rheinische ART
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rheinische ART 01/2023

Archiv 2023

SOUND ART
Der Klang der Kunst

 

Das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld ist Ort einer seltenen Präsentation von Kunst. ON AIR titelt die Ausstellung, die aufzeigt, wie expressiv die Künstler der Nachkriegsjahre sich mit Material und Klang auseinandersetzten.

 

David Tudor & Composers Inside Electronics Rainforest V (Version 2), 1973/2015, Sound-Objekt-Installation, bestehend aus 20 Objekten, jeweils mit eigenem Soundarchiv, Maße variabel, Auflage 2/4, Sammlung Museum der Moderne Salzburg – angekauft mit Mitteln der Generali Foundation, © David Tudor & Composers Inside Electronics Inc. / Foto: Dirk Rose / Kunstmuseen Krefeld


Denn es klingelt, haucht, wispert, sägt, klackt oder scheppert in der Schau. Sound als Material in der bildenden Kunst. Das hat schon etwas Spektakuläres. Doch ohne Bewegung kein Ton, weshalb die Sound Art mit der Kinetik eng verbunden ist. Teilweise werden die Geräusche aktiv vor Ort erzeugt, manchmal sind sie auf Tonträgern gespeichert und dauerhaft zu hören.

Mit dem Eintritt in die Ausstellung befindet sich der Besucher unmittelbar in der raumfüllenden Installation Rainforest V von David Tudor. Von oben hängen eigentümliche Objekte wie Röhren, Plastikeimer oder metallische Spiralen herab, die in abenteuerlichen Form- und Materialkombinationen mittels kleiner Lautsprecher ihre Geräusche mitteilen. Wie in einem Wunderland kann der Besucher durch das Kunstwerk wandeln und lauschen, was es mitteilen möchte.

 

Yaacov Agam Tableau Tactile Sonore, 1963, 50 Blechkapseln, 50 Spiralfedern, Sperrholzplatte und -kasten, Lackfarbe,, 100 × 139 x 18,5 cm, Kunstmuseen Krefeld, © VG Bild-Kunst, Bonn, Foto: unbekannt


Große Namen aus der Konzeptkunst sind vertreten. Das Werk Afsliutdijk von Jan Dibbets lässt „Das Geräusch einer Fahrt von 5 km auf einer geraden Strecke mit einer konstanten Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern“ hören und Rainer Ruthenbeck lässt 97 Minuten und 44 Sekunden mit seinem Geräuschstück 2 Teppichklopfen vernehmen.


Berückend platziert im Raum mit Wandgemälden von Jan Thorn Prikker ist die Arbeit Senza Titolo von Jannis Kounellis. In Öl auf Leinwand ist eine Partitur aus Igor Strawinskys La Pulcinella geschrieben. Ein Video zeigt eine Ballerina, die zu dieser Melodie, wenige Takte nur und gespielt von einem Violinisten, tanzt. Ein performativer Akt, der in seiner Endlichkeit keine Fortsetzung findet. Was bleibt, ist die Wiederholung.

 

Jannis Kounellis Senza Titolo (Da inventare sul posto), 1972, Öl auf Leinwand, Violinist/-in, Ballerina, Partitur aus La Pulcinella von Igor Strawinsky
Gemälde: 270 × 300 cm, Sammlung Viehof, ehemals Sammlung Speck, Aktivierung zur Ausst. ON AIR. Der Klang des Materials in der Kunst der 1950er bis 1970er Jahre, Kunstmuseen Krefeld, 2022, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Dirk Rose / Kunstmuseen Krefeld


Günther Uecker und Jean Tinguely arbeiteten in diesen Jahren mit Alltagsfundstücken, gerne aus Metall, die sie zu sich bewegenden Objekten zusammenbauten. Skurril und amüsierend anzusehen ist das begleitende akustische Erlebnis als „Sound als Terror“ inbegriffen.
     Am lautesten ist wohl Jean Tinguely. Seine maschinelle Wandkonstruktion Le Chant du Cygne du Bambou sägt und scheppert und entpuppt sich als wahrer Aufmerksamkeitsmacher, sobald der Taser am Boden gedrückt wird. Ähnlich wie Bing-Bäng, eigentlich ohne Titel, eine Konstruktion, die auf dem ersten Blick einem Kinderfahrrad ähnelt, aber mit dem Eisenrad wohl eher für den Schienenverkehr geeignet scheint. Lautstärketechnisch hält Bing-Bäng, was es verspricht…

 

Jean Tinguely Le Chant du Cygne du Bambou, 1963, Holz, Alteisen, Räder, Metallstäbe, Gummiriemen, Bambusrohre, Elektromotor, 245 × 495 × 110 cm, Museum Tinguely, Basel. Ein Kulturengagement von Roche, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022 / Foto: Dirk Rose / Kunstmuseen Krefeld


Das Interesse an interdisziplinärem Arbeiten mit auf Zeit eingegangenen Kooperationen von Künstlern unterschiedlicher Metiers war gar nicht so selten, machten diese doch ein Werk oftmals erst möglich. So betraten auch Musiker oder Tänzer das Feld der bildenden Kunst. Bei dem Bestreben nach Entgrenzung der Kunst mutierten die Kunstproduzenten schon mal zu Forschern oder Technikern oder aber suchten die Nähe zur internationalen Szene der Neuen Musik. Im Rheinland ist hierfür das Studio für Elektronische Musik des WDR in Köln mit Karlheinz Stockhausen als Zentrum für interdisziplinären Austausch bekannt. (mehr)
     In einer Meldung des Hauses zur Ausstellung heißt es: „In der Kunst der 1950er bis 1970er Jahre werden Laute, Töne, Krach, die Stille wie auch Musikstücke zum Werkstoff, der eine neue Form der Plastizität und ein anderes Verständnis von Raum ermöglicht. Die Objekte, Installationen und Videoarbeiten, die nun entstehen sind mehr Ereignis und Prozess, denn ein auf Ewigkeit angelegtes Kunstwerk.“

 

Timm Ulrichs Einton-Musik außerhalb (oberhalb) des menschlichen Hörbereichs, 1969/70 und 2022, Sinusfrequenzgenerator, Lautsprecher, Oszillograph, Maße variabel, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022 / Foto: Dirk Rose / Kunstmuseen Krefeld


Die Ausstellung mit rund 50 Arbeiten entstand im Kontext der eigenen Sammlung (mehr). Die Kunstmuseen Krefeld besitzen selbst eine bedeutende Kollektion mit Arbeiten aus dieser Zeit. Die Direktorin Katia Baudin: „Zusammen mit internationalen Leihgaben werden sie zum ersten Mal gemeinsam ausgestellt. So entsteht ein überaus spannendes audiovisuelles Panorama einer der wohl experimentierfreudigsten Phasen in der Kunst des 20. Jahrhunderts.“
Irmgard Ruhs-Woitschützke

 

Die Ausstellung „ON AIR – Der Klang des Materials in der Kunst der 1950er bis 1970er Jahre“ kann bis zum 26.03.2023 besucht werden.
Kaiser Wilhelm Museum
Kunstmuseen Krefeld

Joseph-Beuys-Platz 1
47798 Krefeld
Tel. 02151 / 97558-137
Öffnungszeiten
DI – DO, SO 11 – 17 Uhr
FR + SA 11 – 18 Uhr

 

 

 

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