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rheinische ART 05/2017

Archiv 2017

GRAND DÉPART IN DÜSSELDORF

LE TOUR, QUEL BONHEUR!

 

Erstmals seit 52 Jahren startet die Tour de France wieder im Rheinland. Das NRW Forum in Düsseldorf präsentiert zum „Grand Départ“ 2017 in der Landeshauptstadt eine internationale Fotoausstellung und geht der Frage nach: Wie wurde die Tour zum Mythos?

  

KRAFTWERK Copyright: Peter Boettcher Courtesy Sprüth Magers

 

Das größte Radspektakel der Welt steckt voller Geschichten, Legenden und Ikonen und lockte schon immer die weltbesten Fotografen an. Die Gruppenausstellung „Mythos Tour de France“ zeigt 120 Arbeiten von 20 Fotografen aus mehr als 80 Jahren Tour-Historie. Darunter Werke des als Kriegsfotograf berühmt gewordenen Robert Capa (mehr) aus den Vierzigern bis zu Zeitgenössischem des Fotokünstlers Andreas Gursky.

 

Begeisterung Düsseldorfs Kulturdezernent Hans-Georg Lohe über die Präsentation: „Wer bisher nicht vom Tour-Fieber erfasst ist, wird es nach dem Rundgang durch die Ausstellung sein.“ Da hat er Recht. Denn die Schau beleuchtet mit faszinierenden Bildern die Geschichte des weltberühmten Straßenrennens, zeigt Ruhm- und Schattenseiten, rückt Ästhetik und Emotionalität ins Blickfeld und macht deutlich, wie Sport- und Bildereignisse einander bedingen.

 

Ausstellungsansicht der Schau "Mythos Tour de France" im NRW Forum Düsseldorf. Die Motive stammen aus Timm Köllns Serie "Legs from the Peloton" Foto © rheinische ART 2017

 

Dabei verknüpft sie unterschiedliche narrative Fäden, künstlerische Perspektiven und „... zeigt die Fahrer, die Pisten, die Landschaften, die Fans, die großen Ereignisse und die kleinen Geschichten abseits des offiziellen Geschehens“, wie das Haus betont.

 

John Vink Preparing the snacks and the body before departure, Neufchâtel en Bray, France, July 3rd 1985 © John Vink/Magnum Photos

 

Bilderbogen Es ist ein überaus spannender Bilderbogen aus der Sportwelt, der sich hier aufblättert. Das wundert nicht angesichts der großen Namen, die sich dem Mythos „Tour“ nicht entziehen konnten oder wollten. Zu diesen Fotoreportern, die sich mit dem Tross der Fahrer den Mont Ventoux und den Col d´Izoard hochquälten oder in der sengenden Sonne der Picardie ausharrten, zählen auch Mitglieder der Foto-Agentur Magnum. Heute sind die spektakulären Tour-Bilder von Harry Gruyaert, Richard Kalvar, Guy Le Querrec und John Vink einzigartige Bilddokumente des populären Radsportereignisses.

 

Timm Kölln Cadel Evans, aus der Serie „The Peloton (2005-2010)“ © Timm Kölln

 

Ausgestellt ist im NRW Forum auch eine Fotoserie des Berliners Timm Kölln. Seine Fahrerportraits zeigen Tour-Pedaleure unmittelbar nach der Zielankunft. Die Bilder reflektieren die extremen körperlichen Belastungen und Herausforderungen der Akteure. Ihre Gesichter spiegeln die Tortur der Tour und schwanken zwischen Tunnelblick, totaler Erschöpfung und seligem Stoizismus.

     Der Düsseldorfer Künstler Philipp Hympendahl begleitete zwei Frankreich-Rundfahrten mit einer 6 x 17-Panorama-Rollfilm-Kamera und fertigte „entschleunigte Bilder“, die Geschichten am Rand der Tour erzählen. Für den französischen Fotografen Laurent Cipriani waren die wartenden Zuschauer „Along the Road“ das eigentliche Ereignis; er hielt sie in „Momente der Erwartung“ fest.

 

Laurent Cipriani Along The Road, 2013 © Laurent Cipriani

 

Das dreiwöchige Etappenrennen war von Anfang an nie arm an Skandalen – auch daran muss erinnert werden. Der Künstler Martin Höfer widmet sich in der Schau dem Sport- wie Legendenkiller Doping und zeigt eine Installation aus Fotografie und Blutkonserve. Stille und dynamische Momente des Straßenrennens hielt Nicola Mesken fest. Seit zwölf Jahren fotografiert sie für ihr Langzeitprojekt „Allez le Tour“ die Tourstars, ihre Domestiken im Peloton und Fans am Streckenrand.

 

Nicola Mesken 2016, aus der Serie Mont Blanc Saint Gervais © Nicola Mesken Photography/ www.allezletour.com

 

In Düsseldorf ist es nach Köln der zweite Tour-Start im Rheinland und der vierte in Deutschland in der Geschichte dieser längsten, schwersten und teuersten Radrundfahrt der Welt. Die Landeshauptstadt ist nun Gastgeber für zwei Etappen und punktet gleich noch mit einem Novum. Denn noch nie auf der Tour de France führte eine Etappe aus der Startstadt hinaus und wieder in diese zurück.

 

Rheinischer Rückblick  Aber wie war das eigentlich vor gut einem halben Jahrhundert? Der 22. Juni 1965 war ein Tag, an dem nicht nur kölnische, sondern deutsche Radsportgeschichte geschrieben wurde. Denn das französische Nationalheiligtum Tour de France war so europäisch geworden, dass es das erste Mal überhaupt in einer bundesdeutschen Stadt startete: in Köln, von der Domplatte.

     Es gab Böllerschüsse und schulfrei für die Kinder, Josef Kardinal Frings, gebürtiger Neusser und Erzbischof von Köln, gab den 130 Rennfahrern seinen Segen. In Bonn regierte Ludwig Erhard als Kanzler, in Paris war Charles de Gaulle Präsident der Republik, in der „Le Tour“ im Jahre 1903 erfunden worden war.

     Die deutsch-französische Freundschaft hatte - vor allem durch den Élysée-Vertrag von 1963 - einen Höhepunkt erreicht und manifestierte sich irgendwie auch im Tour-Start am Rhein. Köln sperrte Straßen und bürgte in Deutschen Mark, Sponsoren förderten, was sie konnten, was damals so arbeitsreich und schwierig war wie heute auf Euro-Basis. Die Stadt Köln stand ob dieses Sport-Highlights also Kopf. Der ewige rheinische Rivale Düsseldorf nahm es sportlich gelassen, wie immer, wenn es um gepflegten Schlagabtausch zwischen den beiden Metropolen ging (mehr).

 

Harry Gruyaert Into the valley before the big Alpine mountains, France, 1982 © Harry Gruyaert/Magnum Photos

 

Die deutschen Helden von damals waren der Kölner Rolf Wolfshohl (Tourspitzname „Le Loup“), der zuvor noch die Spanienrundfahrt gewonnen hatte, und „Bergfloh“ Karl-Heinz Kunde, ebenfalls aus der Domstadt. Auch der tourerfahrene niederrheinische Radprofi Hennes Junkermann aus St. Tönis ging an den Start und hoffte, das Ziel zu erreichen. Drei Jahre vorher hatte er die Rundfahrt nach einer vermuteten Fischvergiftung aufgeben müssen. Sein Resümee in rheinischem Idiom: „Hätt ich misch doch dä Fich nit gejesse.“

     Pech hatte auch Radstar Rudi Altig, der 1962 als erster Deutscher auf der Tour das Grüne Trikot erkämpft hatte. Wegen eines Beinbruchs musste er auf den Start in Köln verzichten. Lange ist´s her! Aber eines war auch schon damals klar: Diese deutschen Spitzenfahrer waren es, die aufgrund ihrer Tour-Erfolge der Vorjahre einen maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des damals sensationellen Auftakts des Radklassikers auf rheinischem Boden hatten.

 

Richard Kalvar Tour De France, Paris, France, 1978 Foto © Richard Kalvar/Magnum Photos

 

Ein Zeugnis davon, wie der Mythos sich aller Sparten bedient und auch in die Popkultur Eingang erhalten hat, ist das 2003 erschienene Album Tour de France der Düsseldorfer Band Kraftwerk (mehr), selbst schon ein Mythos und bekannt dafür, ihre Auftritte mit großen 3D-Video-Installationen zu begleiten. Als multimediale Rauminstallation sind die großformatigen Animationen und das Album Tour de France Teil der Ausstellung.
Claus P. Woitschützke

 

► Ebenfalls Teil der Ausstellung ist auch das Werk des Düsseldorfer Künstlers Kai Schäfer. Für seine Serie "worldrecords“ setzte er das letzte Studioalbum der Kultband Kraftwerk, die Platte "Tour de France", in Szene. Das Besondere: Die Arbeit wurde von Kraftwerk-Frontmann Ralf Hütter signiert und wird für einen guten Zweck versteigert.


Die Ausstellung "Mythos Tour de France" wird bis zum 30. Juli 2017 gezeigt.
NRW-Forum Düsseldorf
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf
Tel. 0211 / 89 266 90
Öffnungszeiten
MO - SO 11 - 18 Uhr
FR, SA 11 - 20 Uhr

 

Ausstellungsplakat NRW Forum Düsseldorf „Mythos Tour de France“/ Gestaltung: Happy Little Accidents. Motiv Stephan Vanfleteren Eddy Merckx © Stephan Vanfleteren

► An den Start gehen in Düsseldorf 22 Teams mit 198 Fahrern. Es ist die 104. Austragung des Rennens. Am 1. Juli (Samstag) findet als erste Etappe das 13 Kilometer lange Einzelzeitfahren statt. Es führt von der Messe entlang des Rheins und am Ehrenhof vorbei durch die Innenstadt. Am 2. Juli (Sonntag) startet das Peloton in Düsseldorf zur 202 Kilometer langen zweiten Etappe. Von der Landeshauptstadt geht es zum Neandertal, dann über Mettmann und Ratingen wieder zurück nach Düsseldorf - dies ist das Novum - und weiter über Neuss und Mönchengladbach zum Etappenziel Lüttich.

 

 

 

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