Archiv 2023
POSTMODERNE
Identität und Inszenierung
„Alles auf Einmal. Die Postmoderne“ titelt die Ausstellung in der Bundeskunsthalle. Was sie bietet, ist ein berauschendes Déjà-vu mit den Entwicklungen, Neuerungen, gar Revolutionen in der Zeit von 1967-1992. Prall, bunt, auch laut kommt sie daher und beweist: Die Postmoderne war eine Zeit „gegen die Einförmigkeit“.
Alessando Mendini Interno di un interno (Sofa), 1990 © Collection Groninger Museum, Photo Heinz Aebi |
Es war die große Zeit der Subkulturen und des „Anything Goes“. Das ausstellende Haus schreibt dazu: „Mit der Postmoderne begann unsere Gegenwart.“ Ein starker Satz. Und weiter: „Die Moderne, die glaubte, alles sortieren zu können mit gleichen Häusern, Möbeln und Rechten für alle, wurde verabschiedet, und aus ihren Ruinen entstand eine bizarre Welt.“
Walter Pichler TV-Helm (Tragbares Wohnzimmer), 1967 © Generali Foundation, Foto: Werner Kaligofsky
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Eine ehemalige bizarre Welt bestimmt demnach unsere Gegenwart. Wenn dem so ist, hat die Postmoderne kein allzu gutes Erbe hervorgebracht.
Orientierung und Regeln als Voraussetzungen für eine funktionierende und freie Gesellschaft stehen zur Diskussion, fehlen oder werden missachtet. Das „Ich“ und nicht das „Wir“ steht im Vordergrund und beherrscht das Tun und Lassen der Generationen. Sollte die vielzitierte Spaltung der Gesellschaft ein Ergebnis der Postmoderne sein?
Nun ist die Postmoderne viel zu umfassend und vielschichtig, um sie hier ausführlich zu behandeln. Das postmoderne Denken hatte mit dem technischen Fortschritt auf digitalem Gebiet – Computer, Laptop, Smartphone und die millionenfache Nutzung der angeblich „sozialen“ Netzwerke – wiederum an Fahrt aufgenommen. Und diese Zeit wird in der Schau eben nicht behandelt. Sie endet mit 1992. Als sicher darf allerdings angenommen werden: in der Zeit der Postmoderne wurde ein Geist aus der besagten „Flasche“ gelassen, der noch nicht wieder eingefangen wurde.
Installlationsansicht Alles auf Einmal. Die Postmoderne, 1967-1992 Foto © rheinische ART. 2023 |
Doch wenden wir uns wieder der Ausstellung zu und lassen das Haus erneut zu Worte kommen: „Die Ausstellung erzählt von einer frenetischen Zeit, vom Beginn der Informationsgesellschaft, von der Entfesselung der Finanzmärkte, von der großen Zeit der Subkulturen, von Disco, Punk und Memphis-Style sowie vom Boom der Kulturtempel, dem die Ausstellung ihr größtes Exponat verdankt, die Bundeskunsthalle selbst.“ Diese wurde 1992 eröffnet.
Denise Scott Brown Las Vegas Style (1966) / „Ich bin König von allem, was ich überblicke“ / Denise Scott Brown parodiert Robert Moses auf dem Las Vegas Strip, 1966 © Courtesy of Venturi, Scott Brown, and Associates |
Ob Moderne oder Postmoderne, letztendlich ist alles eine Phase in der Gesellschaft, in der Menschheit. Auch über die Postmoderne darf gestritten werden. Ist sie vorbei? Befinden wir uns in der Phase der Post-Post-Moderne? Ist die Postmoderne nur rückblickend zu betrachten? Ist sie, wenn vergangen, gar altmodisch?
David Hockney Kerby (nach Hogarth) Nützliches Wissen, 1975, Öl auf Leinwand © David Hockney, Photo Credit: Prudence Cuming Associates, Collection Museum of Modern Art (MOMA), New York |
Wer sich für diese Fragen interessiert, dem ist der Katalog zur Ausstellung zu empfehlen. Die Beiträge sind vielstimmig, beschäftigen sich natürlich mit der Ästhetik, interpretieren die Postmoderne und klammern das Politische wie Gesellschaftliche mit ihren Auswirkungen bis in unsere heutige Zeit nicht aus.
Allerdings bleibt zu bemerken, dass man nicht mit allem einverstanden sein muss, was da geschrieben steht. Sind die Ausführungen Einzelmeinungen oder gesellschaftlicher Konsens? Die Frage möge jeder für sich beantworten.
Irmgard Ruhs-Woitschützke
Die Ausstellung „Alles auf Einmal. Die Postmoderne, 1967-1992“ ist bis zum 28.01.2024 zu sehen.
Kunst- und Ausstellungshalle
der Bundesrepublik Deutschland
Helmut-Kohl-Allee 4
53113 Bonn
Tel. 0228 / 9171-0
Öffnungszeiten
DI 10 - 19 Uhr
MI 10 - 21 Uhr
DO – SO und an Feiertagen 10 – 19 Uhr