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rheinische ART 03/2016

Archiv 2016

NEAT-SONDERAUSSTELLUNG

Triumpf der Mineure


Nur noch zwei Monate, dann feiert die Schweiz ein Jahrhundertereignis. Am 1. Juni 2016 geht mit dem Gotthard-Basistunnel der längste Eisenbahntunnel der Welt in Betrieb. Eine Sonderausstellung in Luzern widmet sich dem „bahnbrechenden“ Bauwerk.

 

Tunnelblick Als Flachbahn mit weniger Steigungen und Gefällen ergänzt der Gotthard-Basistunnel die bestehenden Bergstrecken und ermöglicht im Reiseverkehr Geschwindigkeiten bis zu 200 km/h und den Einsatz von schweren Güterzügen. Foto © Schweizerische Bundesbahn/ SBB 2016

 

„NEAT-Tor zum Süden“ heißt die Schau im Verkehrshaus Luzern, einem technischen Spezialmuseum für Mobilität aller Art.

     NEAT steht für „Neue Eisenbahn-Alpentransversale“ und umfasst den neuen prominenten Gotthard-Basistunnel sowie die Bahntunnel von Lötschberg und Monte Ceneri. Letztere stehen im Röhren-Hype mehr oder weniger im Hintergrund, sie werden aber konsequenterweise in der Luzerner Ausstellung gebührend gewürdigt.

 

Der wahre Star der Exposition ist verständlicherweise das Mammutbauwerk am Gotthard. Mit zwei Einspur-Röhren von 57 Kilometern Länge ist der Gotthard-Basistunnel nicht nur der längste, sondern auch der tiefste bisher gebaute Eisenbahntunnel der Welt. Denn die Felsüberlagerung beträgt im Extremfall 2.300 Meter. In beiden Aspekten übertrifft das Schweizer Bauwerk den Eisenbahn-Kanaltunnel zwischen Großbritannien und Frankreich.

 

Der neue Gotthardtunnel ist mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt und bildet das Herzstück der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale NEAT. Es ist eine Hochgeschwindigkeitsstrecke für bis zu 250 Züge täglich. Foto © Schweizerische Bundesbahn/ SBB 2016

 

Die Route über den Gotthard ist seit Alters her ein vielgenutzter Handelsweg, vor allem weil sie auch die kürzeste Strecke von der Alpennordseite in den Süden darstellt. Mit der Eröffnung des ersten Gotthard-Eisenbahntunnels 1882, ein hoch gelegener, 15 Kilometer langer Scheiteltunnel, brach für den Transitverkehr eine neue Ära an. Und nun, 134 Jahre später, findet mit der Inbetriebnahme des Basistunnels wiederum eine bahntechnische Revolution statt.

     Die technisch und logistisch brillante Unterquerung des Gotthardmassivs an seinem Fuß - daher Basistunnel - ist ein hochspannendes Kapitel in der mythenumrankten Geschichte des Bergblocks in der Zentralschweiz und eine Spitzenleistung der Mineure. Der verkehrstechnische Kraftakt stellt, daran ist nicht zu zweifeln, eines der wichtigsten Verkehrsprojekte in ganz Europa dar. Die Aufnahme des fahrplanmäßigen Betriebs durch die Schweizerische Bundesbahn (SBB) ist für den Dezember des Jahres vorgesehen.

 

 

Verkehrsboom Im Personenverkehr erwartet die SBB bis 2025 eine Verdoppelung der Nachfrage auf der Nord-Süd-Achse. Für den Güterverkehr bringt der neue Gotthardtunnel mehr Kapazität, schnellere Verbindungen und höhere Zuverlässigkeit. Mit dem Ceneri-Tunnel und dem 4-Meter-Korridor steigt die Wettbewerbsfähigkeit auf der Nord-Süd-Achse für die Schiene gegenüber der Straße deutlich. Foto © Schweizerische Bundesbahn/ SBB 2016

 

Für die SBB ist die Eröffnung ein Meilenstein. Verbindet die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) die Menschen im Norden und Süden des Landes und auch die der EU-Länder wesentlich schneller, zuverlässiger und sicherer. Für den Nord-Süd-Handel zeichnen sich durch die modernen und extrem schnellen Transitverkehre neue, gewaltige Potenziale ab. Vor allem in Form einer Verlagerung vom Straßenverkehr auf die Schiene.

     Denn schon jetzt werden über die Gotthard-Route jährlich Millionen Tonnen Güter bewegt: Vom Benelux-Raum, der Rheinschiene und dem Ruhrgebiet oder Hessen und Baden-Württemberg in Richtung Lombardei, Piemont oder Emilia-Romagna. Tendenz: beständig steigend! Was nicht per Bahn oder Lkw über die österreichisch-italienische Brenner-Route oder andere Trassen verfrachtet wird, nimmt noch bis Dezember seinen Weg über den hochfrequentierten alten Gotthard-Bahntunnel oder den zeitweise völlig überlasteten Gotthard-Straßentunnel.

 

Blick in die Ausstellung Das 57 Meter lange Relief des Gotthardmassivs in der Schienenhalle des Museums. Foto © Verkehrshaus der Schweiz Luzern 2016

 

Die neuen Doppelröhren zwischen Erstfeld (Kanton Uri) und Bodio (Kanton Tessin) lassen im Personenverkehr ein Fahrtempo bis zu 200 km/h zu, sind elektronisch auf der Höhe der Zeit und umweltfreundlicher, wie das SBB-Tochterunternehmen AlpTransit AG erklärt. Innerschweizer Zeiteinsparungen von bis zu einer Stunde sind zu erwarten. Die Transportleistung der Güterzüge soll künftige bei 40 Millionen Tonnen pro Jahr liegen.

 

Bohrkopf „Sissi“ der Tunnelbohrmaschine im Freigelände des Luzerner Verkehrshauses. Das Exponat war rund drei Jahre auf dem Streckenabschnitt Faido - Sedrun unterwegs. Die riesige Maschine presste 66 Rollenmeissel mit bis zu 26 Tonnen auf den Fels. Foto © Verkehrshaus der Schweiz Luzern 2016

 

Die Ausstellung greift alle Aspekte des gigantischen Bauprojektes auf und erklärt Infrastruktur, Geologie, Bau- und Betriebstechnik. Einen geradezu einzigartigen Blickfang bildet ein 15 Meter langer, nachgebildeter Tunnelabschnitt in Originalgröße im Innenhof des Museums. Er ist, wie das Verkehrshaus mitteilt, mit allen technischen Einrichtungen wie im Original ausgestattet. Ein Tunnel zum Begehen! Ein weiteres Tunnel-Modell von 57 Metern Länge im Maßstab 1:1000 ermöglicht einen sehr anschaulichen Eindruck von der Dimension des Gebirgsprofils, durch das sich die Tunnelbohrer gut 12 Jahre graben mussten.

     Bereits seit Juni 2012 können sich Besucher des Verkehrshauses ein Bild davon machen, mit welchem gewaltigen technischen Gerät dem Gebirgsmassiv zu Leibe gerückt wurde: Ein 225 Tonnen schwerer Tunnelbohrkopf mit dem romantischen Name „Sissi“ ist eines der Exponate in Luzern.

     2010 war das entscheidende Jahr in der Tunnelhistorie, als der Durchstich in der Oströhre gelang. Dieser entscheidende Moment hatte, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) seinerzeit befand, für die Schweiz eine hohe symbolische Bedeutung. Der gesamt Tunnel sei für die Eidgenossen nämlich ein ähnlich revolutionärer Akt, „wie es für Amerika die Landung auf dem Mond war“, befand das Blatt.
Claus P. Woitschützke


Die Ausstellung „NEAT – Tor zum Süden“ wird bis zum 23. Oktober 2016 dauern.
Verkehrshaus der Schweiz
Lidostrasse 5
6006 Luzern
+41 (0)41 370 44 44
Öffnungszeiten
Täglich 10 - 18 Uhr