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rheinische ART 09/2016

Archiv 2016

KARL SCHENKER

Female Chic 

 

Seine eleganten Bildnisse schöner Frauen sind dem Kunstliebhaber durchaus bekannt. Rufen sie doch immer wieder in einer Art Glamour Galerie die mondäne und heute fast verklärte Welt der "Goldenen Zwanzigerjahre" in Erinnerung. Ihr Schöpfer, der einst berühmte Society-Porträtist Karl Schenker, bleibt dagegen meist im Hintergrund.

 

Karl Schenker Dorothy Knapp (Ausschnitt), um 1927, Reproduktion, Original verschollen. Foto © Museum Ludwig Köln 2016. Dorothy Knapp (1907-1986) war Schauspielerin und Tänzerin bei den legendären Ziegfeld Follies am New Yorker Broadway 1924/1925. Die Brünette wurde zeitweise als schönstes Revuegirl („The American Venus“) tituliert. Ziegfeld Follies galten als amerikanisches Pendant zum Pariser Varietétheater und Kabarett Folies Bergère.

 

Dabei gehörte der aus der Bukowina stammende Karl Schenker (1886-1954), der sich in seiner Wahlheimat Berlin sehr wohl zu inszenieren wusste, zu den wahrlich Großen der deutschen Fotografenzunft.

     Jetzt zeigt eine Ausstellung des Kölner Museum Ludwig eine Auswahl seiner glamourösen Frauen-Fotografien. „Master of Beauty“, so nennt sich die Schau, rückt den fast vergessenen „Meister der Schönheit“, der auch ein Meister der Maskerade war, erneut ins Bewusstsein der Kunstwelt.

 

Karl Schenker Damenbildnis, um 1920, © Museum Ludwig Köln 2016. Foto: Rheinisches Bildarchiv

 

Karl Schenker Damenbildnis, um 1920 © Museum Ludwig Köln 2016. Foto: Rheinisches Bildarchiv

 

Bislang gab es nur wenige Präsentationen mit Werken des Künstlerfotografen. Eine Ausstellung 2014 in der Galerie Lardon in Ahrenshoop zeigte seine Porträt-Studien aus der Sammlung Ullstein Bild Berlin.

     Internationale Aufmerksamkeit erzielten Schenkers berühmte Puppenfotografien, als die hochgehandelte New Yorker Allround-Künstlerin und Fotografin Cindy Sherman (*1954) eine Auswahl davon auf der Biennale in Venedig 2013 kuratierte.

     Es war eine Spezialität des Berliner Fotografen, Puppen täuschend menschenecht für Modefotos einzusetzen. Ob nun Kunst- oder Echtfigur: Schenkers Frauen auf den schwarz-weißen Fotos umweht stets der zeitlose Appeal ungeheurer Eleganz, eine Art subtile Erotik und Grazie in Ausdruck in Haltung.


Wo sich Glamour, Schöne und Chic ein Stelldichein geben, halten sich wie selbstverständlich auch die Vertreter des fotografischen Berufsstandes auf. Das war in der damaligen Weltmetropole Berlin in den Zehner- und Zwanzigerjahren nicht anders - und der eine oder andere Fotograf wurde dabei zum Mode-Dokumentar und Chronisten seiner Zeit, die entstandenen Fotowerke zu Galionsfiguren der Branche.


Karl Schenker war Maler und Fotograf - oder Fotograf und Maler? Wie man will. Auf jeden Fall beherrschte er beide Metiers in großartiger Weise. Der gebürtige Kölner Kunstkritiker und Journalist Max Osborn befand schon 1924: So könne „nur einer der Kamera sich bedienen, der selbst auch ein heimlicher Maler“ sei.

     Als Fotograf, aber eben auch als Zeichner, Maler und zeitweilig Bildhauer, galt Schenkers Schaffen vor allem der Herstellung schöner Frauenporträts. Für den Kunstkritiker Osborn war Schenker „…der geborene Photograph für die Angehörigen einer verfeinerten, gepflegten Gesellschaftsschicht – und zumal der geborene Photograph für die Frauen dieser Sphäre“.

 

Karl Schenker Modefotografie: Zwei Frauen in weißen Badeanzügen auf einem Sprungbrett, 1934 Foto © Ullstein Bild

 

Das edle Kunsthandwerk der Photographie (Osborn) beherrschte Karl Schenker ohne Frage brillant; er konnte die zauber- und traumhaften Frauenbildnisse allerdings auch nicht ohne die eine oder andere Manipulation erzeugen. Zu Hilfe kamen ihm dabei sämtliche Mittel der Fotoretusche, aber sicher auch die aufkommende Kosmetikindustrie und manchmal wohl auch die ebenfalls junge Schönheitschirurgie, deren Institute in unmittelbarer Nähe von Schenkers Berliner Atelier am Kurfürstendamm für Nasenkorrekturen und Face-Liftings warben.

     Vor allem die weiblichen Modelle gerieten so zur formbaren Materie – und das oberste Gebot lautete bei Schenker schlicht: Schönheit.

 

Karl Schenker Lotte Neumann, um 1920 (Starpostkarte) Foto © Museum Ludwig Köln 2016.

Die Berlinerin Lotte Neumann (1896-1977) war populäre Filmschauspielerin und -produzentin sowie Drehbuchautorin (u.a. 1958 für den Schwarzweißfilm „Man müsste noch mal zwanzig sein“)

 

Karl Schenker Umschlaggestaltung für die Monatszeitschrift UHU des Ullstein Verlags, Ausgabe Oktober 1931. Das Magazin bestach durch Originalität und drucktechnische Innovationen; es erschien von 1924 bis 1934. Foto © Museum Ludwig Köln 2016

 

Wer Rang und Namen hatte, ließ sich von ihm porträtieren: erst in Berlin und später in New York und London. Denn bei keinem war man so berauschend schön, keiner konnte so meisterhaft inszenieren, montieren und retuschieren wie er.

     Schauspielerinnen, Sänger- und Tänzerinnen und allerhand andere Damen der Gesellschaft, aber auch so manche Herren von Welt, umhüllte er mit Tüll, Pelzen und edelstem Zwirn, bevor er sie ablichtete – oder fügte in bester Malermanier den Pelz erst hinterher ins Bild. Man mag ihn in dieser Hinsicht als fototechnischen Filou sehen, als raffinierten Arrangeur von mondänen Bildwelten; nicht umsonst wurde Schenker in der zeitgenössischen Presse, die seine Werke bejubelte, als „Frauenkopfregisseur“ gefeiert.

     Diese Seite seines Schaffens mochte dem elf Jahre jüngeren und in den Vierzigern populär gewordenen Berliner Mode- und Portraitfotografen Erwin Blumenfeld (mehr) als Anregung und Vorbild gedient haben. Blumenfelds experimentelle Arbeiten und Verflechtungen mit der Avantgarde-Szene jener Jahre erreichte Karl Schenker allerdings nicht.


Denn in den Zwischenkriegsjahren, in denen Schenker zu Ruhm kam, war der Zeitgeist ein völlig anderer. Angefeuert von den massenhaft verbreiteten Fotografien der gerade von Stumm- zu Tonfilmstars avancierten Filmgrößen zeigte sich in ihnen ein wachsendes Medienbewusstsein.

     Schenkers Bilder halten uns, so betonen die Kölner Kuratoren, „…die Anfänge einer Lust am Image, an der bildnerischen Verschönerung vor Augen“.  Auf die Spitze trieb Schenker dies in einer Fotoserie von selbstentworfenen und bekleideten Schaufensterpuppen. Kokett fragte ein Journalist in einem Zeitschriftenartikel darum: „Mannequins oder Wachspuppen“?

 

Das Museum Ludwig nimmt einen Ankauf von rund 100 Porträts zum Anlass, Schenkers Leben und Wirken erstmals nachzuzeichnen und damit einen lange Vergessenen wiederzuentdecken. In der Ausstellung werden etwa 250 Werke, darunter internationale Leihgaben, präsentiert: Fotografische Porträts seinerzeit berühmter Frauen und Männer, Mode- und Wachsfigurenaufnahmen, von Schenker gestaltete Zeitschriftencover, eine großformatige Zeichnung, ein Gemälde, Starpostkarten – und Zigarettensammelbildchen. Karl Schenker wiederzuentdecken bedeutet, einem Fotografen zu begegnen, der vor allem von und für Frauen idealisierende Porträts schuf, denen sie so gerne gleichen wollten.

 

► Kurzvita Karl Schenker wurde 1886 in Siret (Sereth) geboren, einer südbukowinischen Grenzstadt in der seinerzeitigen österreichisch-ungarischen Monarchie, heute in Rumänien gelegen. Über Lemberg und München kam er um 1912 nach Berlin und richtete sich ein Jahr später am Kudamm ein Fotoatelier ein, das sich schnell erfolgreich entwickelte. Dies veräußerte er 1925 an den fast gleichaltrigen österreichstämmigen Fotografen Mario von Bucovich. Schenker zog für fünf Jahre nach New York und arbeitete dort unter dem Namen Karol Schenker vor allem als Zeichner und Maler. Nach 1930, zurück in Berlin, tauchte sein Name als Werbefotograf wieder in den Zeitschriften auf, doch ab 1934 verlor sich seine Spur zeitweise. 1938 emigrierte er, der der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörte, nach London und unterhielt dort bis zu seinem Tode 1954 ein Atelier. Karl Schenker galt als Mann kultivierten Lebensstils, stets selbst so elegant wie die von ihm abgelichteten Models.

rART/ cpw

 

Die Ausstellung „Master of Beauty. Karl Schenkers mondäne Bildwelten“ wird bis zum 30. Dezember 2016 gezeigt.
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz
50667 Köln
Tel +49 221 221 26165
Öffnungszeiten
DI-SO 10 – 18 Uhr
jeden ersten Donnerstag im Monat 10 – 22 Uhr

 

 

 Die Osborn-Zitate entstammen der Publikation Max Osborn: Karl Schenker, der Maler und Photograph; in: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten. Heft 54 1924 S. 273 ff.

 

 

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