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rheinische ART 12/2023

Archiv 2023

JUBILÄUM
Der Nullnummer folgte die Erfolgsgeschichte

 

Medien haben es schwer. Besonders die lokalen Tageszeitungen. Warum Lokales, gar gedruckt, lesen, wenn das Internet mit seinem www ist so nah (auf dem Smartphone) wie weit (an Informationen)? Ja doch, es gibt gute Gründe, denn es geht um „mehr“. Die Neuß-Grevenbroicher Zeitung feierte jüngst ihr 150jähriges Jubiläum. Unser Autor Simon Hopf, überzeugter Neusser Bürger, feierte mit und schreibt:

 

150 Jahre Neuß-Grevenbroicher Zeitung: Kristallisationspunkt von Stadtkultur

 

Die "Nullnummer" der Neuß-Grevenbroicher Zeitung vom 23. Dezember 1873. Foto © Bürgergesellschaft Neuss

 

„Das war ’ne Nullnummer!“ In der Regel signalisiert dieser Ausspruch ein Versagen auf ganzer Linie. Enttäuschung pur. Nicht so, wenn es heißt: „Das war die Nullnummer!“ Denn dann wird gefeiert. Zumindest in Neuss, wo ohnehin manches anders – oder immer noch anders – als in anderen rheinischen Städten ist. Gut so! Aus Neusser Sicht.

 

Ein Ausdruck dieser Eigenart ist die Neuß-Grevenbroicher Zeitung, kurz „die NGZ“, die seit 150 Jahren das Leben in und um Neuss begleitet und dokumentiert. Der am 23. Dezember 1873 erschienenen Nullnummer der NGZ widmete die Bürgergesellschaft zu Neuss, ihrerseits 1861 als „Constantia“ gegründet und seinerzeit ein Hort des katholischen Bürgertums, eine Morgenmatinee, die man mit Fug und Recht als denkwürdig, als sinnfälliges Beispiel von noch intakter Stadtkultur in Erinnerung behalten muss.

 

Warum das? Nun, die Neuß-Grevenbroicher Zeitung wurde von Mitgliedern der Constantia/ Bürgergesellschaft projektiert, finanziert und aus der Taufe gehoben. Ein Nachfahre der Initiatoren von einst, die wenige Jahre später – 1880 – auch die bis heute bestehende Feuerversicherungs-Gesellschaft Rheinland (die jetzige RheinLand Versicherungsgruppe) gründeten, ist aktuell Präsident der „Bürger“.

     Andere Nachkommen bestimmten über Generationen die Geschicke der Zeitung und prägen bis heute das Wirtschaftsleben der Stadt. Und all das auf festem christlichen Fundament, was bei der Geburtstagsfeier durch die Anwesenheit zweier Kleriker – hier der Oberpfarrer von St. Quirin, dort der Pastor der evangelischen Innenstadtgemeinde – unterstrichen wurde.

 

Man merkt: In Neuss ist vieles – andere würden sagen: alles – miteinander verwoben. Dem folgt das Bonmot, das in Köln zwar der Klüngel erfunden, in Neuss aber perfektioniert wurde. Als Einheimischer reagiert man darauf mit einem feinen Lächeln. Man ist ja – wie schon eingangs erwähnt – ein bisschen anders als andere. Oder, wie es im Umland heißt: „Et jött Jode, Schleite on Nüsser.“

     Womit wir bei der Tendenz wären, denn die NGZ war ganz eindeutig ein Tendenzblatt reinsten Wassers. In der Hochphase des Kulturkampfs bildete sie, die schon vom Grundsatz inhaltlich niemals den Interessen der katholischen Sache zuwiderhandeln durfte, die Speerspitze eines Bürgertums, das sich – und hier wird man kurz stutzig – ganz und gar nicht als reaktionär verstand. Man war unternehmerisch vielfältig engagiert, finanziell liquide, den modernen Errungenschaften der Zeit gegenüber aufgeschlossen und risikobereit, stadtgestaltend auf allen Ebenen tätig, religiös bis auf die Knochen, patriotisch gesinnt – aber eben nicht preußisch!

 

Die NGZ, die seit 2009 unter dem Dach der Rheinischen Post erscheint, ist mit dieser Ausrichtung durch bewegte Dekaden gekommen. In jüngster Zeit macht ihr – wie so vielen Zeitungen – die Fragmentierung der Gesellschaft zu schaffen. Informationen gibt es gefühlt überall und 24/7. Warum dann noch Zeitung, ob gedruckt oder als E-Paper?

     Es war der zur Feierstunde als Festredner geladene Protestant, der – wissend um die bis weit ins 20. Jahrhundert hineinreichende Katholizität des Neusser Blattes – mit klugen Worten die Bedeutung einer mit Stallgeruch behafteten Lokalzeitung hervorhob, deren Anspruch es ist, das Leben in Stadt und Land abzubilden, einzuordnen und zu kommentieren und damit eine Klammer zu bilden, welche die Region zusammenhält und den Menschen publizistisch Heimat bietet. Ein besseres Plädoyer für die Sinnhaftigkeit einer Zeitung wie der NGZ hätte es nicht geben können. Also: „Ad multos annos!“

Simon Hopf

 


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