rheinische ART
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rheinische ART 03/2016

Archiv 2016

MATERIALKUNST
Alberto Burri

 

Seine Werke werden Gemälde genannt, dabei hat der Künstler seltenst einen Pinsel in der Hand gehalten. In Alberto Burris Arbeiten sind die eingesetzten Materialien – Eisen, Stoff, Plastik - die Protagonisten. Sie entwickeln sich durch eine prozesshaft initiierte Wandlung aus sich selbst heraus zu sensiblen Abbildern jener Emotionen, die die Nachkriegszeit beherrschten.

 

Alberto Burri Grande bianco cretto, 1974, Acryl znd PVA auf Celotex, 126 x 201 cm, Privatsammlung, © Fondazione Palazzo Albizzini Collezione Burri, Città di Castello/ VG Bild-Kunst, Bonn 2016

 

Still wirken sie, die Gemälde. Doch das sind sie nur auf dem ersten Blick. Ihr weitgehend monochromes Auftreten überdeckt zunächst, dass in ihnen viel Leben wirkt. Dies findet keinen figürlichen Ausdruck, sondern wogt und tobt in Strukturen, leiser Verwandlung oder offener Verletzung.
      Es konsterniert, dass die bemerkenswerten Gemälde, denen eine überzeugende, einnehmende Schönheit innewohnt, aus einer Emotion heraus entstanden, die ihre Ursache im Schrecken, im Erlebten während des Zweiten Weltkrieges und seinen Folgen hatte. So lautet denn auch der Titel der Ausstellung im Düsseldorfer K21 „Das Trauma der Malerei“.

 

Alberto Burri, 1982 fotografiert von Aurelio Amendola in seinem Atelier in Cittá di Castello. Foto©Kunstsammlung NRW

 

Alberto Burris (1915 – 1995) Biografie „spiegelt das Trauma Italiens nach dem Endes des Faschismus und den ebenso turbulenten wie auch dramatischen Verlauf des 20. Jahrhunderts“, teilt die Kunstsammlung NRW mit. Seine Erlebnisse als Militärarzt - Burri hatte Medizin studiert - , während seiner Gefangennahme in Tunesien 1943 und in amerikanischer Kriegsgefangenschaft im texanischen Hereford verwandelte der Autodidakt unmittelbar nach Kriegsende in Kunst.

     Zu einer Zeit, als diese Werke entstanden, die 1950er-, 1960er-Jahre und spätere des letzten Jahrhunderts, standen andere Strömungen in der Kunst im Vordergrund: Die malerische Gestik des amerikanisch geprägten Abstrakten Expressionismus und das europäische Informel (mehr). Die Pop Art (mehr) folgte wie die ZERO-Zeit (mehr).


Arte Povera So darf es kaum verwundern, dass Burri mit seinen eher leisen Werken eben nicht so sehr die Welt bewegte. Und doch: Neben Lucio Fontana ist Burri der wichtigste italienische Künstler des Novecento und gilt als Vorreiter der Arte Povera, schreibt das ausstellende Haus dazu. Heute sei er ein „new market baby“, wie Marion Ackermann, Direktorin der Kunstsammlung NRW, äußerte und damit über eine Response aus den internationalen Auktionshäusern informierte.

 

Alberto Burri Grande sacco BS (Großes Sackleinen BS), 1956, Sackleinen, Stoff, Faden, Acryl und PVA auf Leinwand, 150 x 250 cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, © Fondazione Palazzo Albizzini Collezione Burri, Città di Castello/ VG Bild-Kunst, Bonn 2016 / SIAE, Rom. Foto: Foto: Walter Klein, Düsseldorf © Kunstsammlung NRW

 

Säcke Es ist eine Schau, die der Kunstsammlung NRW gut ansteht. Übrigens hat diese in ihren Sammlungsbeständen ebenfalls ein Werk Burris. Bereits 1966 erwarb Werner Schmalenbach mit Grande Sacco BS (1956) eines der Hauptwerke des Italieners. Die Serie Sacchi (Säcke) sind Bilder aus geflickten und zusammen genähten Fragmenten von Jutesäcken, die häufig mit anderen textilen Fetzen kombiniert sind. Grob sind sie zusammengenäht. Die Nähte sind Wülste, narbengleich. Die unterschiedlich gemusterten Textilien sind mit brauner Farbe überzogen. Kein ursprünglich florales Muster, kein Karodesign setzt sich mehr in Szene. Alles wirkt gleich, egal, was es vorher war.

 

 

Alberto Burri Rosso gobbo, 1953, Acry, Stoff und Vinavil auf Leinwand, Metallgestänge auf der Rückseite, 56.5 x 85 cm, Privatsammlung, Rom, © Fondazione Palazzo Albizzini Collezione Burri, Città di Castello/ VG Bild-Kunst, Bonn 2016. Foto:© Kunstsammlung NRW

 

Materialkunst In Burris Bildern begegnen sich die Materialien, klaffen auf, berühren sich, weichen voreinander zurück. Seine Gemälde sind aus Eisen mit Nägeln, Plastik mit Bimsstein, Sand und Papier mit Schellack. Der Maler sah die Welt nicht farbig. Einzig ein gezielt eingesetztes Rot wird akzeptiert. Ansonsten dominieren die natürlichen, erdigen Farbtöne sowie die Nichtfarben Schwarz und Weiß. Burris material-prozessbasierte Malerei beruht auf Zerstörung.

 

Alberto Burri Combustione legno, 1957, Holzfurnier, Papier, Verbrennung, Acryl und Vinavil auf Leinwand, 149.5 x 99 cm, Privatsammlung, Courtesy Galleria dello Scudo, Verona, © Fondazione Palazzo Albizzini Collezione Burri, Città di Castello/ VG Bild-Kunst, Bonn 2016
Foto:© Kunstsammlung NRW

 

Der Künstler zerstörte gezielt, zum Beispiel experimentierte er mit Feuer, das Holz verkohlen oder Plastik schmelzen ließ. „Ich wollte schon lange untersuchen, wie das Feuer verzehrt, das Wesen der Verbrennung verstehen und wie beim Verbrennen alles lebt und stirbt, um eine perfekte Einheit zu bilden“, äußerte sich Burri 1955.

 

Schönheit In Burris Arbeiten verliert die Zerstörung ihren negativen, vernichtenden Charakter und sie führen den Beweis dafür, dass eine – in Burris Fall chaoslose - Zerstörung wirkliche Schönheit, ja Neues, hervorbringen kann. Vielleicht ist dies die ganz persönliche „Stunde Null“ des Alberto Burri. Der Künstler ist übrigens mittels einer lebensgroßen Fotografie, im Sessel sitzend, in der Ausstellung so plastisch präsent wie seine Werke.

 

Alberto Burris Arbeiten und sein Wirken dürfen heute sicherlich als Impulsgeber für seine und auch nachfolgende Künstlergenerationen gelten. Die Kunstsammlung NRW zeigt im gleichen Haus eine Auswahl Arbeiten aus der eigenen Sammlung von anderen Künstlern wie Jannis Kounellis, Robert Rauschenberg oder Cy Twombly, die den nachhaltigen künstlerischen Einfluss Burris aufzeigen.

 

 Die Ausstellung – angelegt als umfangreiche Retrospektive - ist eine Kooperation mit der Solomon R. Guggenheim Foundation/ New York. Zuvor waren die rund 70 Arbeiten zum 100. Geburtstag des Künstlers 2015 in New York gezeigt worden und sind als einzige europäische Station nur in der Landeshauptstadt zu sehen.

 

Irmgard Ruhs-Woitschützke

 

Die Ausstellung „Alberto Burri. Das Trauma der Malerei“ ist bis zum 07. Juli 2016 zu sehen.
K21 Ständehaus
Ständehausstraße 1
40217 Düsseldorf
Tel. 0211 / 8381-204
Öffnungszeiten
DI – FR 10 – 18 Uhr
SA + SO 11 – 18 Uhr
Jeden 1. MI im Monat bis 22 Uhr.