Archiv 2023
KONKRETE KUNST
Reihung, Rhythmus, gerne mit Streifen
Günter Fruhtrunk stand nicht immer im Zentrum der Aufmerksamkeit, doch mit seinem 100. Geburtstag 2023 erinnerte sich so manches Haus – wie das Kunstmuseum Bonn und das Lenbachhaus in München - an den Maler und Grafiker. Zu Recht, wie die Ausstellungen zeigen.
Günter Fruhtrunk Progression in zwei Richtungen, 1968/69, Acryl und Kasein auf Leinwand, 192 x 365 cm, Courtesy Sammlung KiCo c VG Bild-Kunst, Bonn 2023, Foto David Ertl |
Günter Fruhtrunk (1923-1982 in München) zählt zu den Vertretern der Konkreten Kunst. Diese Kunstrichtung konzentriert sich auf geometrische Formen und klare Strukturen.
Auf Wikipedia ist dazu zu lesen: „Der Begriff Konkrete Kunst wurde 1924 von Theo van Doesburg eingeführt und 1930 in einem Manifest bei der Gründung der Gruppe Art concret programmatisch festgelegt für eine Richtung der Kunst, die im Idealfall auf mathematisch-geometrischen Grundlagen beruht. Sie ist im eigentlichen Sinne nicht abstrakt, da sie nichts in der materiellen Realität Vorhandenes abstrahiert, sondern im Gegenteil Geistiges materialisiert, keine symbolische Bedeutung besitzt und mehr oder weniger rein durch geometrische Konstruktion erzeugt ist.“
Günter Fruhtrunk Rote Horizontale, 1969/70, Dauerleihgabe Sammlung KiCo, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Reni Hansen
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Fruhtrunk schuf also mit jedem Werk etwas gänzlich Neues. Sein bevorzugtes Sujet waren Streifen und mit diesen schuf er ein überraschendes wie vielfältiges Werk. Das Oeuvre des Nachkriegskünstlers ist in der Schau „Günter Fruhtrunk Retrospektive 1952-1982“ im Kunstmuseum Bonn mit rund 60 Arbeiten aus allen Schaffensphasen dokumentiert und beweist: Streifen sind alles andere als langweilig!
Günter Fruhtrunk Grüne Intervalle, Étude II, 1963, Courtesy Sammlung Maximilian und Agathe Weishaupt, München, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Olaf Bergmann, Witten |
Das ausstellende Haus schreibt dazu: „Fruhtrunks Arbeiten zeichnen sich durch klare Linien, geometrische Formen und kontrastreiche Farben aus. Wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit entwickelte er mit großer Präzision und faszinierender Beharrlichkeit eine eigene abstrakte Bildsprache, die er über die Jahre in vielfältigen Variationen perfektionierte.
Durch den Einsatz mathematischer Methoden wie geometrischer Berechnungen und Verhältnisgleichungen erzeugte er optische Täuschungen und ein Gefühl von Bewegung, Vibration und Flimmern in seinen Werken. Es entstanden enorm verdichtete, leuchtende Bilder, die sich der passiven Betrachtung entziehen und den Sehvorgang permanent herausfordern. Nicht zuletzt diese Bildsprache macht das Werk hochaktuell.“
Als Grafiker stand der Künstler der angewandten Kunst positiv gegenüber. Tatsächlich entstand 1970 das ikonische blau-weiße Diagonalmuster der Aldi Nord Plastiktüte, das Fruhtrunk als Auftragsarbeit für den Aldi Konzern entwarf. Diese war ein Siegeszug der Kunst im Alltag. Millionenfach wurde die Plastiktüte benutzt und von Bürgern über die Straße getragen.
Aldi-Tragetasche, Design Günter Fruhtrunk, Foto © Museum Wiesbaden
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Das Museum Wiesbaden wird die Retrospektive aus Bonn ab April in seinen Räumen zeigen. Das Haus schreibt Fruhtrunks Werken das Potenzial von „optischen Sensationen“ zu und kommentiert, auch mit einem Augenzwinkern: „1970 entstand auch das ikonische blau-weiße Diagonalmuster der Aldi Nord Plastiktüte … Dass er als Urheber der Gestaltung nicht dauerhaft im Bewusstsein blieb, ist im Übrigen nichts Ungewöhnliches: auch, dass sein Kollege Anton Stankowski das Logo der Deutschen Bank und sein zeitweiliger Weggefährte Victor Vasarely die Raute für Renault entworfen hat, wissen heute nur mehr wenige...
Günter Fruhtrunk Ohne Titel, 1955, Courtesy und Foto: Walter Storms Galerie München, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022 |
... Es war aber tatsächlich damals nicht ungewöhnlich, dass sich Markendesign auch der Unterstützung aus der ‚freien‘ Kunst bediente, dass die Übergänge fließend waren. Und ja, Fruhtrunk war um 1970 zeitgemäß und modern, er war documenta-Teilnehmer und Professor in München. Aber Fruhtrunk war viel mehr als das: er revolutionierte die abstrakte Nachkriegsmalerei in einer Weise, die bis heute ihresgleichen sucht. Seine Gemälde als Farbklänge und Rhythmusstrukturen fordern die Betrachterinnen und Betrachter heraus, bieten dem Auge Flirren und Halt zugleich.“
rART/ruwoi
Die Ausstellung „Günter Fruhtrunk Retrospektive 1952-1982“ ist bis zum 10.03.2024 zu sehen
Kunstmuseum Bonn
Helmut-Kohl-Allee 2
53113 Bonn
Tel. 0228 / 77-6260
Öffnungszeiten
DI – SO 11 – 18 Uhr
MI 11 – 21 Uhr