rheinische ART
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rheinische ART 05/2016

Archiv 2016

BALTHASAR VAN DER AST
Rosen, Tulpen, Nelken – alle Blumen welken

 

Der Name seines Lehrherren ist weit über Fachkreise hinaus bekannt, und der seines Schülers ebenfalls. Sein eigener aber ist hauptsächlich Kunsthistorikern, Sammlern und Kunsthändlern ein Begriff: Balthasar van der Ast (1593 - 1657). Das möchte das Aachener Suermondt-Ludwig-Museum ändern.

 

Balthasar van der Ast Früchte und Schneckenhäuser auf einer Steinplatte© Privatsammlung, USA

 

Das Haus widmet dem Stilllebenmaler eine Einzelausstellung, die 12 Arbeiten auf Papier und 36 Gemälde umfasst. Darunter auch das Stillleben „Tulpe Sommerschön“, das im Rahmen der ZDF-Serie „Bewerten und verkaufen“ Anfang des Jahres wiederentdeckt wurde.
     Es fristete sein Dasein weder auf einem Dachboden, noch diente es als Stalltür – es hing einfach nur unscheinbar in der Ecke eines Zimmers. Dort stach es Anfang Januar 2016 dem Bonner Kunstagenten Christian-Frederik Plötz und der Bornheimer Juwelierin Susanne Steiger ins Auge, die in der ZDF-Doku-Soap „Bares für Rares“ mit Horst Lichter auftreten, und die im Hause eines Kunden das Silber schätzten wollten. Das kleinformatige Gemälde wanderte aus dem Bonner Hinterzimmer direkt in die Ausstellung im Aachener Suermondt-Ludwig-Museum, wo es jetzt einen der Höhepunkte bildet.

 

Balthasar van der Ast Tulpe Sommerschön© Privatsammlung

 

Tulpe Sommerschön Es zeigt eine rotweiß geflammte Tulpe in einer kleinen, bauchigen Glasvase vor einem neutralen, dunklen Hintergrund. Ein Schmetterling hat sich auf einem Blatt niedergelassen, während eine Fliege auf dem Tisch vor der Blumenvase sitzt. Das Besondere an dem Stillleben ist, dass es nur eine einzige Blume darstellt, die der Maler gleichsam porträtiert hat. Üblich waren damals Blumensträuße oder Bouquets. Nach zeitgenössischer Auffassung ließ die rotweiß geflammte Tulpe im Dunkeln ohne die Kraft der Sonne den Kopf hängen. Sie galt daher als Sinnbild für Maria unter dem Kreuz, als Christus gestorben war, und der Himmel sich verfinsterte. Aber sie stand auch im allgemeineren Sinne dafür, dass der Mensch ohne Sonne oder Gott Schaden nimmt.

 

Das Stillleben mit nur einer einzelnen Tulpe verdeutlicht aber auch, welch‘ hohen Stellenwert man der Tulpe und ihrer Zwiebel in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert beimaß: Sie avancierten zu begehrten und kostbaren Spekulationsobjekten an der Börse, nachdem sich in Holland Anfang des 17. Jahrhunderts ein florierender Handel mit Tulpenzwiebeln entwickelte. Als der Börsenhandel mit Tulpen zu Beginn des Februars 1637 abrupt einbrach und die Tulpomanie endete, bedeutete das für manchen Spekulanten den finanziellen Ruin. Doch davon ahnte man 1625 noch nichts, als Balthasar van der Ast die Tulpe Sommerschön malte, wenngleich er mit Fliege und Schmetterling zumindest auf die Vergänglichkeit der Tulpenblüte selbst anspielte.

 

Balthasar van der Ast Rosenzweig mit Schmetterling, Eidechse und Heuschrecke© Privatsammlung, Montreal, Kanada

 

Damals lebte er in Utrecht, wo er 1619 als Freimeister in die St. Lukasgilde eintrat. Geboren wurde er 1593/94 in Middelburg. Als seine Eltern starben, zog er 1609 zu seiner älteren Schwester Maria, die mit dem Blumenmaler Ambrosius Bosschaert d.Ä. (1573–1621) verheiratet war und ging bei ihm in die Lehre. Ambrosius Bosschaert d.Ä. gilt neben Jan Brueghel d.Ä. (mehr), Jacob de Gheyn d.J. und Roelant Savery als einer der ersten Blumenmaler überhaupt. Denn erst gegen 1600 hatte sich in der niederländischen Malerei ein entscheidender Schritt vollzogen: Blumen wurden zum bildwürdigen und eigenständigen Motiv erhoben, nachdem sie bislang als Attribute einer zumeist heilsgeschichtlichen Handlung dienten.
     Die Kunsttheorie allerdings blickte geringschätzig auf die Stillleben herab, wovon sich die niederländische Bevölkerung nicht beirren ließ und sie trotzdem fleißig kaufte. Sogar der Hof des Statthalters in Den Haag zählte neben einigen Sammlern zu Balthasar van der Asts Auftraggebern. Es steht jedoch zu vermuten, dass er mit dem überwiegenden Teil seiner Werke den freien Markt bediente.

 

Balthasar van der Ast Schneckenhäuser und Herbstzeitlose, © Centraal Museum Utrecht

 

Seine Produktion war von Anfang an enorm. Aus den Jahren 1622 und 1623 sind allein 23 datierte Gemälde erhalten. Zunächst malte er ebenso wie sein Schwager und Lehrherr Blumenarrangements in Vasen oder Körben vor relativ dunklen Hintergründen. In den späten 1620er Jahren schuf er neue Kompositionstypen wie in dem Gemälde „Zwei Rosen auf einer Steinplatte“ (Privatsammlung, Kanada). Zur selben Zeit entstanden auch die ersten Muschelstillleben der Kunstgeschichte. Muscheln galten ebenso wie Tulpen als exotische und überaus kostbare Sammlerstücke. Gleichzeitig symbolisieren sie Vergänglichkeit und Eitelkeit: Aus den prächtigen Schnecken und Muscheln ist alles Leben gewichen; ein Schicksal, das auch den Blumen widerfahren wird.

 

Balthasar van der Ast Blumen in einer Wanli-Vase und Schneckenhäuser, © Den Haag, Het Mauritshuis

 

1632 zog Balthasar van der Ast nach Delft. Vermutlich versprach er sich von der größeren Nähe zum Hof des Statthalters bessere Absatzmöglichkeiten als in Utrecht. Dort arbeitete er an den wohl bezauberndsten seiner Werke. Er experimentierte mit der Lichtführung und wählte hellere Hintergründe als bei den Utrechter Stücken. Zudem wurden seine Kombinationen von Blumen, Früchten und Muscheln gewagter – und zugleich naturalistischer. Das zeigt sich etwa an dem Gemälde „Blumen in einer Wanli-Vase und Schneckenhäusern“ (Mauritshuis, Den Haag). Hier bricht er die Strenge des Bouquets zugunsten einer lockereren Anordnung der Blumen auf. Dass er auch mit anderen Fachmalern kooperierte, veranschaulicht das Werk, das er gemeinsam mit dem Architekturmaler Bartholomeus van Bassen schuf: Dort hat er üppige Blumensträuße vor einer Architekturkulisse arrangiert (Musée de la Chartreuse, Douai).

 

 

Das vielleicht verblüffendste Gemälde ist das großformatige, in Form eines Blumenstrauß‘ gehaltene Früchtestück, das den dynamischen Abschluss der Ausstellung bildet (um 1640, Privatsammlung). Lange Jahre nahm van der Ast eine führende Rolle in der Stilllebenmalerei ein, bis ihn nach 1640 jüngere Kollegen ablösten, darunter sein berühmter Schüler Jan Davidsz de Heem oder Willem Kalf und Willem van Aelst. Danach geriet der Maler zusehends in Vergessenheit. 
Marion Lisken-Pruss


Die Ausstellung "Schöner als die Wirklichkeit – Die Stillleben des Balthasar van der Ast" ist bis zum 5. Juni 2016 zu sehen.
Suermondt-Ludwig-Museum
Wilhelmstr. 18
52070 Aachen
Tel. 0241 / 47980 40
Öffnungszeiten
DI - FR 12 - 18 Uhr
MI 12 - 20 Uhr
SA, SO, Feiertage 11 - 18 Uhr

 

 Zusätzlich zu den 36 Gemälden und 12 Arbeiten auf Papier haben die Kuratorinnen Sylvia Böhmer und Sarvenaz Ayooghivan vier Werke von unmittelbaren Vorgängern wie Ambrosius Bosschaert und Roelant Savery zusammengetragen.
 Wichtige Häuser haben ihre Leihgaben beigesteuert, darunter das Amsterdamer Rijksmuseum, das Ashmolean Museum in Oxford, die Berliner Gemäldegalerie, das Centraal Museum in Utrecht oder das Museo Thyssen-Bornesmisza in Madrid. Darüber hinaus konnten auch 16 Privatsammler als Leihgeber gewonnen werden.

 

 

 

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