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rheinische ART 04/2014

Archiv 2014

ZUMTHORS BRUDER-KLAUS-KAPELLE
Monolith auf grünem Gras

 

(aktuell hier)

 

Hell, sandfarbig, strengförmig und mächtig thront das Bauwerk auf einer leichten Anhöhe nahe Wachendorf in der Nordeifel. Der Blick von Weitem macht einen unsicher. Ist es ein historisches Kastell, ein alter Bergfried, ein Getreidesilo oder schlicht ein Gucker in die Landschaft? Von all dem nichts. Es ist das wohl ungewöhnlichste sakrale Gebäude weit und breit. Eine Feldkapelle, dem Schweizer Nationalheiligen Niklaus von Flüe - genannt Bruder Klaus – gewidmet, privat gestiftet und erbaut.

 

Am Pilgerweg Köln-Trier und weithin sichtbar steht die Feldkapelle im Mechernicher Ortsteil Wachendorf. Eine Architekturattraktion in der Eifel, ein Anziehungspunkt für Wallfahrer, Wanderer und Freunde moderner Baukunst. Foto © rheinische ART. 2014

 

Dieser Ort der Stille, Besinnung, Meditation und des Gebets ist ein Meisterwerk des Stararchitekten Peter Zumthor (* 1943). In Form- und Farbgebung wirkt der 12 Meter hohe minimalistische Turmbau fast wie ein übergroßer gelblich-weißer - auch mal rötlich - schimmernder Fels, der anziehend und erhaben seit jeher in der idyllischen Eifellandschaft steht.

 

Farben der Natur. Der monumentale Baukörper aus hellem Zement, Flusskies und gelbrötlichem Eifel-Sand wirkt durch die Materialverwandtschaft harmonisch in die Umgebung eingebunden. Nur von Ferne wirkt der Turm monolithisch glatt. Foto © rheinische ART. 2014

 

Die innere Schalungsstruktur wird bestimmt durch die Negativrundungen der Baumstämme. Die eingefügten Glaspfropfen nehmen das Außenlicht auf, brechen es und wirken wie Leuchtpunkte. Foto © rheinische ART. 2014

 

Blick in den Himmel: der sich nach oben verjüngende trichterförmige Raum hat an der Spitze eine Öffnung. Foto © rheinische ART. 2014

 

Als 2007 dieses archaische und gleichzeitig so moderne Gotteshaus eingeweiht wurde, überschlugen sich Feuilletonisten und Baufachleute mit Superlativen zu dem imposanten Stampfbetonklotz und seinem Erbauer. Die New York Times nannte Peter Zumthor einen „Mystiker des Architektur“, für den Spiegel war der preisgekrönte Schweizer Baumeister so klar und gleichzeitig rätselhaft wie seine Architektur. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) sah in dem scharfkantigen fünfeckigen Monolithen eine Symbiose aus Trutzburg und Höhle - gleichsam eine moderne Einsiedelei im Sinne des Namensgebers.

     In diesem Jahr geht das Sakralgebäude mit dem spektakulären Inneren ins siebte Jahr seiner Existenz, und ein Nachlassen des Interesses an ihm mit seiner fast unglaublichen Entstehungsgeschichte ist nicht zu beobachten. Ganz im Gegenteil: Die Wachendorfer Kapelle ist mittlerweile ein internationales Architektur-Schaustück.

 

Entstehung Als der gebürtige Baseler Peter Zumthor an seinem Projekt Kolumba, dem grandiosen Diözesanmuseum in Köln, arbeitete (mehr), schrieb ihm das Landwirte-Ehepaar Hermann-Josef und Trudel Scheidtweiler aus Wachendorf, einem 500-Seelen-Weiler der Gemeinde Mechernich, einen Brief. Sie beabsichtigen, so die Stifter in spe, aus „Dankbarkeit für ein gutes Leben“ auf eigenem Boden eine Kapelle zu errichten. Die Eifelbauern baten freundlichst um einen Entwurf („ein Plänchen“) und betonten, das Bauwerk Bruder Klaus (1417-1487) widmen zu wollen, also dem Einsiedler Niklaus von Flüe, der 1947 heilig gesprochen worden war.

     Der sei nämlich nicht nur Schutzpatron der Eidgenossen, sondern auch der Katholischen Landjugendbewegung, und die sei den Scheidtweilers ihr Leben lang wichtig gewesen. Die handschriftliche Bitte wurde ebenso beantwortet. Der Architekt bekundete höflich, das der Eremit aus den Schweizer Bergen ein Lieblingsheiliger seiner Mutter gewesen sei und ihm daher wohl vertraut. Die Antwort war zwar im Grunde ablehnend, das Argument ein monetäres („Sie können mich nicht bezahlen.“) doch signalisierte sie auch verhaltenes Interesse. Nach mehreren Besuchen und Gesprächen vor Ort gab es dann ein Arrangement: Der international renommierte Baumeister bekam architektonisch freie Hand, beließ es dafür beim Kostenersatz und verzichtete auf ein Honorar.

 

Moderne Formensprache kombiniert mit alter Bautechnik: Statt Beton brut eine Außenwand aus traditionellem Stampfbeton in erdiger Färbung, eine Tür aus Chromstahl und ein schlichtes, kleines Eisenkreuz über der Türspitze. Die Wände beziehen ihre besondere Ästhetik aus der Ablesbarkeit der Bauschichten. Foto © rheinische ART. 2014

 

Reduktion à la Zumthor auch im grottenartigen Inneren: nur eine Bank, Kerzen, und eine Stele mit dem Bronzekopf des Eremiten Bruder Klaus vom Schweizer Bildhauer Hans Josephson. Foto © rheinische ART. 2014

 

Material und Bautechnik Zumthor sah für die Kapelle, entgegen den Vorstellungen seiner Auftraggeber, eine zeitgenössische Architektur vor. Und die war so genial wie mutig. Die Pläne zeugten von der Ehrfurcht des Baumeisters vor Material und seinem sensiblen Umgang mit der Charakteristik der Örtlichkeit. Denn alles sollte in traditioneller Bautechnik mit Rohstoffen der Umgebung geschaffen werden. Konkret bedeutete dies: zwei unterschiedliche Schalungsmethoden für den Aufbau sowie Kies und Sand aus der Region für den aufwändigen Stampfbeton, einem alten und bewährten Baumaterial. Aufgetragen und gestampft - also verdichtet – wurde der grobe Baubeton in kräftezehrender Gemeinschaftsarbeit, an der neben dem Bauherrn der Architekt und zahlreiche freiwillige Helfer mitwirkten.

     Innen wurde eine zeltförmige vertikale Schalung aus 112 angelehnten Fichtenstämmen mit einer Öffnung oben errichtet. In die Außenverschalung schichteten die Helfer über Wochen täglich jeweils rund 50 cm Stampfbeton. Die innere Schalung aus Baumstämmen, fest verbunden mit der Stampfbetonwand, wurde schließlich durch ein zweiwöchiges Köhlerfeuer heraus gebrannt ohne den Beton zu schädigen. Das Resultat war jene charakteristisch russig-schwarze und glänzende Struktur im höhlenartigen Inneren. In die Öffnungen der Bau-Stege zwischen Innen- und Außenschalung wurden 300 Halbglas-Steine eingelassen, die als Lichtpunkte den fensterlosen Raum strukturieren und eine zauberhafte Atmosphäre schaffen.

 

Gebet und Askese Der Zugang zum Andachtsraum führt durch eine dreieckige Stahltür und einen leicht gewundenen Gang. Der fast düstere, tropfenförmige Raum mit dem geschwärzten Betongerippe ist spärlich ausgestattet: 1,04 m Sitzfläche, ein Kerzenständer, eine Niklaus-Figur und über Kopfhöhe wandseitig ein Messingguss-Rad mit sechs Speichen, ein Meditationszeichen, das Symbol des Bruder Klaus. So, das mag der Besucher denken, sahen vor Jahrhunderten die Einsiedelein aus, die Orte des Gebets, der Geborgenheit und der Askese. Der Blick geht unwillkürlich nach oben den „Lichtschacht“ zur Öffnung entlang, durch die das Sonnenlicht fällt, genauso wie Regenwasser oder Schnee. Die Niederschläge sammeln sich auf dem bleiernen Boden in einer der Dachöffnungsform ähnelnden Wasserlache. Der Zinnbleiboden der Kapelle ist eine Reminiszenz an den Bleibergbau, der jahrhundertelang das Wirtschaftsleben in diesem Landstrich bestimmte.

 

Ausweis baukünstlerischer Meisterschaft: die schwere wie ruhige Ausstrahlung der Wachendorfer Feldkapelle der Familie Scheidtweiler. Gebaut "zum Lobe Gottes und der Erde, eingesegnet im Mai 2007, gewidmet dem heiligen Bruder Klaus, 1417-1487, Friedensstifter, Mystiker und Einsiedler in den Schweizer Bergen" (Stifterplakette am Bauwerk). Foto © rheinische ART. 2014

  

Vita Der Architekt Peter Zumthor ist gelernter Möbelschreiner. Für sein Lebenswerk erhielt er 2009 den Pritzker-Preis, den „Nobelpreis“ der Architekten. Der Schweizer hat den Ruf, ein Schrecken der Bauherren zu sein. Er wird als schwieriger und unerbittlicher Perfektionist beschrieben, versessen im Detail und stur. Er pflegt eine eher langsame Arbeitsweise, was im Ergebnis leicht zu deutlichen Mehrkosten führen kann. Dass mangelnde Budgettreue Konsequenzen haben kann, musste Zumthor bei seinem Rohbau des NS-Dokumentationszentrums "Topografie des Terrors" in Berlin erfahren. Das prestigeträchtige Projekt war finanziell und zeitlich weit überzogen, der Berliner Senat löste daraufhin 1995 den Kontrakt mit dem Baumeister. Zumthor sah im Rückblick kein eigenes Verschulden, eher eine gewisse Art von fataler Gutgläubigkeit, wie er in einem Interview betonte. Zumthors Gesamtwerk ist vergleichsweise überschaubar. Für seine Werke gab es viel Anerkennung und internationale Ehrungen. Er baute unter anderem neben der Bruder-Klaus-Kapelle eine weitere in der Südostschweiz, das Bregenzer Kunsthaus, das Kolumba-Museum in Köln, einen Pavillon für die Weltausstellung in Hannover, einige Wohnhäuser und Nutzbauten. Weltberühmt ist seine denkmalgeschützte Felsentherme mit Schwimmbad im Graubündener Bergdorf Vals.

 

 2013 wurde Peter Zumthor vom Royal Institute of British Architects (RIBA) mit der Royal Gold Medal ausgezeichnet. Sie unterstreicht Zumthors unzweifelhaften Status eines Welt-Architekten, denn er steht damit in einer langen Reihe klangvoller Namen von Baumeistern: Seit 1948 ehrte das RIBA unter anderem David Chipperfield, I.M.Pei (mehr), Alvaro Siza (mehr), Jean Nouvel, Rem Koolhaas, Toyo Ito, Ludwig Mies van der Rohe (mehr), Le Corbusier, Walter Gropius und Frank Lloyd Wright.

Claus P. Woitschützke

 

Standort des Besucherparkplatzes:
Iversheimer Straße
53894 Mechernich-Wachendorf

Öffnungszeiten
Während der Sommerzeit: 10 - 17 Uhr

Während der Winterzeit: 10 - 16 Uhr
Montags bleibt die Kapelle geschlossen - außer an kirchlichen Feiertagen

 

 

 

 

 

 

 

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