rheinische ART
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rheinische ART 02/2017

Archiv 2017

ARNO BREKER
Schönheitsprophet und Polit-Profiteur


Für die einen ist es ein Skandal, wenn sein Name auch nur entfernt mit Kunstausstellungen in Verbindung steht, für andere sind öffentliche Schauen über sein Schaffen überfällig. Hitlers „Lieblingsbildhauer“ Arno Breker ist auch mehr als 25 Jahre nach seinem Tod ein Geächteter im Kunstbetrieb.

 

Arno Breker Aurora-Skulptur, 1926, Muschelkalk. Die Monumentalfigur auf dem Dach des nördlichen Durchgangs zum Düsseldorfer Museum Kunstpalast schuf der Künstler für die „Große Ausstellung für Gesundheit, soziale Fürsorge und Leibesübungen Düsseldorf“ (Gesolei). Mit über sieben Millionen Besuchern war es die größte Ausstellung in der Weimarer Republik. Foto © rART 2017

 

Im Sommer 2015 wurde Brekers Skulptur Aurora nach einer Restaurierung wieder auf dem Dach des Düsseldorfer Museum Kunstpalast aufgestellt. Dort hat die „Göttin der Morgenröte“ ununterbrochen und unbeschadet seit 90 Jahren ihren angestammten Platz.

     Anfang 2016 wurde an den 25. Todestag des Bildhauers erinnert und im selben Jahr tauchte verdeckt Kunst von ihm in einem öffentlichen Museum auf: auf der Ausstellung zum 40-jährigen Jubiläum des Museum Ludwig in Köln (mehr). Der aufmerksame Besucher konnte in einer Video-Installation zwei Bronzebüsten der Kunstmäzene Irene und Peter Ludwig entdecken. Breker hatte sie 1986 auf Wunsch des Ehepaares gefertigt. In Nörvenich bei Köln schließlich befindet sich das einzige Breker-Museum Deutschlands und seit 2011 ist eine sehr kritische Breker-Biografie des Autors Jürgen Trimborn auf dem Buchmarkt.

     Die rheinische ART. nimmt all dies zum Anlass, auf das Leben des umstrittenen Bildhauers aus Wuppertal zu blicken.

 

Blick in den Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei in Berlin 1942, mit der Plastik „Partei“ von Arno Breker. Fotograf o.A., Foto Bundesarchiv Bild 183-H27141/ CC-BY-SA 3.0

 

Arno Breker in seinem Atelier in Düsseldorf 1972. Foto Joe F. Bodenstein. Foto © Museum Arno Breker/MARCO-VG, Bonn, in Wikipedia

 

Es besteht kein Zweifel: der Künstler Arno Breker (1900-1991) ist und bleibt eine Reizfigur. Wie auch die Fotografin und Regisseurin Leni Riefenstahl und Hitlers „Leibarchitekt“ Albert Speer, war er ein ambivalenter Kunstvertreter des „Dritten Reiches“.

     Der systemkonforme Breker gehörte mit seinen Kollegen Josef Thorak und Fritz Klimsch zu den meistbeschäftigten, höchst dekorierten und honorierten Bildhauern in der NS-Zeit. Zwar favorisierte Hitler bis 1937 den Österreicher Thorak, „unsere stärkste plastische Begabung“, wie Propagandaminister Joseph Goebbels notierte. Speer dagegen wollte für seine gigantomanische Architektur vor allem Brekers heroische, „arische“ Muskelmenschen.


Ambivalenz Das Widersprüchliche an Arno Breker: Er war eindeutig Günstling der NS-Machthaber, ein extrem gut verdienender Mitläufer, Protagonist der Nazi-Kunstideale, ab 1937 freiwilliges Mitglied der NSDAP und Professor von Hitlers Gnaden; 1940 wurde er mit dem Goldenen Parteiabzeichen dekoriert.

     Andererseits gilt, dass Breker in einigen Fällen Helfer und Retter von Regimegegnern gewesen sein soll. Darauf verwies er jedenfalls nach dem Krieg bei seiner Entnazifizierung. Sein wichtigster Fürsprecher war der Verleger Peter Suhrkamp, der zu Protokoll gab, von Breker aus dem KZ gerettet worden zu sein. Ob er jedoch, wie von seinen Verehrern behauptet wird, Picasso während der deutschen Besatzung in Paris vor Verfolgung schützte, ist nirgendwo belegt.

 

Arno Breker wurde in Wuppertal geboren und an der Düsseldorfer Kunstakademie ausgebildet. Im Gegensatz zu anderen Künstlern, die in der NS-Zeit Karriere machten, besaß Breker bereits vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 internationales Renomme. Dieses behielt er nach Kriegsende weitestgehend - wenn auch nicht im "offiziellen" deutschen Kunstbetrieb. Gleichwohl: Nach 1945 mangelte es nicht an Ehrerbietung und Anerkennung, insbesondere durch ausländische Zeitgenossen.

 

Arno Breker Sitzender Frauenakt, 1925, Bleistiftzeichnung auf Velin, 39 x 29 cm, Objekt auf der 353. Auktion des Auktionshaues Van Ham Köln „Moderne und zeitgenössische Kunst 2015“. Foto © Van Ham Köln 2015

 

Arno Breker Skulptur Weiblicher Torso, 1927, Objekt auf der Auktion "Moderne Kunst 2011" des Auktionshaus Lempertz Köln, Foto © Lempertz Köln

 

Stilwechsel Arno Breker war noch keine Dreißig, als ihn 1928 - er wohnte gerade ein Jahr in Paris - sein französischer Freund Jean Cocteau (mehr) als den vitalsten „unter den Bildhauern der Zeit und die größte Zukunftshoffnung" feierte. Da hatte sich der Plastiker stilistisch gerade vom Surrealismus ab- und dem idealisierenden Realismus zugewandt.


Gemeißelte Arier
Es war eine neue, von seinen Kunstfreunden als „klassisch“ definierte Schaffensperiode, beeinflusst durch Auguste Rodin und die Inszenierung der anatomischen Ästhetik des Menschen.

     Ein „Schlüsselerlebnis“ sei für den 15-jährigen Breker, so Trimborn in seiner Breker-Biografie, dessen erste Begegnung mit der meisterlichen Rodin-Plastik „Das eherne Zeitalter“ gewesen. Das war im Rahmen einer Schau im Düsseldorfer Kunstmuseum gut ein Jahrzehnt zuvor. Der lebensgroße Jüngling sei „ihm gleichsam zur Offenbarung“ geworden. Brekers Schönheitsideale wurden die Körper der Antike und der Renaissance. Sie wurden unter seinen Händen zu martialischen „Nazi-Muskelmännern“ oder idealisierten „arischen Schönheiten“ mit Verherrlichungscharakter.

 

Berlin Neue Reichskanzlei Eingang im Innenhof mit den Breker-Skulpturen „Die Partei“ (links) und "Die Wehrmacht" (rechts). Foto Bundearchiv Bild 146-1987-003-09A/ CC-BY-SA 3.0. Foto vom 1. September 1940, Fotograf o.A.


Aufstieg Dass sich Breker in den Zwanzigerjahren als Bildhauer etablieren konnte, verdankte er maßgeblich, wie heute bekannt ist, seinem Förderer Alfred Flechtheim (mehr). Der damals in Düsseldorf ansässige Kunsthändler vertrat Breker nicht nur ab 1924, sondern fungierte auch als gesellschaftlicher Türöffner, vor allem im kosmopolitischen Paris, sowie als Auftragsvermittler.

     So lernte Breker über Flechtheim Otto Dix (mehr) kennen und portraitierte ihn. Die Freundschaft mit dem Impressionisten Max Liebermann begann bereits um 1922, als Breker im Künstlerkreis um den jüdischen Galeristen Paul Cassirer verkehrte.
     Dass der Jude Alfred Flechtheim nach seiner erzwungenen Emigration 1937 verarmt in London starb, wurde von Breker nie thematisiert. Auch die dramatischen Lebenswege einiger seiner Künstlerkollegen während der NS-Diktatur, die wie er als Kunst-Revolutionäre im Lokal von Mutter Ey in Düsseldorf (mehr) ein- und ausgingen, blieben ihm in seiner Rolle als Hitlers Hofkünstler offenbar fremd.

     Er setzte sich weder für Flechtheims Witwe Betty noch für Liebermanns Witwe Martha ein. Die bedrängten alten Damen nahmen sich vor ihrer Deportation in KZs das Leben. Hat Breker von der Verfolgung und vom Schicksal dieser Opfer gewusst? Oder hätte er davon wissen können, wenn er noch Augen für die Mitglieder seines Berufsstandes und ihre Angehörigen gehabt hätte? Fragen, die heute keine Antwort finden.

     Im Jahre 1937 war es der französische Portraitbildhauer Charles Despiau, der auf der Welt-Expo in Paris äußerte: „Breker eröffnet neue Dimensionen in der Darstellung des Menschen." Und der große Aristide Maillol meinte gar 1942: „Breker ist der deutsche Michelangelo des XX. Jahrhunderts." Maillol war zum Zeitpunkt dieser Eloge 81 Jahre alt. Der von ihm gefeierte Deutsche hatte sich zwei Jahre zuvor im Paladin-Gefolge von Hitler öffentlich-wirksam auf dem Place de Trocadéro vor dem Eiffelturm zum Gruppenfoto gestellt.

 

Arno Breker (vorn rechts) im Gefolge von Adolf Hitler, Paris 23. Juni 1940. Foto Bundesarchiv Bild 183-H28708/ CC-BY-SA (Ausschnitt) Fotograf o.A. Vlnr: SS-Gruppenführer Karl Wolff, Architekt Hermann Giesler, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, SA-Gruppenführer Wilhelm Brückner, Reichsminister Albert Speer, Adolf Hitler,  dahinter Reichsminister Martin Bormann, Arno Breker, Reichspressechef Staatssekretär Otto Dietrich

 

Nachkriegszeit Nach 1945 lebte und arbeitete Arno Breker in Düsseldorf. Von öffentlichen Stellen gab es keine Bildhaueraufträge mehr für ihn. Aber darben musste der Künstler, der „seiner braunen Gesinnung bis ins hohe Alter treu blieb“ (Trimborn) nicht. Private Kunden aus Wirtschaft, Politik und Kultur traten in bemerkenswerter Zahl mit Portrait-Aufträgen an ihn heran. Zu den Portraitierten gehörten Konrad Adenauer und Ludwig Erhardt sowie namhafte Repräsentanten der Wirtschaft wie Henkel, Quandt und Oetker - und noch Mitte der Achtziger auch der Schokoladenfabrikant und Kunstmäzen Peter Ludwig aus Aachen. Ludwig in einem Spiegel-Interview 1986: „Ich finde, daß Breker ein interessanter Künstler ist, ein großer Porträtkünstler. Auch er gehört zu denjenigen, deren Leistung einfach mit Schlagworten zur Seite gedrückt wird.“

 

Arno Breker Diana, Bronze, 1950, H 26 cm (mit dem Stahlspeer H 31 cm), auf Marmorsockel montiert. Objekt bei der Lempertz-Auktion 990 „Moderne Kunst“ 2011. Nach der "kleinen" Diana entstand eine große Fassung der Figur, die heute im Garten des Museums Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn steht. Foto © Auktionshaus Lempertz Köln

 

International blieb Breker ebenfalls gefragt. Charles de Gaulle, der äthiopische Kaiser Haile Selassi und andere bedeutende Persönlichkeiten ließen Bronze-Büsten bei ihm arbeiten. Anfragen gab es ferner von Argentiniens Staatschef Perón und 1946 von Stalin. 1972 war es der österreichische Maler und Grafiker Ernst Fuchs, der öffentlich kundtat: „Arno Breker ist der wahre Prophet des Schönen“. Und drei Jahre später ehrte der weltberühmte Surrealist Salvador Dali den damals 75-Jährigen mit den Worten: „Gott ist die Schönheit und Arno Breker sein Prophet.“


Tabubruch Bis in die Neunzigerjahre zeigten in Deutschland nur wenige private Galerien seiner Arbeiten. 2006 widmete in Schwerin das öffentliche Schleswig-Holstein-Haus dem geächteten Bildhauer eine Schau; Titel: „Zur Diskussion gestellt: der Bildhauer Arno Breker“. Die höchst umstrittene Präsentation mit 70 Exponaten zog 35.000 Besucher an, 9000 Kataloge gingen über den Verkaufstresen des Ausrichters und über 370 Artikel in den Medien begleiteten den „Sommerloch-Aufreger“.

     Die Süddeutsche Zeitung sah die Veranstaltung rückblickend als „kalkulierten Tabubruch“. Der Spiegel stellte fest, nie sei seit 1945 eine derart umfassende Breker-Schau in einer öffentlichen deutschen Einrichtung gezeigt worden. Bestückt vorwiegend mit Leihgaben der in Düsseldorf wohnenden Witwe Brekers und finanziert mit staatlichen Geldern.

     Zahlreiche Befürworter der Retrospektive, wie etwa der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass, werteten die Exposition hingegen als Beitrag zur Aufarbeitung der jüngeren deutschen Geschichte. Dokumentarisch und informativ gestaltet, könne damit eine Antwort auf die ständig aufgeworfene Frage gefunden werden, warum sich Breker wie viele andere Kreative vom NS-Regime überhaupt hatte korrumpieren lassen.

 

Neue Reichskanzlei Berlin, Gartenfront, 1939, Teilansicht der zwei Bronzeplastiken „Schreitende Pferde“ von Josef Thorak, Foto Bundesarchiv Bild 146-1985-064-24A/ CC-BY-SA 3.0

 

Kunsthaus Dahlem im ehemaligen Staatsatelier des Bildhauers Arno Breker. Der Bau wurde von dem Architekten und Ex-Stadtbaurat von Düsseldorf, Hans Freese, entworfen und 1942 fertiggestellt. Das Haus widmet sich der Kunst der deutschen Nachkriegsmoderne in Ost und West. Foto © Kunsthaus Dahlem, Jürgen Pleuser 2015

 

Arno Breker ist heute zwar keine „persona non grata“ aber doch nach wie vor umstritten. Die Trimborn-Biografie zeigt, dass Brekers Verstrickungen in das NS-Regime offensichtlich wesentlich tiefer reichten als allgemein bekannt. Für große Aufregung sorgte 2015 das plötzliche Auftauchen zweier Bronze-Pferde von Josef Thorak sowie einiger Arbeiten von Breker. Die Skulpturen galten seit 1945 als verschollen.

     Der Berliner Tagesspiegel bemerkte dazu, dass das Fundgut in Erinnerung brächte, „dass eine Aufarbeitung der staatstreuen Kunst während der NS-Zeit und der Rolle der Künstler vielfach noch ausstehe.“ Und dass sich im öffentlichen Raum Berlins noch über 70 Skulpturen aus der NS-Zeit befinden, durchweg martialischen Typus.

     In Berlin-Dahlem wurde im selben Jahr das „Kunsthaus Dahlem“ eröffnet. Es ist das restaurierte Gebäude, das dem NS-Starbildhauer knapp ein Jahr als Atelier diente. Das Haus zeigt Nachkriegskunst, Arbeiten von Breker waren darin bislang nicht zu sehen. Nach Bombenschäden wechselte Breker 1943 von Dahlem in sein Schloss Jäckelsbruch östlich von Berlin, ein Geschenk Hitlers. In dem dortigen riesigen Atelier beschäftigte er zahlreiche Kriegsgefangene.


Die Breker-Biografie von Jürgen Trimborn beinhaltet eine große Zahl neuer Quellen mit unbekannten Dokumenten und Zeitzeugenberichten. Der Autor zielt auf „eine ausgewogene Darstellung von Brekers Leben “ sowie eine „Entmythologisierung“ des Künstlers. Wie auch andere vor ihm konnte er nicht auf das Familienarchiv und das Archiv des Breker-Museums zurückgreifen. Daher fehlen Dokumente aus dem persönlichen Umfeld des Bildhauers. Ausführlich werden dessen rheinische Jahre dargestellt.

     Auf die oft gestellte Frage, ob Breker nun als überragender Künstler von europäischem Format - wie ihn seine Anhänger bis heute titulieren - oder eher als ein begabter Handwerker zu sehen sei, gibt die Biografie keine klare Antwort. Es bleibt der Eindruck eines „willfährigen Produzenten brauner Gesinnungskunst“. Josef Thorak teilte übrigens Brekers Nachkriegsschicksal nicht. Der Bildhauer und Medailleur aus Wien durchlief eine Entnazifizierung ohne Schaden und erhielt bis zu seinem Tod 1952 öffentliche Aufträge. In Salzburg wurde eine Straße nach ihm benannt.
Claus P. Woitschützke

 

► Zitatquellen: Süddeutsche Zeitung vom 19.05.2010 "Darf man Arno Breker zeigen?". Eine Bilanz der umstrittenen Arno-Breker-Ausstellung. Der Spiegel Ausgabe 36/1986 „Breker wird zur Seite gedrückt“. Der Tagesspiegel vom 10.6.2016 „Gute böse Nazi-Kunst“.

 

► Literaturhinweis:

Jürgen Trimborn „Arno Breker: Der Künstler und die Macht. Die Biographie“, Aufbau Verlag Berlin, 2011. 712 Seiten, 52 Abb., ISBN 978-3-351-02728-5. Preis 29,99 EUR

 

Das Schweriner Arno-Breker-Projekt. Dokumentation. Hrsg. von Rudolf Conrades im Auftrag der Landeshauptstadt Schwerin, Schwerin 2007, 218 Seiten mit DVD, 19 EUR

 

 

 

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