rheinische ART
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rheinische ART 01/2018

Archiv 2017

MALEREI/FOTOGRAFIE
Künstlerischer Spielraum


Ein bisschen fremdeln sie selbst heute noch, die Fotografie und die Malerei, besonders wenn es um das Portrait geht. „Die Fotografie ist der Todfeind der Malerei, sie ist die Zuflucht aller gescheiterten Maler, der Unbegabten und der Faulen“, sprach Charles Baudelaire. Das war Mitte des 19. Jahrhunderts.

 

Maurice Denis - herabgebeugt zu Noële, Studie des Chorhemdes für  „Sinite Parvulos venire ad me“ oder „Laissez venir à moi les petits enfants, Saint-Germain-en Laye”, 1900 / Album Druet 12, 12.46 / Collection Pagneux, Frankreich

 

Was nur würde Baudelaire heute sagen? Angesichts des Siegeszuges der Fotografie durch die Jahrhunderte und Dank der technischen Möglichkeiten unserer digitalen Zeit? Die Sucht nach Selbstdarstellung (mehr) in möglichst optimaler Form lässt weltweit Millionen millionenfach Fotografien, zumeist Selfies, ins Internet einstellen.
     Die öffentliche Verfügbarkeit dieser Bilder darf als grenzenlos bezeichnet, die Schönheit mittels Fotooptimierung gesteigert und Unschärfe als künstlerisch angesehen werden. Und das alles in nur wenigen Minuten, ja Sekunden. Wie langsam ist doch dagegen der Pinselstrich des Malers.

 

Maurice Denis Sinite parvulos venire ad me ou Laissez venir à moi les petits enfants Sinite parvulos venire ad me (Lasset die Kindlein zu mir kommen), um 1900, Öl auf Leinwand © Clemens Sels Museum Neuss

 

Der wechselseitigen Beziehung der beiden Kontrahenten Malerei und Fotografie widmet das Clemens Sels Museum die Ausstellung „Wunsch & Wirklichkeit. Der Einfluss der Fotografie auf das Portrait“.

 

19. Jahrhundert Mit dem Aufkommen der Fotografie, die ein jeder gebrauchen konnte, traten auch ihre Kritiker auf den Plan. Baudelaires Einschätzung der Fotografie traf in der Gesellschaft auf viel Sympathie. Bemängelten doch die Freunde der Portraitmalerei bei der neuen Fototechnik die in ihren Augen mangelhafte künstlerische Erfassung der Persönlichkeit, ihres Wesens und Naturells, die sich ihrer Überzeugung nach erst mit der Beschäftigung des Künstlers mit dem zu portraitierenden Menschen einstelle.

 

Félix Vallotton - Fotografie Gabrielle Vallotton um 1911 © Fondation Felix Vallotton, Lausanne

 

Félix Vallotton Gabrielle Valloton en robe jaune – Gabrielle Vallotton im gelben Kleid, 1908, Öl auf Leinwand, © Clemens Sels Museum Neuss

 

Franz von Stuck - Mary mit dunklem Hut, 1915, Aufnahme Mary oder Franz von Stuck (zugeschrieben), Gelatine-Entwicklungspapier, (58,0 x 40,0 cm)  © Museum Villa Stuck, München (Ph-P-94/797-65

 

Franz von Stuck Bildnis der Tochter Mary mit Hut, um 1916, Öl auf Karton /Holz, Dauerleihgabe aus Privatbesitz seit 2007 © Clemens Sels Museum

 

Das Urteil der malenden Künstler hingegen war ein etwas anderes. Zumeist zeigten sie sich aufgeschlossen und bedienten sich der Fotografie gerne als Vorlage für ihre Arbeit. Besonders als Hilfsmittel war es ihnen sehr genehm. Oft taten sie dies jedoch heimlich, denn es war nicht opportun, eine „technische Abbildung“ für den künstlerischen handwerklichen Prozess des Malens zu nutzen. Diesen sahen sie aber eben nicht bedroht, denn die künstlerische Ausdrucksform, so ihre feste Überzeugung, gewann das Portrait eh durch sie. In dieser Zeit, in der die akademische Malerei und der Naturalismus auf dem Rückzug waren und die Expressivität an Bedeutung gewann, galten Abstraktionen wie Verfremdungen, die die „technische Abbildung“ nicht leisten konnten, als künstlerische Mittel für eine gewollt subjektive Interpretation des abzubildenden Modells.


Das Clemens Sels Museum lässt in seinem Vorwort des Katalogs Pablo Picasso zu Worte kommen: „Wir wissen alle, daß Kunst nicht Wahrheit ist. Kunst ist eine Lüge, die uns die Wahrheit begreifen lehrt, wenigstens die Wahrheit, die wir als Menschen begreifen können. Der Künstler muß wissen, auf welche Art er die anderen von der Wahrhaftigkeit seiner Lügen überzeugen kann.“
     

Mit dieser Schau stellt das ausstellende Haus Teile seiner Sammlung von Portraits und Selbstbildnissen vor. Zeitlich beginnt diese - dem Thema entsprechend - mit der Erfindung der Fotografie in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts und endet mit jüngeren Beispielen aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Immer sind es das gemalte, gemeisselte oder geprägte Portrait und die Fotografie, die sich gegenüberstehen. Das so ermöglichte vergleichende Sehen zeigt die Freiheiten, die sich die Künstler bei den Bildnissen nahmen, deutlich auf.
ruwoi


Die Ausstellung „Wunsch & Wirklichkeit. Der Einfluss der Fotografie auf das Portrait“ ist bis zum 18. Februar 2018 zu sehen.
Clemens Sels Museum Neuss
Am Obertor
41460 Neuss
Tel. 02131 / 904141
Öffnungszeiten
DI – SA 11 – 17 Uhr
SO 11 – 18 Uhr

Jeden 1. Sonntag im Monat ist der Eintritt frei.

 


  

 

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