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rheinische ART 04/2023

Archiv 2023

ERNST WILHELM NAY
Augenbilder und Scheibenbilder


Er zählt zu den ganz Großen der deutschen Nachkriegskunst: Der Maler Ernst Wilhelm Nay. Das Duisburger Museum Küppersmühle widmet sich in einer retrospektiv angelegten Schau seinem über 50jährigem Wirken. 70 Gemälde sind ausgestellt, die seine Rolle als Protagonist der deutschen Nachkriegs-Moderne manifestieren.

 

E.W. Nay Afrikanisch, 1954, Öl auf Leinwand, 125 x 200 cm, Museum Wiesbaden © Ernst Wilhelm Nay Stiftung/VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Bernd Fickert


Auch wenn sein Name nicht unbedingt der erste ist, der im Reigen der abstrakt arbeitenden Künstler der Nachkriegsjahre genannt wird - immerhin zählen zu den bekannten Vertretern international herausragende Kreative wie Jackson Pollock oder Mark Rothko –, Nay überzeugt mit einem eigenen Stil.

Die Maler der Nachkriegs-Epoche experimentierten mit verschiedenen Materialien und Techniken, sie dropten, klecksten, schütteten, strichen, rakelten… Merkmal ihrer Werke ist eine spontane, gestische oder expressiv wirkende Bildsprache, die den ungegenständlichen Ausdruck von Emotion, Zufall oder individueller Erfahrung sucht und betont.
     Mit seiner emotionalen Wucht verbunden mit dem Wunsch, Neues zu schaffen, war das Informel das beherrschende Thema jener Jahre und beeinflusste auch andere Richtungen wie den Minimalismus, die Op-Art, die Konzeptkunst oder die Performance-Kunst.

 

E.W. Nay Astral, 1964, Öl auf Leinwand, 200 x 170 cm, © Ernst Wilhelm Nay Stiftung/VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Georgios Michaloudis,farbanalyse, Köln

 

E.W. Nay Spuren in Blau, 1957, Öl auf Leinwand, 127 x 91,5 cm, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, Duisburg, Sammlung Ströher © Ernst Wilhelm Nay Stiftung/VG Bild-Kunst, Bonn 2023

 

Obwohl Nay als Maler des Informel gilt, schuf er ebenso Werke, die Elemente aus anderen Kunstbewegungen integrierten, wie zum Beispiel dem Expressionismus. Auch dem Gegenständlichen verschloss er sich nicht dogmatisch, wie seine „Augenbilder“ beweisen. Hier formuliert er das menschliche Sehen und gesehen werden mit dem gegenständlichen Objekt Auge in Kombination mit einer farbigen abstrakten Expressivität in der Fläche.
      Doch als die bekanntesten Werke in seinem Œuvre dürfen die sogenannten „Scheibenbilder“ angesehen werden. Diese Bezeichnung ist leicht irreführend, auch wenn sie vom Künstler selbst so benannt wurden. Nay formulierte dazu: „So fing ich mit sehr harmlosen neuen Versuchen an und stellte fest: Wenn ich mit einem Pinsel auf die Leinwand gehe, gibt es einen kleinen Klecks, vergrößere ich den, dann habe ich eine Scheibe. Diese Scheibe tut natürlich auf der Fläche schon eine ganze Menge. Setze ich andere Scheiben hinzu, so entsteht ein System von zumindest farbigen und quantitativen Größenverhältnissen, die man nun kombinieren und weiterhin zu größeren Bildkomplexen zusammenbauen könnte.“* Nay tat nun genau dieses und erfand die „Scheibenbilder“, die ihm zu großem Ansehen verhalfen.


Es war dieser eigene Stil, der Nay zahlreiche Auszeichnungen und Preise einbrachte. Der Künstler erfuhr mit seiner Teilnahme an den internationalen documenta-Schauen in Kassel 1955, 1959 und 1964 oder der Biennale in Venedig 1956 eine breite Anerkennung und etablierte sich als feste Größe in der Kunst der Nachkriegs-Moderne.


Die künstlerische Entwicklung Nays wird in der Küppersmühle nun mithilfe seiner Arbeiten aus den verschiedenen Schaffens- und Lebensphasen nachvollzogen. Das ausstellende Haus formuliert dazu: „Seine durch den späten Expressionismus beeinflussten, frühen gegenständlichen Bilder bilden die Grundlage für Nays späteres abstraktes Werk, das sich durch eine kraftvoll-dynamische Autonomie freier Farbformen auszeichnet.“

 

Installationsansicht E.W. Nay-Retrospektive, MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst, 2023 © Ernst Wilhelm Nay Stiftung/VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: David Ertl


Leben Wie andere Zeitgenossen auch fand Nay früh Inspirationen in Paris, wo ihn anfänglich besonders Poussin begeisterte und er später Wassily Kandinsky besuchen sollte. Unterstützung erfuhr er von Freunden und Förderern. 1931 erhielt er den „Rompreis“ der Preußischen Akademie der Künste, verbunden mit einem mehrmonatigen Stipendium an der Villa Massimo in Rom (1931/32).

     Durch Vermittlung der ehemaligen Museumsdirektoren Carl Georg Heise und Ludwig Justi erhielt er finanzielle Unterstützung von dem norwegischen Maler Edvard Munch und dem Sammler Carl Hagemann, die ihm 1937/38 Reisen nach Norwegen und auf die Lofoten ermöglichten. Dort entstanden Aquarelle, nach denen Nay später im Berliner Atelier seine Lofoten-Bilder malte. Im März 1939 besucht er Hanna Bekker in Hofheim am Taunus und lernt in Wiesbaden Alexej von Jawlensky kennen, mit dem er Werke tauschte.

 

E.W. Nay Gelb – Orange - Kobalt, 1967, Öl auf Leinwand, 161 x 152 cm, © Ernst Wilhelm Nay Stiftung/VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto: Georgios Michaloudis, farbanalyse, Köln

 

Im Zweiten Weltkrieg als Infanterist im Frankreichfeldzug eingesetzt, wurde er auf Bestreben von Hans Lühdorf, eines Freundes von Jawlensky, als Kartenzeichner in Le Mans stationiert. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft ließ sich Nay im Mai 1945 von den Amerikanern nach Hofheim entlassen, wo sich für seine weitere künstlerische Laufbahn nachhaltige Kontakte nach Frankfurt und Wiesbaden ergaben. Im Oktober 1951 übersiedelte Nay nach Köln, wo die Rhythmischen Bilder (1952–1953), die Scheibenbilder (1954–1962), die Augenbilder (1963–1964) und die sogenannten Späten Bilder (1965–1968) entstanden.
Irmgard Ruhs-Woitschützke


Die Ausstellung im Museum Küppersmühle hatte zuvor Station in einer viel beachteten Präsentation der Hamburger Kunsthalle. Sie entstand in Zusammenarbeit der ausstellenden Häuser mit der Ernst Wilhelm Nay Stiftung und dem Museum Wiesbaden.

 

Die Ausstellung „E. W. Nay. Retrospektive“ ist bis zum 6. August 2023 zu sehen.
MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst
Duisburg Innenhafen
Philosophenweg 55
47051 Duisburg
Tel. 0203 / 301948 11


Öffnungszeiten
MI 14 – 18 Uhr
DO – SO und Feiertage 11 – 18 Uhr

 

 

*Quelle Wikipedia aus „Ernst Wilhelm Nay“, April 2023

 

 

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