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rheinische ART 06/2017

Archiv 2017

COMICS! MANGAS! GRAPHIC NOVELS!
Blasenfutter

 

…für Analphabeten? Weit gefehlt! Das Image des Comics als Bildmassenmedium ist längst ein anderes. Die Bonner Bundeskunsthalle widmet dem „grafischen Erzählen“ mit Bild und Sprechblase die bisher umfangreichste Schau zur Geschichte dieser Kunstgattung in Deutschland.

 

Winsor McCay (1871–1934) Little Nemo in Slumberland. Sonntagsseite The New York Herald, 8. September 1907, Detail CC0 Public Domain. Winsor McCays Traum-Comics für die führenden amerikanischen Zeitungshäuser machten ihn ab 1905 zum ersten Surrealisten des 20. Jahrhunderts. Jugendstil-Opulenz trifft auf avantgardistische Deformation und Selbstreferenzialität, die das Zeichnen selbst zum Gegenstand macht. Foto © Bundeskunsthalle

 

Der moderne Comic ist eine amerikanische Erfindung. Kunsthallen-Intendant Rein Wolfs: „Mit dem Comic entstand die erste mediale Jugendkultur, die längst erwachsen geworden ist: Der Comic meistert heute alle denkbaren Sujets – in den besten Fällen mit großem künstlerischen und literarischen Anspruch, und selten ganz ohne Humor.“

 

Lyonel Feininger (1871–1956) Wee Willie Winkie's World Sonntagsseite The Chicago Tribune 26. August 1906 © VG Bild-Kunst, Bonn

 

Basil Wolverton (1909-1978) Mad Cover # 11, 1954 © DC Comics. Basil Wolvertons berühmtes Cover hat Generatonen von Zeichnern von Art Spiegelman bis Robert Crumb geprägt.

 

Die Comic-Wurzeln reichen aber ohne Zweifel tiefer. Vorläufer waren die Karikaturen des 19. Jahrhunderts in Europa, die zum Beispiel mit Namen wie Honoré Daumier (mehr) und anderen verbunden sind.

     Aus ihnen entwickelten sich Bildergeschichten, die, noch weit vor dem Aufkommen des Kinos, Text und Zeichnung unmittelbar verknüpften und damit eine Art filmischen Ablauf von Bildern erzeugten. Wilhelm Busch ist einer der bekanntesten Vertreter dieser frühen Comic-Richtung.


Um die Jahrhundertwende begannen amerikanische Tageszeitungen, die Comic-Zeichnungen zu nutzen. Mancher bekannte Name bediente sich des neuen Mediums. So wäre Lyonel Feininger (mehr) womöglich nie der moderne Maler und Bauhaus-Professor geworden, hätte er nicht 1906 einen Comic-Auftrag der Chicago Tribune angenommen, heißt es in der Bundeskunsthalle. 

     Aber erst in den Zwanzigern übernahmen US-Zeichner die Sprechblasen-Technik in großem Stil. Und nach dem Zweiten Weltkrieg schwappte sie auch nach Europa.

     Als drittes weltweites Zentrum setzte sich der Comic fast gleichzeitig in Japan durch. Im Westen wurden die fernöstlichen Mangas allerdings lange nicht wahrgenommen, nicht zuletzt, weil sie von „hinten“ nach „vorn“ und von rechts nach links gelesen werden mussten. Auch das hat sich längst geändert.

 

Keiji Nakazawa (1939–2012) Barfuß durch Hiroshima, Seiten 29 und 30, 1980 © Keiji Nagazawa, Courtesy of Hiroshima Peace Memorial Museum. Keiji Nakazawa verarbeitete in dem zehnbändigen Manga Barfuß durch Hiroshima mit autobiografischen Elementen den Atombombenabwurf 1945. 1982 erschien der erste Band in einer deutschen Ausgabe - der erste Manga auf Deutsch. Bisher wurden vier Bände übersetzt. Die Abbildung stammt aus dem fünften Band und war bisher in Deutschland noch nie zu sehen. Foto © Bundeskunsthalle


In sechs Abteilungen mit 300 Exponaten zeichnet die Bonner Ausstellung die Entwicklung des Comics nach. In seinen Anfängen diente er zunächst ausschließlich als komische Unterhaltung in den farbigen Sonntagsbeilagen der New Yorker Tagespresse. Die ersten Comic-Serien griffen gerne auf Randfiguren der Gesellschaft zurück, parodierten das Leben junger Familien, die Verhältnisse in Mietshäusern - was im Übrigen bis heute ein Thema geblieben ist (mehr) - oder den berühmten „American Dream“. Bald erschienen die täglichen „strips“ auch landesweit.

 

Robert Crumb (*1943) Motor City Comics Comic-Heft 1969 © Robert Crumb und Rip Off Press 

 

Mawil (*1976) Kinderland, Seite 44, 2016 © Mawil / Reprodukt

 

Anfangs eine hochgeschätzte Kunst, die unvergessene Klassiker hervorbrachte wie Little Nemo oder Krazy Kat und später auch Abenteuerserien wie Flash Gordon und Prinz Eisenherz, wurde der Comic mit dem Aufkommen der Hefte und der Superhelden (Superman, ab 1938) allerdings auch zum „trivialen“ Massenprodukt für Kids und unterlag schließlich mit dem 1954 in den USA in Kraft getretenen „Comics Code“ als Gattung per se den strikten Einschränkungen durch den Jugendschutz. Diese auferlegte Selbstzensur wurde erst 2011 eingestellt.

 

Die Befreiung vom Image des „Blasenfutters für Analphabeten“ ist mit zwei Namen verbunden. 1968 brachte der Illustrator und Künstler Robert Crumb sein Underground-Heft Zap Comix heraus, dessen Zeichnungen zu ikonischen Bildern der Hippie-Ära avancierten. Rund zehn Jahre später schrieb der berühmte Will Eisner (1917-2005) mit dem Comic Ein Vertrag mit Gott US-Comicgeschichte. Er war es, der für diese amerikanisch-jüdischen Milieustudien von Subalternen erstmals den Begriff Graphic Novel für „illustrierter Roman“ nutzte.

 

Heute präsentiert sich der Comic, inzwischen zur „neunten Kunst“ erklärt, wieder als eine erstaunlich vitale und kreative Ausdrucksform, so die Bonner Kuratoren, deren Formenreichtum und Vielgestaltigkeit die Ausstellung mit ausgewählten Meisterwerken von Künstlern wie Crumb, Eisner, Mœbius, Jacques Tardi, Enki Bilal, Lorenzo Mattotti oder Chris Ware dokumentiert.

     Je eine eigene Abteilung widmet sich speziell der Historie des Comics in Europa mit herausragenden Originalseiten von Tim und Struppi bis Asterix sowie dem Manga, der in den 1990er-Jahren auch außerhalb Japans seinen Weg zu einer neuen, inzwischen weltweit verbreiteten Jugendkultur antrat.
rART/cpw

 

Die Ausstellung „COMICS! MANGAS! GRAPHIC NOVELS!“ wird bis zum 10. September 2017 gezeigt.
Kunst- und Ausstellungshalle
der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Museumsmeile Bonn
Friedrich-Ebert-Allee 4
53113 Bonn
Tel. 0228 / 9171–200
Öffnungszeiten
DI, MI 10 - 21 Uhr
DO - SO 10 - 19 Uhr

 

 

 

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