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rheinische ART 10/2016

Archiv 2016

PICASSO RESTITUTION?

Die 100-Millionen-Dollar-Klage

 

Im Bestand des New Yorker Metropolitan Museum of Art ist Picassos Gemälde „Der Schauspieler” eines der wertvollsten Stücke. Jetzt hat eine Erbengemeinschaft Klage auf Restitution eingereicht. Interessant: Vor 100 Jahren hing der Picasso in einem Esszimmer im Kölner Stadtteil Lindenthal.

 

Pablo Picasso Der Schauspieler (1904-1905) oil on canvas, 196,2 x 115,3 cm, Gift of Thelma Chrysler Foy 1952, Foto © Metropolitan Museum of Art, New York, 2016, Nachlass von Pablo Picasso/Künstler Rights Society (ARS), New York.

 

Auf spektakuläre 100 Millionen US-Dollar beläuft sich die Schätzung für das Kunstwerk, das aus den Jahren 1904/1905 stammt. Pablo Picasso schuf es in seiner Übergangsphase von der blauen in die rosa Periode (mehr).

     Es zeigt einen langgliedrigen jungen Mann, stilistisch fast einer El Greco-Figur ähnelnd, mit einer affektiert wirkenden Geste. Seit 1952 hängt es als Spitzenstück im New Yorker Metropolitan Museum.


Über ein Vierteljahrhundert war der Picasso im Eigentum des jüdischen Ehepaares Alice und Paul Leffmann. Der Kölner Bankier und Industrielle, der unter anderem an den Atlantik Gummiwerken Aloys Weyers KG in Köln-Braunsfeld beteiligt war, hatte das frühe Meisterwerk des Spaniers um 1910 in Paris erworben, da war der Maler noch keine dreißig Jahre alt.


Kunstkäufe in Paris waren für vermögende, genußfreudige und großstädtisch lebende Deutsche damals nicht ungewöhnlich. Diese gerne der sogenannten „jeunesse dorée“ zugeordneten Jungen - aber auch ältere Semester - aus Berlin, Breslau, München, Köln oder sonst wo erstanden in der Seine-Metropole günstig die gerade aufkommende Kunst der Moderne, etwa von Picasso oder Matisse. Die deutschen Käufer gehörten damals zu den mutigsten Kunstsammlern der Zeit und stellten ihre Schätze auch gerne aus.

     So wurde der erste Picasso 1911 in einer öffentlichen deutschen Sammlung in Wuppertal-Elberfeld (mehr) gezeigt. Leffmanns „Der Schauspieler“ war ein Jahr später zu sehen, und zwar auf der berühmten Sonderbund-Ausstellung in Köln im Ausstellungshaus am Aachener Tor (mehr). Dort hatte der Düsseldorfer Galerist und Mitorganisator Alfred Flechtheim (mehr) im achten Saal 16 Werke von Pablo Picasso versammelt. Nach dieser Schau lieh Leffmann das Kunstwerk bis 1929 immer wieder für weitere Expositionen in Deutschland aus.


Das Ehepaar Leffmann lebte in einer Villa in der Kölner Haydnstraße, die von dem damals noch jungen Architekten Bruno Taut entworfen worden war. Das Berliner Architekturbüro von Taut & Hoffmann war in jenen Jahren eines der erfolgreichsten Baubüros in Deutschland. Die Leffmann-Villa galt als modernes Gebäude und sorgte durch Veröffentlichungen in der Kunst- und Architekturfachpresse, die sich auch mit dem Picasso-Werk in seinem Esszimmer befassten, für Aufsehen.

 

Das Metropolitan Museum of Art an der Fifth Avenue in New York, Eingangsbereich. Fotoquelle Wikipedia 2016

 

Die Leffmann-Nachkommen unter Federführung der Urgroßnichte Laurel Zuckerman aus Paris haben nun das New Yorker Metropolitan Museum auf Rückgabe des Kunstwerkes verklagt.

     Sie machen geltend, dass ihre Vorfahren gezwungen waren, das Kölner Haus, weitere Immobilien und die Firmenbeteiligungen im Zuge von „Arisierungen“ zu verkaufen, um aus Nazi-Deutschland fliehen zu können – also eine verfolgungsbedingte Veräußerung erfolgt war. Den Picasso hatte Paul Leffmann bereits 1932 in die Schweiz verbracht und dort deponiert.

     Sechs Jahre später verkaufte er das Gemälde für 12.000 Dollar an die Pariser Kunsthändler Hugo Perls und Paul Rosenberg, letzterer Picassos Galerist. Der Oberschlesier Hugo Perls war vor den NS-Machthabern nach Paris emigriert. Er war ehemals Jurist im deutschen Außenministerium, Kunstsammler - vor allem von Munch-Werken - und Mäzen; ab 1941 gehörte er dem Emercency Rescue Committee an, einer Emigrantenorganisation, die deutschen und österreichischen Juden zur Flucht in die USA verhalf. Mit dem Verkaufserlös aus dem Picasso-Gemälde konnte das Ehepaar Leffmann von Italien aus in die Schweiz reisen und später nach Brasilien fliehen. Ein Verkauf also, wie es in der Klage heißt, dem der Makel einer Zwangshandlung kaum abzusprechen sei.


„Der Schauspieler“ wurde von Hugo Perls in die USA verbracht und an das MoMA ausgeliehen. Ein Verkauf an den Automobilerben Walter P. Chrysler Junior scheiterte. 1940 erwarb die bedeutende und traditionsreiche New Yorker Kunstgalerie Knoedler (1846-2011) das Gemälde, die es alsbald an die Chrysler-Schwester Thelma Chrysler Foy weiterreichte, für 22.500 Dollar. Die Käuferin stiftete den „Schauspieler“ im Jahre 1952 dem Metropolitan Museum.


Über die Provenienz
dieses Kunstwerkes und vieler anderer, ob gestohlen, geraubt, erpresst oder weit unter Preis aus Not verkauft (mehr) - so die Kläger heute - herrschte damals allgemein durchaus Klarheit. Somit hätte das berühmte Metropolitan Museum die Schenkung nie annehmen dürfen, wie es weiter in der Forderung der Erben heißt.

     Über dem Gerichtsstreit schwebt wie in vergleichbaren Fällen die „Washingtoner Erklärung“ von 1998. Sie empfiehlt bei derartigen juristischen Gefechten, eine „faire und gerechte“ Lösung zu finden. Zwei Beispiele aus dem rheinischen Raum lassen erkennen, wie es gehen kann. 2012 einigte sich das Bonner Kunstmuseum gütlich mit den Flechtheim-Erben über das Seehaus-Gemälde „Leuchtturm mit rotierenden Strahlen“ (mehr). Zwei Jahre später kam es im Restitutionsfall „Schadow-Selbstbildnis“ des Galeristen Max Stern in Düsseldorf ebenfalls zu einer zufriedenstellenden Lösung (mehr).
rART/cpw


 Alice Leffmann (1877-1966), geborene Brandenstein, und Paul Leffmann (1870-1956) kehrten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Europa zurück. Sie ließen sich in der Schweiz nieder. Jahrelang stellten sie Anträge auf Wiedergutmachung und Hilfsersuchen an öffentliche Stellen. Für den Verlust ihres Hausrates wurden sie entschädigt. Von einem Picasso-Bild war in den Antragstellungen nach heutiger Kenntnis allerdings an keiner Stelle die Rede.


► Das erste öffentlich ausgestellt Picasso-Werk in Deutschland war die Gouache "Zwei Harlekine" (1905) im Elberfelder Städtischen Museum 1911. Es stammte aus dem Besitz des Bankiers und Kunstsammlers August von der Heydt. Bereits im Dezember 1907 war ein Picasso-Bild in der privaten Berliner Kunsthandlung von Eduard Schulte gezeigt worden. Der Galerist Schulte hatte zuvor in Düsseldorf einen Kunsthandel betrieben. Er vermarktete in Berlin auch Arbeiten der Düsseldorfer Malerschule.

 

 

 

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