rheinische ART
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rheinische ART 06/2023

Archiv 2023

KULTURDIFFERENZEN
Kartoffeln im ZEN-Garten?


Kann es einen stärkeren Gegensatz geben als jenen zwischen einer Kartoffelkiste und einen Reissack? Oder zwischen einem Kartoffelacker und einem traditionellen ZEN-Garten mit seiner trockenen und mininalistischen Fels-Kies-Ausstattung?

 

Traditioneller Kare-san-sui ZEN-Garten im Tofuku-Tempel in Kyoto. Foto © Wikipedia gemeinfrei

 

Ganz offensichtlich begegnen sich hier zwei Kulturen. Die Kartoffel ist, wer wüsste das nicht, Teil der Geschichte und Kultur des so genannten Westens. Der ZEN-Garten, in der Landessprache Kare-san-sui genannt, hingegen gehört zum Inselreich Japan, zum Osten.

 

Wenig Kalorien, viele Nährstoffe und ein guter Sattmacher: die Kartoffeln, Foto © Var entreprices.com

 

Die Beschreibung der Welt aus der Perspektive der kulturellen Differenz ist die zentrale Prämisse eines polnisch-japanischen Künstlerduos, das derzeit eine Ausstellung im Polnischen Institut in Düsseldorf zeigt. Die Schau wurde dort mit Blick auf den traditionellen Japantag in der Landeshauptstadt konzipiert.

     Der polnische Fotograf Sławomir Rumiak und die japanische Grafikdesignerin und Fotografin Kanon Myokoin arbeiten, wie es heißt, an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kultur. Wichtig seien für sie unter anderem die kulturellen Unterschiede in der Beschreibung der sich verändernden Welt, vor allem zwischen den so unterschiedlichen Kulturkreisen des Ostens und des Westens. Daher auch der verblüffende Titel der Ausstellung.

 

Sławomir Rumiak, Kanon Myokoin Inkarnationen. Ein amerikanischer Held, Mickey, gefunden in einem polnischen Wald, später zerfallend in unserem Atelier (Gattung: Brandkrustenpilz, Kretschmaria deusta); Holzkästen, Maße ca. 60×90 cm. Bildquelle © Polnisches Institut Düsseldorf 2023

 

Die Schau kreist um das japanische ZEN-Denken, dass seit geraumer Zeit im Zusammenhang mit dem wachsenden ökologischen Bewusstsein, der Abkehr vom Anthropozentrismus oder dem so genannten neuen Animismus Beachtung findet.
     Der Ausstellungstitel „Die Kartoffel im ZEN-Garten“ verweist auf mehrere Dinge. Der ZEN-Garten ist als meditativer Raum eine Manifestation komplexer geistiger Bedürfnisse. Die im 16. Jahrhundert aus Peru ins christliche Europa eingeführte Kartoffel markiert scheinbar den entgegengesetzten Pol.

 

Historische Darstellung der Solanun Tuberosum L.; Bildquelle © Wikipedia gemeinfrei; aus: Atlas des plantes de France 1891

 

Objekt von S. Rumiak, K. Myokoin, Wine. Post-market mimicry. Bildquelle © Polnisches Institut Düsseldorf 2023

 

Die Kartoffel war anfangs umstritten, weil sie nicht zur Gruppe der Samengewächse gehörte, die den Menschen laut Bibel von Gott zur Speise gegeben worden waren (Genesis 1:29-30). In Deutschland betrachtete man sie als Schweinefutter und in Frankreich wurde ihr Anbau im 18. Jahrhundert sogar vom Parlament verboten, weil man überzeugt war, sie rufe Lepra hervor.

     Rehabilitiert und populär wurde die Kartoffel bei uns erst, als man sie zur Bekämpfung des um sich greifenden Hungers in der Gesellschaft einsetzte. Unvergessen ist da der sogenannte „Kartoffelbefehl“ Friedrich II., der 1756 durch seine Pastoren, die wenig schmeichelhaft „Knollenprediger“ gerufen wurden, den Anbau des „Erdapfels“ zur Hungerlinderung in Pommern und Schlesien erzwang.

 

In Ostasien dagegen war das Gewächs nie derart protegiert worden. Ein Anbau im ZEN-Garten kann als Fremdkörper verstanden werden, als ZEN-Mutation an der Schnittstelle der Kulturen.

     Inspirationsquelle, so ist in der Ausstellung zu erfahren, sei auch hier das Verständnis von ZEN, das über den japanischen Buchautor Daisetsu Teitaro Suzuki (1870-1966) und den US-amerikanischen Komponisten und Künstler John Milton Cage (1912-1992) in die westliche Kultur Eingang fand und die dynamische Entwicklung der Avantgardekunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mitprägte.

     Ihre Inspiration bezieht das Künstlerteam Rumiak/ Myokoin aus Technologie und Wissenschaft, insbesondere aus den sich in den letzten Jahren schnell entwickelnden biologischen Bereichen. Doch vor allem interessieren sie die sich im Kontext der Interpretation von Daten herausbildenden kulturellen Phänomene – somit jede Art von Manipulation, Verschwörungstheorien, mystische Narration und politische Propaganda.
rART/ cpw

 

 Suzuki war Autor und Übersetzer von zahlreichen Werken über den ZEN-Buddhismus. Durch seinen Austausch mit westlichen Literatur-, Kunst- und Wissenschaftsvertretern gilt er als Begründer eines globalen modernistischen ZEN-Buddhismus.
 Kartoffeln gelten weltweit als eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Regional und mundartlich auch Erdapfel, Knulle, Grumbeere/ Grumbiere genannt, ist sie die unterirdische Knolle, mit denen die Pflanze sich vegetativ vermehrt. Das lateinischen Wort terrae tuber („Erdknolle“) ist der ursprüngliche Namensgeber. 
 

Die Ausstellung Sławomir Rumiak, Kanon Myokoin DIE KARTOFFEL IM ZEN-GARTEN kann bis zum 18. August 2023 besucht werden.

Polnisches Institut Düsseldorf
Galerie
Citadellstr. 7
40213 Düsseldorf
Tel 0211 - 866960
Öffnungszeiten:
Di – Fr 11 – 17 Uhr

 

 

 

 

 

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