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rheinische ART 09/2016

Archiv 2016

ARCHITEKTUR UND GESELLSCHAFT

Alle wollen wohnen


Wie werden die Menschen künftig wohnen und welche Bedeutung hat der Wohnungsbau für die Gesellschaft? In Köln zeigt eine Ausstellung des Museum für Architektur und Ingenieurwissenschaften M:AI vor dem Hintergrund des Wohnungsmangels, wie sozialer und bezahlbarer Wohnungsbau aussehen kann.


 

Die Ausstellung "Alle wollen wohnen. Gerecht. Sozial. Bezahlbar." Blick in das Themenhaus „Die Akteure“. Foto © M:AI 2016 Claudia Dreysse

 

Alle wollen und müssen wohnen. Nach Jahren eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes suchen Tausende in den Ballungsräumen nach „bezahlbarem“ Wohnraum - vergeblich! Das Gespenst der Wohnungsnot ist längst da, und es wird sich in den kommenden Jahren auch kaum verflüchtigen.

 
Eine Marktanalyse von Allianz/Prognos geht davon aus, dass sich die angespannte Lage künftig noch verschärfen wird. Als entscheidenden Treiber sehen die Analysten die Binnenwanderung, die sich auf die Metropolregionen und urbanen Räume konzentriere. Sie werde durch die Zuwanderung aus dem Ausland verstärkt. Erst um 2045  könnte sich die Wohnraum-Nachfrage abschwächen, sofern die zwischenzeitliche Bautätigkeit nicht nachlasse. Das ist allerdings noch lange hin!

 

Clouthquartier in Köln. Fertiggestellte Wohnungen im Baufeld WA 8 für die Wohnungsgesellschaft der Stadtwerke Köln GmbH (WSK), Foto © Lorber Paul Architekten, Köln 2016

 

Auf dem Areal der ehemaligen Gummiwerke Clouth, dem derzeit größten Wohnungs-Neubaugebiet der Stadt Köln, präsentiert das mobile „Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW“ (M:AI) die Ausstellung „Alle wollen wohnen. Gerecht. Sozial. Bezahlbar“.

     Die Exposition veranschaulicht, was das Wohnen und seine bauliche Gestalt bestimmen sowie wer und welche Faktoren den Wohnungsbau beeinflussen. Der Ausstellungsort ist gut gewählt, denn auf den Clouth´schen Flächen wird aktuell sowohl geförderter als auch frei finanzierter Wohnungsbau realisiert. Und dies in einer interessanten Mischung aus Geschosswohnungsbau, Reihenhäusern und umgenutzter Industriearchitektur.

     „Wir freuen uns sehr über das große Interesse ... Das zeigt auch, dass das Thema bezahlbares Wohnen und damit die Ausstellung zur richtigen Zeit am richtigen Ort stattfindet“, sagte Ursula Kleefisch-Jobst, Geschäftsführende Kuratorin des M:AI, zur Eröffnung. NRW-Bauminister Michael Groschek betonte, dass die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eine anspruchsvolle Aufgabe der Gemeinschaft sei: „Sie hat an Rhein und Ruhr und darüber hinaus eine lange Tradition.“


Die Knappheit bei den Wohnungen ist längst kein neues Phänomen und die Gründe sind vielfältig. Im Wesentlichen sind es der gesunkene Bestand im sozialen Wohnungsbau, die gestiegenen Standards und Baukosten und die Tatsache, dass Grundstücke ein rares Gut sind – insbesondere in den Städten, in die es die Menschen zieht.

     Hinzu kommt: Heute beansprucht jeder Bewohner fast vier Mal so viel Wohnfläche wie vor hundert Jahren. Ferner, so zeigt die Ausstellung, rücken im Zeitalter der Digitalisierung Arbeiten und Wohnen wieder enger zusammen, veränderte Familienstrukturen und neue Lebensstile erfordern daher andere Wohnlösungen. 

 

Blick in die Ausstellung Fünf Häuser – fünf Themen. Im Bild: gelb ist der Informationskubus "Das Haus" (Wohnungsbau-Typologie), orange "Wohngebiete" und blau "Die Akteure" (Bauherren, Architekten u.a.) Foto © M:AI Köln 2016, Claudia Dreysse

 

Die Schau ist anregend kuratiert. In der Ausstellungshalle stehen fünf aus der Form gedrehte und miteinander verbundene Häuser, unterschiedlich designt und inhaltlich thematisch orientiert. Sie informieren über Themen wie das Wohnen im gesellschaftlichen Wandel, die Akteure des Bauens oder Wohngebiete und Großsiedlungen. Gezeigt werden auch Beispiele von neuen Konzepten und Projekten wie das Mehrgenerationen-Projekt Pöstenhof in Lemgo, die preiswerten Stadthäuser in Amsterdam oder neue Cluster-Typologien bei Wohnhäusern auf dem Ex-Industriegebiet Zwicky bei Zürich.

 

Blick in die Ausstellung Thema "Recht auf Wohnen". Foto © M:AI Köln 2016, Claudia Dreysse

 

Interessant ist auch der Blick zurück auf die Geschichte des sozialen und geförderten Wohnungsbaus, denn sie ist in Deutschland in großen Teilen eine „Erfolgsgeschichte“. Staatliche Förderprogramme für den sozialen Wohnungsbau wurden bereits in der Weimarer Republik aufgelegt. Es war der Start in den Massenwohnungsbau, der auch heute wieder gefragt ist.

     Manche „neu“ anmutenden Konzepte haben bereits die Reformarchitekten um 1900 wie Martin Wagner, die Gebrüder Bruno und Max Taut und Ernst May diskutiert und umgesetzt.

     Erinnert sei hier etwa stellvertretend an die Berliner Wohnanlagen von Bruno Taut (mehr), wie „Hufeisensiedlung“, „Wohnstadt Carl Legien“ oder „Schillerpark“ in Wedding. Derartige Wohnkomplexe aus den 1920er- und 1930er Jahren, aber auch die umstrittenen nach 1945, bergen ein vielfältiges Potenzial. Sie bilden heute eine wichtige Grundlage zur Lösung der drängenden Wohnungsfragen.

 

Ausstellungseröffnung Innenansicht des Themenhauses „Küche. Diele. Bad". Auch das Wohnen unterliegt dem gesellschaftlichen Wandel. Geänderte Lebensstile erfordern neue Wohnungsformen. Foto © M:AI 2016 Claudia Dreysse

 

Was derzeit und in den kommenden drei Jahrzehnten benötigt wird, macht die Schau klar: Stadtquartiere und Wohnviertel, die ein selbstbestimmtes Leben in allen Lebensphasen ermöglichen, die Wohnen und Arbeiten besser vereinen und Zugang zu Bildung und Freizeitangeboten eröffnen. Die neuen Lebensstile erfordern heute flexiblere Lösungen als das althergebrachte Standardmuster „Küche. Diele. Bad“, betonen die Kuratoren. Es gehe dabei nicht allein um gelungene städtebauliche Lösungen und leistbare Wohnarchitektur von hoher Qualität. Die Wohnungsfrage, so die M:AI-Schau, sei eine drängende soziale Frage, deren Beantwortung entscheidend zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beiträgt.

rART/cpw


 Das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW (M:AI), gegründet 2005, ist nach eigenen Angaben immer vor Ort, aber nie am selben. Wie kann das sein? Das M:AI ist ein mobiles Museum und hat keine eigenen Schauräume. Es widmet sich aktuellen baukulturellen Themen und fokussiert diese auf Ausstellungen. Oft finden die Präsentationen in Gebäuden statt, die eng mit dem Thema verbunden sind. In dieser Rolle mutiert der Ausstellungsort selbst zum anschaulichsten und größten Exponat der Architekturschau, was auch auf dem Kölner Clouth-Gelände erfahrbar ist.

 

► Die Projekte des M:AI sind Teil der Landesinitiative StadtBauKultur NRW 2020

 

Zur der Marktanalyse "Wohnen in Deutschland 2045" von Allianz/Prognos gelangen Sie hier (mehr)


Die Ausstellung „Alle wollen wohnen. Gerecht. Sozial. Bezahlbar“ wird bis zum 30. Oktober 2016 gezeigt.
Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW (M:AI)
Clouth-Gelände
Xantener Str.
50733 Köln-Nippes

Tel. 0209 / 925780
Öffnungszeiten
DI, MI, FR, SA, SO 11 - 18 Uhr
DO 11 - 19 Uhr

 

 

 

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