rheinische ART
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rheinische ART 12/2016

Archiv 2016

RÖMISCHER REVOLUTIONÄR
Was war nach Caravaggio?


Der Maler hatte keine Schüler, galt als wild, wüst und übel verrucht, entfloh seiner römischen Wahlheimat 1606 wegen eines tödlichen Streits und verstarb bereits mit 39 Jahren in Verbannung. Und dennoch prägte er Generationen von Künstlern bis heute.

 

Michelangelo Merisi da Caravaggio The Taking of Christ (detail) Die Entführung Christi,1602, oil on canvas, 133,5 x 169,5 cm. On indefinite loan to the National Gallery of Ireland from the Jesuit Community, Leeson St., Dublin who acknowledge the kind generosity of the late Dr Marie Lea-Wilson. Photo © The National Gallery of Ireland, Dublin

 

Mit der Winterschau Beyond Caravaggio erinnert The National Gallery in London an Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610) und sein Echo in der Kunst. Es ist die erste bedeutende Ausstellung in Großbritannien, die sich Caravaggios Werk und seinem Einfluss auf die Kunst seiner europäischen Zeitgenossen und Nachfolger widmet.

 

Ottavio Leoni Posthumes Porträt von Caravaggio, um 1614, Florenz, Biblioteca Marucelliana © Foto Scala, Florenz Fotoquelle The National Gallery London 2016

 

Der frühe Barockmaler, für seine neuartige realistische Bildgestaltung in religiösen Gemälden berühmt und für seine Licht-Schatten-Gemälde (Chiaroscuro) aus dem Spelunkenmilieu Roms berüchtigt, fand zahlreiche Bewunderer und Nachahmer. Sie führt die Kunstgeschichte unter dem Begriff Caravaggisten. Von ihnen und ihrem Namensgeber handelt die Londoner Ausstellung.


Im Alter von etwa 20 Jahren ließ sich der junge Caravaggio, der seinen „Künstlernamen“ gemäß dem Herkunftsort seiner Familie, der Kleinstadt Caravaggio bei Bergamo, führte, in Rom nieder. Die Stadt war zu jener Zeit der maßgebliche Ort der Malerei Europas.

     Caravaggio hatte zuvor eine vierjährige Malerlehre in Mailand absolviert, kam aber mittellos und wie zahllose andere aufstrebende Künstler hochmotiviert und ehrgeizig um 1592 an den Tiber. Rund drei Jahre arbeitete er in verschiedenen Werkstätten etablierter Maler, bis ihm die Bekanntschaft mit einem Kardinal den ersten Großauftrag einbrachte: die Ausmalung der familiären Begräbniskapelle Contarelli in der Kirche San Luigi die Francesi in Rom.

     Mit dieser Arbeit wurde er, dessen ungewöhnliche Kunst bis dahin nur wenigen bekannt war, schnell in der Öffentlichkeit und in Kunstkreisen populär. Die sakrale Kapellenmalerei begründete seinen Ruf als führender Maler Roms in den nächsten Jahren. Caravaggios Aufstieg zum Maler der Kardinäle in Rom dauerte bis 1606. Denn nach einer Streiterei mit Todesfolge auf einen Straßenfest floh Caravaggio als des Mordes Beschuldigter aus Rom und verbachte bis zu seinem Tode, noch vor einer Begnadigung, die letzten Jahre in der Verbannung in Neapel, Malta und Sizilien.     

 

Caravaggio ist eine der revolutionärsten Figuren der Kunstgeschichte und schlichtweg der Maler des Frühbarocks. Seine überaus originellen, emotional aufgeladenen Gemälde mit ihrem intensiven Naturalismus, dramatischer Lichtführung und eindrücklichen Narrative haben einen bleibenden Einfluss auf die europäische Kunst ausgeübt, der sich bekanntlich bis heute fortsetzt, betonen die Londoner Kuratoren. Wie keiner vor ihm entfachte der gebürtige Mailänder einen Hype um seine Malerei, die sich unter dem Begriff Caravaggio-Stil rasant schnell ausbreitete und Dutzende von Maler-Jüngern anzog. Eine Erfolgsgeschichte ohne Beispiel in der Kunstgeschichte.

 

Michelangelo Merisi da Caravaggio Salome receives the Head of John the Baptist (Salome empfängt das Haupt Johannes des Täufers), 1607-1610, oil on canvas, 91,5 x 106,7 cm © The National Gallery London 2016

 

Obwohl Caravaggio relativ jung verstarb, war sein Einfluss doch weitreichend und verblüffend vielfältig. Ab 1600 strebten Künstler aus ganz Europa nach Rom, um seine Arbeiten zu sehen. Viele begannen daraufhin, den Naturalismus und die dramatischen Lichteffekte dieses Beleuchtungskünstlers zu imitieren - darunter waren so talentierte und unterschiedliche Künstler wie Bartolomeo Manfredi, Orazio Gentileschi, Valentin de Boulogne, Jusepe de Ribera und Gerrit van Honthorst, der in Italien „Gherardo delle notti“ genannt wurde und mit mehreren anderen Niederländern den Utrechter Caravaggisten angehörte.

     Einfluss hatte Caravaggios „Kunst der Wirklichkeit“ auch auf andere großen Namen. Zu denen sind Rembrandt van Rijn (mehr), Jan Vermeeer, Diego Velázquez (mehr) und Fancisco de Zurbarán (mehr) zu rechnen.

     Gemälde von Caravaggio und seinen Anhängern waren in den Jahrzehnten nach seinem Tod höchst begehrt, gerieten jedoch Mitte des 17. Jahrhunderts außer Mode.

 

Michelangelo Merisi da Caravaggio Supper at Emmaus (Abendmahl in Emmaus), 1601, oil on canvas, 141 x 196,2 cm © The National Gallery London 2016

 

Der Großteil der in London ausgestellten 49 Gemälde stammt aus Museen, Herrenhäusern, Schlössern, Kirchen und Privatsammlungen aus ganz Großbritannien und Irland.

     Die selten gezeigten Werke dürften, wie die The National Gallery erklärt, dem Publikum überwiegend unbekannt sein, was den besonderen Reiz dieser Caravaggio-Exposition ausmache.

     Die Arbeiten zeigen, wie die Kunst Caravaggios eine ganze Generation von Malern inspiriert hat.

rART/K2M

 

 Im Frühjahr 2015 präsentierte das Pariser Petit Palais die ungewöhnliche und spannende Schau „Die Niederungen des Barocks. Das Rom der Laster und des Elends“ (mehr). Mit Gemälden Caravaggios und Künstlern aus seinem Fahrwasser bot die Ausstellung ein völlig anderes Gesellschaftsbild der stets als glänzende „Ewige Stadt“ gepriesenen Metropole. Man musste nicht Kunstspezialist sein, um das Geniale an diesen Bildwerken zu erkennen.

 

Die Ausstellung „Beyond Caravaggio. Caravaggion und sein Echo“ wird bis zum 15. Januar 2017 gezeigt.

The National Gallery
Trafalgar Square,
London WC2N 5DN,
Vereinigtes Königreich
Öffnungszeiten
Täglich 10 – 18 Uhr
FR 10 – 21 Uhr