rheinische ART
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rheinische ART 06/2016

Archiv 2016

GLAS-GESCHICHTE
Zerbrechlicher Luxus

 

Glas – der älteste Kunststoff der Welt – hat in Köln eine zweitausendjährige Tradition. Mehr als 4.000 vollständige Exemplare umfasst die weltweit größte Sammlung römischer und fränkischer Glasgefäße im Römisch-Germanischen Museum Köln. Diese Kollektion erweitert sich durch Ausgrabungen im Kölner Stadtgebiet Jahr für Jahr. Teile der Sammlung sind nun im Haus zu sehen.

 

Die gläsernen Schuhe, ein Paar besonderer Salbgefäße. Aus Köln, Severninstraße. Ende 2./Anfang 3. Jahrhundert n. Chr. © Römisch-Germanisches Museum/ Rheinisches Bildarchiv Köln

 

Mit rund 400 ausgestellten Objekten wird ein einzigartiger Querschnitt durch fast eintausend Jahre antiker Kunstfertigkeit geboten. Ergänzt wird der Museumsbestand durch wertvolle Leihgaben aus Nimwegen, Trier, Bonn und Krefeld.
     Die Schau spannt einen Bogen aus der Zeit um Christi Geburt bis zum 7. Jahrhundert. Viele Exponate sind als Neufunde erstmals zu sehen, so ein 2001 in der Kölner Eintrachtstraße gefundener Schneckenbecher, dessen Zusammensetzung aus den unzähligen Einzelstücken erst vor wenigen Monaten abgeschlossen wurde. Der Becher beeindruckt durch sein zeitloses, geradezu modernes Design. Ebenfalls einen neuen Eindruck vermitteln die Gegenstände, zum Teil ebenfalls aus Glas, die 1960 zusammen mit dem legendären Kölner Diatretbecher zu Tage kamen.

 

Salbgefäß in Form eines Schweinchens aus blauem Glas – Schöpfung eines kreativen römischen Glaskünstlers. © Römisch-Germanisches Museum/ Rheinisches Bildarchiv Köln, Anja Wegner

 

Geschichte Geschäftstüchtige Händler kamen schon bald nach Gründung der Stadt in den Jahren kurz vor Christi Geburt ins Rheinland, um anspruchsvollen Kunden ihr ebenso zerbrechliches wie kostbares Gut anzubieten. Den Händlern folgten spezialisierte Handwerker und die zugewanderten Glasmacher aus dem Mittelmeerraum produzierten in der Colonia seit Mitte des 1. Jahrhunderts zunächst Gefäße aus importierten Rohglasbarren. Doch schon bald erkannte man, dass die beispielsweise bei Frechen vorkommenden reinen Sande hervorragend zur Herstellung von Glasgefäßen geeignet waren.
     Die feuergefährlichen Glashütten siedelten die Römer außerhalb der Stadtmauern an. Anfangs fertigten die Kölner Werkstätten einfache blaugrüne Glasgefäße, doch erweiterten sie bald ihr Repertoire: Weinkrüge, die Fässer nachbilden, Salbfläschchen in Form von Muscheln oder Trauben oder gar ein die Panflöte spielender Affe. Die mit farbigen Glasfäden dekorierten Schlangenfadengefäße zählen ebenso zu den „Kölner Produkten“ wie die durch die leuchtenden Glastropfen charakterisierten Nuppengläser.

 

Muschel- und Traubenflaschen wurden in der Antike meist paarweise in die Gräber gestellt. 3. Jahrhundert n. Chr. © Römisch-Germanisches Museum/ Rheinisches Bildarchiv Köln, Anja Wegner 

 

Höchste Geschicklichkeit, Sorgfalt und Geduld war für Emailmalerei auf Glas erforderlich – der Pokal mit Szenen des Achillesmythos ist ein Beleg vollendeter Kunstfertigkeit. Gleiches trifft auf die an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert geschaffenen Schalen mit Schliffdekor zu. Jagdszenen, mythologische und christliche Darstellungen waren auf den hochwertigen Produkten eines Glasateliers zu finden, das seine Luxusgüter wohl auf Bestellung seiner vermögenden Kundschaft herstellte.

 

Kölner Diatret Glas, um 330-340 n.Chr., © Römisch-Germanisches Museum/ Rheinisches Bildarchiv Köln

 

Diatret Auch das kostbarste Glas des Römisch-Germanischen Museums ist ein Kölner Bodenfund: Das weltweit einzige dreifarbige Netzglas, das Kölner Diatret, erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens und fordert in purpurroten Lettern auf: „Trinke und lebe schön immerdar!“

     Lange vermutete die Forschung, dass die Stadt im Frühmittelalter brach fiel und an Wohlstand nicht mehr zu denken war. Untersuchungen der vergangenen zwei Jahrzehnte beweisen jedoch die dauernde urbane Kontinuität der Colonia am Übergang von der Antike zum Mittelalter. Ausgrabungen zeigen, dass Glas auch im frühen Mittelalter gefragter Luxus war. Produziert wurde zunächst nach fast unveränderten römischen Rezepturen, nun aber inmitten der Handwerker- und Händlersiedlung am Platz der Kölner Altstadt. Das Formspektrum passte sich dem Geschmack der neuen Zeit und den neuen Bewohnern der Stadt an, in der seit der Mitte des 5. Jahrhunderts die Franken den Ton angaben. An die Stelle römischer Formvielfalt traten einfache Schalen und Becher.
     Doch die Ausstellung berichtet nicht nur von der Formenvielfalt und der Kunstfertigkeit römischer und frühmittelalterlicher Glashandwerker. Sie zeigt Glas auch im Kontext römischer und fränkischer Bestattungssitten und Glaubensvorstellungen. Denn dass die hochempfindlichen Gläser der Antike unversehrt Jahrtausende überstanden haben, ist vor allem dem Brauch zu verdanken, Verstorbenen Glasgefäße mit ins Grab zu geben.
rART

 

Die Ausstellung „Zerbrechlicher Luxus“ ist bis zum 13. November 2016 zu sehen.

(Neuss, 07.11.2016: Fast 80.000 Besucher haben sich die Ausstellung bereits angesehen. Aufgrund der großen Resonanz wird die Schau bis zum 26. März 2017 verlängert.)

Römisch-Germanisches Museum (RGM)
Roncalliplatz 4
50667 Köln
Tel. 0221 / 22124438
Öffnungszeiten
DI – SO 10 – 17 Uhr
MO geschlossen

 

 

 

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