kreative wie etwa die befreundete Avantgardistin Akira Kito (1925-1994), die ihn stilistisch beeinflussten. Sein eigentlicher künstlerischer Durchbruch, so stellen die Wiener Ausstellungsmacher fest, ist eng verknüpft mit seinem frühen Fernost-Faible und einem mehrmonatigen Japan-Aufenthalt 1961.

 

Friedrich und Friedensreich

Drei biografisch markante Details des Malers, Zeichners und Grafikers stammen aus dieser Zeit und lassen auf sein hohes Interesse speziell an japanischer Kunst und Kultur schließen. So übersetzte er seinen Vornamen Friedrich in die japanischen Schriftzeichen für „Friede“ und „reich“ und nannte sich fortan Friedensreich. 1961 wurde er in Tokio bei der 6. Internationalen Kunstausstellung mit dem Mainichi-Preis ausgezeichnet und stellte erfolgreich Werke in der Tokyo Gallery aus. Nach zwei Ehejahren von seiner ersten Frau geschieden, heiratete er 1962 in Japan seine japanische Lebensgefährtin Yuko Ikewada; allerdings hielt auch diese Verbindung nur vier Jahre.

 

Neue Sichtweisen

Ando Hiroshige, Provinz Mimasaka: Das Tal der Yamabushi, Aus der Serie: Berühmte Orte der rund 60 Provinzen, um 1853, Farbholzschnitt, 34,4 23,8 cm, Foto: © Georg Mayer / MAK- Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst, Wien

 

Im Gegensatz zu der erfolgreichen Hundertwasser-Retrospektive der Bremer Kunsthalle, die jüngst zu Ende ging, liegt der Fokus in der Wiener Schau auf der Frühphase des Künstler und ermöglicht es, viel Unbekanntes zu entdecken – zwar keinen völlig neuen Hundertwasser, jedoch einen gänzlich anderen: Abgekoppelt von den gängigen Klischees des rein kommerziellen Spiralenmalers, Aufhübschers, ökologisch-inspirierten Baumeisters schräger Fenster und märchenbunter, kurvenreicher Fassaden. Die Ausstellung „Hundertwasser, Japan und die Avantgarde“ präsentiert 40 ausgewählte Arbeiten von ihm, zumeist aus Privatbesitz und in einigen Fällen noch nicht öffentlich gezeigt. Ihnen werden Werke avantgardistischer Wegbegleiter gegenüber gestellt, die ebenfalls in der fernöstlichen Denkweise Inspirationen suchten und fanden. Vertreten sind u.a. Yves Klein, John Cage, Piero Manzoni, Lucio Fontana, Jean Dubuffet, die Informel-Gruppe CoBrA oder die japanischen Modernen Tetsumi Kudo, Akira Kito und Yayoi Kusama.
   Diese Kombination rückt das Schaffen des Österreichers in einen internationalen Kontext und führt zu neuen kunsthistorischen Sichtweisen. Die Frühwerke zeigen, dass Hundertwasser mit seiner prozessualen Malweise, seinen experimentellen Kompositionen und Malaktionen schon Ende der 1950er Jahre eine künstlerische Reife erlangte, die sich voll auf der Höhe der internationalen zeitgenössischen Kunst befand. Er stellte neben Tokio ferner in Paris, Mailand und Stockholm aus und 1962 auf der Biennale in Venedig. 1964 war Friedensreich Hundertwasser auf der documenta III in Kassel vertreten.
    Erst in den Folgejahren wandelte sich der Wiener zu dem, was ihn eher weltweit berühmt machte und bis heute die Ausstellungsräume regelmäßig gut füllt: zu einem Architekten, der natur- und menschengerechtes Bauen propagierte, der die gerade Linie als natürlichen Feind ansah und rationale und sterile Architektur radikal ablehnte; zu einem Maler, der seine Arbeit als „vegetativ“ charakterisierte und der Farben einzigartig leuchtend und intensiv einzusetzen vermochte.

 

 

Das Hundertwasserhaus im Essener Grugapark

Im Rheinland ist Gestalterisches von ihm eher selten. Die Kindertagestätte Düsseler Tor in Wülfrath (2001) mit ihren goldenen Hundertwasser-Kuppeln ermöglicht Kindern das „Spielen in einem Kunstwerk“. Im Essener Grugapark wurde 2005 sein letztes Großprojekt eingeweiht, das Hundertwasserhaus. Dieses fantasievoll bunte, heitere und weich geformte Gebäude der McDonald´s Kinderhilfe Stiftung dient als „Zuhause auf Zeit“ für Familien schwer erkrankter Kinder, die im benachbarten Uni-Klinikum Essen behandelt werden. Der Gebäudekomplex strahlt eine fast märchenhafte, sinnenfrohe Atmosphäre aus und harmoniert ideal mit der umgebenden Natur. Im niederrheinischen Neukirchen-Vluyn ist der Künstler Namensgeber für die dortige Grundschule, die schwerpunktmäßig auf die Montessori-Pädagogik ausgerichtet ist. Schulleiterin Tania Große-Pustar zur Namenswahl: „Uns gefällt der kreative Ansatz und das ökologische Denken Hundertwassers. Seine Kunst spricht Grundschulkinder besonders an.“
Claus P. Woitschützke

 

Die Ausstellung Hundertwasser, Japan und die Avantgarde kann bis zum 30. Juni 2013 besucht werden.
Unteres Belvedere, Orangerie
Rennweg 6a
A - 1030 Wien
Tel. 0043 (01) 79 557 0

Öffnungszeiten
Täglich 10 - 18 Uhr
MI 10 - 21 Uhr

 

 

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