rheinische ART
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rheinische ART 08/2016

Archiv 2016
INTERVIEW
Kunst als Übung

 

Der seit über 20 Jahren in Deutschland lebende Hiroyuki Masuyama (*1968) erlangte internationale Bekanntheit vor allem mit Leuchtkästen, in denen er aus zeitgenössischen Fotografien montierte Collagen nach altmeisterlichen Vorlagen präsentiert. Masuyamas Arbeiten sind bereits in bedeutenden Sammlungen wie dem Staatlichen Museum Schwerin dauerhaft verteten und das Interesse an ihm nimmt beständig weiter zu. Zur Zeit sind seine Werke in einer Schau auf Schloss Moyland („Lasst Blumen sprechen“) sowie im Kunsthaus Interlaken (Vue d'Interlaken) zu sehen. Im Klever Koekkoek-Haus präsentiert er eine Einzelausstellung mit dem Titel „Zeit-Reise“. Zu diesem Anlass hat sich die rheinische ART. mit dem Künstler getroffen. Welche Sicht hat er selber auf seine Kunst? Wie arbeitet er und woher bezieht er seine Ideen? Darüber unterhielt sich Hiroyuki Masuyama mit Robert Woitschützke.

 

Hiroyuki Masuyama „Flowers“, Lightbox, 2004 – 2010, 2238 x 238 x 20 cm. Die Aufnahme des über 22 Meter langen Werkes entstand in der Ausstellung RAUM ZEIT KUNST, 2015, im Kallmann Museum/ Ismaning. Foto ©Hiroyuki Masuyama

 

Robert Woitschützke: Herr Masuyama, zur Zeit sind Sie in drei Austellungen vertreten, zwei davon hier im Rheinland. Insbesondere Ihre Einzelausstellung im Koekkoek-Haus in Kleve ist dabei hervor zu heben. Worum geht es in dieser Ausstellung?

 

Hiroyuki Masuyama: Das Koekkoek-Haus verfügt über eine bedeutende Sammlung niederländischer Meister, insbesondere Arbeiten vom Namensgeber Barend Cornelius Koekkoek. Das Haus war sein Atelier, und deshalb ist die Atmosphäre dort sehr speziell. Es ist heute ein Museum, aber kein typischer White Cube (mehr). Es gibt dort nicht eine einzige weiße Wand. Alles ist sehr klassisch und die dort gezeigten Gemälde sind goldgerahmt. Zunächst dachte ich, dass ich meine Arbeiten diesem Umfeld optisch anpassen müsste. Doch dann kam ich auf die Idee, mich thematisch mit dem Ort zu verbinden. Künstler des 19. Jahrhunderts wie Koekkoek sind stets gereist, immer auf der Suche nach Inspiration, nach neuen Landschaften. Das Reisen ist für mich ebenfalls wichtig und deshalb beschloss ich, das Reisen als verbindendes Element zwischen den Arbeiten Koekkoeks und mir zu nehmen.

Ihre eigenen Reisen spiegeln sich ja auch in Ihrer Kunst.

 

Genau, aber da gibt es natürlich viele prominente Vorgänger. William Turner ist sicherlich einer der bekanntesten Künstler-Reisenden. Einige seiner besten Arbeiten sind auf Reisen nach Italien und Deutschland entstanden. Koekkoek war die gleiche Generation wie Turner und aus diesem Grund zeige ich in der Ausstellung einige Leuchtkästen, die die Reisen Turners thematisieren.

 

Die Reisen der Altmeister sind das eine, aber in der Ausstellung sehen wir auch Arbeiten, die auf zeitgenössischen Formen des Reisens gründen. So haben Sie beispielsweise während eines Fluges in regelmäßigen Abständen den Blick aus einem Fenster fotografiert und am Ende als Leuchtkasten montiert.

 

So ist es. Ich habe also zwei Reisen thematisiert: Zum einen die damalige Reise Turners von London nach Venedig. Dann meine eigene Reise, vom selben Ausgangsort zum selben Ziel, aber mit dem Flugzeug. Dieselbe Reise, aber mit einem zeitlichen Abstand von mehr als 200 Jahren.

 

Hiroyuki Masuyama „O“, 2011. Die Kugel besteht aus 2850 Holzteilen und 30.000 Glasfasern und hat die Abmessungen 186 x 186 x 186 cm. Im Hintergrund die Lightbox „Weltreise“, 47 x 2755 x 13 cm, Ausstellung im Kallmann Museum/ Ismaning. Foto ©Hiroyuki Masuyama

 

Das Reisen spielt aber nicht nur in dieser Einzelausstellung eine große Rolle. Sie selbst sind vor über 20 Jahren aus Tokyo, wo sie studiert haben, nach Deutschland gereist – und geblieben. Weshalb Düsseldorf?

 

Ich war sehr jung, 20 oder 25 Jahre alt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keinen klaren Weg vor Augen. An der Kunstakademie in Tokyo hatte ich sechs Jahre studiert. Mein damaliger Professor Watanabe hatte selber in Düsseldorf an der Akademie gelernt. Davon hatte er erzählt und uns Studenten dies als eine Möglichkeit für unseren eigenen Weg vorgeschlagen. Ich war davon begeistert. Mir war zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst, was für tolle Möglichkeiten sich bieten.

 

Im Koekkoek-Haus zeigen Sie Ölgemälde, in denen Sie Landschaftsbilder Koekkoeks exakt nachmalen – versetzt in die heutige Zeit. Auch in ihren Leuchtkästen bilden Sie altmeisterliche Vorlagen durch das Collagieren mit eigenen Fotografien nach. Bildet Zeitlichkeit Ihr übergreifendes Thema?

 

Mein Thema ist meine Innerlichkeit. Ich habe das Ziel, immer höher und höher zu kommen, mich weiter zu entwickeln durch das, was ich tue. Diese Entwicklung ist es, die ich mit anderen teilen möchte.

 

Hiroyuki Masuyama Innenansicht „O“ mit der Darstellung des Firmaments. Foto ©Hiroyuki Masuyama

 

Was meinen Sie genau damit? „Höher“ zu kommen?

 

Ich denke, das ist das eigentliche Thema des Menschen. Der Grund, warum der Mensch überhaupt lebt. Jeder hat seine Zeit vom Geburtstag bis zum Todestag, ein Zeitraum zwischen 70 oder 80 Jahren. Ich denke, man muss in dieser Zeit an sich arbeiten. Kunst ist eine Übung, eine Art von Studium. Sie hilft dabei, besser zu werden in jeglicher Hinsicht.

 

Die Kunst ist also ein Nebenprodukt?

 

Ja, meine Kunst ist ein sichtbares Nebenprodukt meiner Entwicklung.

 

Europäische Kunst und europäische Künstlervorbilder, insbesondere Alte Meister, spielen in Ihren eigenen Arbeiten eine große Rolle. Würden Sie sagen, dass Turner oder Casper David Friedrich ihre Vorbilder sind?

 

Eigentlich nicht, denn niemand ist perfekt. Und Perfektes ist sowieso langweilig. Friedrich und Turner sind nicht meine Vorbilder in dem Sinne, dass ich sein möchte wie sie. Ich bin Masuyama. Ich versuche nur, mir selbst klarer zu werden, indem ich mich mit ihnen beschäftige. Alleine weiß man nicht, wer man ist.

 

Hiroyuki Masuyama J.M.W. Turner, The Burning of the Houses of Parliament (1834), 2008, LED-Lightbox, 180 x 130 x 6 cm. Foto ©Hiroyuki Masuyama

 

Was fasziniert Sie an Ihren Werken?

 

Ich würde lieber so antworten: Mich interessieren alle Menschen, egal in welcher Zeit. Natürlich könnte man kategorisieren und sagen: Alter Meister und zeitgenössische Künstler, Künstler aus Europa und aus Asien... Das kann man immer so weiter machen, bis zur Familie, bis zum eigenen Ich. Menschen möchten immer kategorisieren, aber ich versuche, dieses Schema abzulegen. Mich interessiert, was der Mensch ansich denkt, was alle Menschen verbindet: Etwa die Frage, was macht glücklich, was macht unglücklich? Ob da jemand vor 200 Jahren etwas gemacht hat oder heute spielt für mich keine Rolle. Wenn man sich an Kategorien hält, sieht man diese Dinge weniger klar. Deshalb versuche ich, mich davon frei zu machen.

 

Wenn Sie ihre künstlerische Tätigkeit kurz beschreiben müssten, wie würden Sie das tun?

 

Im Grunde bin ich ein Transporteur, ich greife etwas auf und gebe es weiter in die Zukunft. Das ist mein Beruf, der Beruf des Künstlers.

 

Sie benutzen den Begriff „Beruf“ … etwas, das nicht viele Künstler tun.

 

Es ist in der Tat mein Beruf. Zudem ist es ein sehr guter, denn ich kann mich selbst zu 100 Prozent meinen Interessen hingeben. Das kann man nicht in jedem Beruf und allein das macht mich zufrieden. Natürlich kann man sich nicht jeden Tag komplett verausgaben. Ich denke, dass meine hauptsächliche Aufgabe darin besteht, den mir gegebenen Fähigkeiten gerecht zu werden. Niemand weiß, wo Fähigkeiten herkommen, sie sind ein Geschenk. Meine Aufgabe besteht darin, diese Fähigkeit zu nutzen, anderen damit eine Freude zu bereiten. Ich sage bewusst nutzen, und nicht benutzen. Wenn man benutzt, dann braucht man immer irgendetwas und hat eine Anspruchshaltung: Ich brauche jetzt Erfolg, Geld, eine schöne Frau … Wenn man benutzt, dann wünscht man immer weiter. Ich will aber nichts wünschen und ich brauche auch eigentlich nichts. Ich will nur genießen.

 

Hiroyuki Masuyama Still life, Daniel Seghers No. 05, 2013, LED-Lightbox, 60 x 83 x 4 cm Foto ©Hiroyuki Masuyama

 

Genießen?

 

Das Wichtigste ist, dass es mir Freude macht. Ich kann nur von mir selbst sagen, ob mir etwas gefällt oder nicht. Das, was mir gefällt, möchte ich genießen. Wenn andere Menschen dieselben Dinge genießen können, dann freut mich das. Ich weiß natürlich nicht, was mit meinen Arbeiten in der Zukunft passieren wird. Aber ich weiß, dass Sie vor allem heute Freude bereiten sollen. Und zwar nicht nur dem Betrachter, sondern auch mir selbst.

 

Sehr geehrter Herr Masuyama, vielen Dank für das Gespräch.

 

 Das Interview wurde am 12. Juli 2016 im Düsseldorfer Atelier des Künstlers geführt.

 

Die Ausstellung „Hiroyuki Masuyama: Zeit-Reise“ läuft bis zum 23. Oktober 2016.
B.C.Koekkoek-Haus, Koekkoekplatz 1, 47533 Kleve, 02821 / 768833


 

 

 

 

 

 

 

 

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