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rheinische ART 03/2016

Archiv 2016

ARCHITEKTUR FÜR FLÜCHTLINGE
Making Heimat


Der Druck ist groß, die Zeit knapp. Für Tausende Flüchtlinge und Asylanten wird dringend Wohnraum benötigt, aber genauso notwendig sind neue Ideen und bewährte Konzepte zur Integration.

 

Ostfildern Projekt „Wohnungen für Flüchtlinge und Obdachlose“. Kapazität: drei Gebäude mit 39 Bewohnern. Bauverfahren: Holzrahmenbauweise, 21 qm BGF/ Bewohner. Baukosten gesamt 1,4 Mio. Euro. Architekt: u3ba Arge camilo hernandez urban 3 + Harald Baumann baumannarchitects, Stuttgart, Foto © Markus Guhl, DAM 2016

 

Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) in München wurde im Oktober 2015 beauftragt, im Deutschen Pavillon auf der 15. Internationalen Architekturausstellung 2016 in Venedig (La Biennale di Venezia) die Ausstellung „Making Heimat. Germany, Arrival Country“ zu realisieren.


Der deutsche Beitrag
der Schau, die am 28. Mai eröffnet wird, verdeutlicht, mit welchen architektonischen Lösungen Kommunen und Bundesländer schnell, günstig und - im besten Falle – mit möglichst unbegrenzter Nachnutzung Wohnraum für Flüchtlinge schaffen können und bereits geschaffen haben. Auftraggeber ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Damit reagierte das Ministerium darauf, dass 2015 mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind.

 

München Projekt „Ort des Ankommens“, für Flüchtlinge mit anerkanntem Status. Kapazität: vier Gebäude mit bis zu 240 Bewohnern. Bauverfahren: Raummodule aus Holz, 8,5 qm/ Bewohner. Baukosten gesamt ca. 3,8 Mio. Euro. Architekt: Kollektiv A. Foto © DAM 2016

 

Die DAM-Ausstellung besteht aus drei Teilen. Der erste Teil zeigt Unterkünfte für Flüchtlinge. Der zweite Teil fragt nach den Bedingungen, die eine „Ankunftsstadt“ (Arrival City) erfüllen sollte, damit aus Flüchtlingen Einwanderer werden können und Teil drei widmet sich dem räumlichen Gestaltungskonzept des Deutschen Pavillon.

 

Oranienburg Projekt „Wohnhaus, auch für Geflüchtete“. Kapazität ca. 50 Bewohner, 22 Wohn-Einheiten für Flüchtlinge und durchmischte Bewohnerschaft. Bauverfahren: Massivbau, Mauerwerk aus Ziegeln, 18,5 qm/ Person. Architekt: BBP (Oliver Langhammer), Berlin, Oranienburg, Foto © DAM 2016

 

Berlin Tempelhofer Feld Projekt „Halle als Aufenthaltsraum“, Kapazität 600 – 800 Asylbewerber. Bauverfahren: Halle Fundamentblöcke, Holzrahmenkonstruktion mit geschwungenen Bindern, Fassade und Dach als gespannte Membran. Baukosten gesamt ca. 2,2 Mio. Euro. Gorenflos Architekten GmbH, Berlin; Raumkonzept gemeinsam mit Planung.Freiraum, Berlin und Juliane Bailly, Foto © Alexander Schippel, DAM 2016

 

Datenbank  Jetzt präsentierte das DAM zu Teil eins "Unterkünfte" eine Online-Datenbank. Der elektronische Karteikasten enthält derzeit über 30 realisierte oder in der Realisierung befindliche Bauprojekte für Flüchtlinge und Migranten; er wird ständig aktualisiert und erweitert.

     Die Projekte spiegeln die derzeitige Wirklichkeit in Deutschland und sie machen das Thema Unterbringung greifbar: gegliedert nach Größe, Kosten und Bewohnern pro Quadratmeter, Material und Konstruktion. Es sei, betont das DAM, kein Register der besten Beispiele und kein Architekturpreis - vielmehr sollen die Projekte die Diskussion anregen. Die Datenbank ermöglicht Vergleiche gängiger Lösungen und soll lokalen und regionalen Stellen eine Entscheidungsgrundlage bieten.


Das Gebäude-Spektrum umfasst etwa Betonshelter, massive klassische Ziegelbauten, Zeltsysteme, umgenutzte Überseecontainer, Neubauten im System „StadtBauKasten“, raffinierte Parkplatzüberbauung oder temporäre Leichtbauhallen für 300 Personen, deren Inneneinrichtung durch Architekten entworfen wurde. Ferner auch Projekte des dauerhaften, kostengünstigen Wohnungsbaus, der nicht allein Flüchtlingen eine Bleibe bietet. Einen Schwerpunkt bilden Holzmodulbauten.

     Besonders bemerkenswert: Die digitale Schau versammelt neben Ingenieur-Planungen auch Vorschläge von Bürgerinitiativen oder das private Vorhaben eines Auftraggebers, der in München eine Art Kombi-Siedlung für Künstler und Flüchtlinge plant.

 

Hamburg Projekt „Not- und Erstaufnahmeeinrichtung“. Neun Einheiten in bestehendes Zelt- und Containerdorf für Asylbewerber. DOMO-Zelteinheit (24 qm) für 6 - 10 Personen. Zelte sind von vier Personen schnell aufbaubar. Zeltsystem: Tragwerk in Aluminium, Beschlagteile in Edelstahl, Bodenwanne und Schmutzschürze in PVC Tarpaulin. Baukosten je Zelt 3.500 Euro. Architekt: Daniel Kerber Hamburg und "More Than Shelters" Hamburg. Nachtansicht DOMO-Zelte in Hamburg Schnackenburgallee, Foto © Malte Metag


Die Aspekte „Völkerwanderung“ und „Integration“ hat das DAM im Vorfeld mit dem kanadischen Journalisten und Bestsellerautor Doug Saunders bearbeitet. In seiner Reportage „Arrival City“ (Ankunftsstadt), in der er das Leben in Slums, Favelas, Banlieues und Barrios von 30 Mega-Cities portraitiert, vertritt Saunders die optimistische Meinung, dass diese Rand- und Außenviertel als Ankunfts- und Übergangsstationen zu sehen sind. Scheitere die Arrival-City, so das Credo des Autors, entwickele sich ein Elendsviertel, ein sozialer Brennpunkt mit Kriminalität und hybridem Extremismus. Gelinge es, die Arrival City erblühen zu lassen, bilde sie den Nukleus für Wirtschaftsaufschwung, sozialen Frieden und die Ausprägung einer neuen Mittelschicht.

 

Neuss Projekt „Zentrale Unterbringungseinrichtung NRW“ auf der Galopp-Rennbahn an der Stresemannallee. Kapazität ca. 1.000 Bewohner, Asylbewerber und wohnungssuchende Flüchtlinge. 12 qm/Person, Nachnutzung 25 Jahre. Hinter einem Versorgungsgebäude (vorne links) schließen sich so genannte Wohnhöfe an. Bauverfahren: Speisesaal und Verwaltung Massivbau, Stahlbeton, Wohnhäuser Modulbau, Stahlrahmen, gedämmte Stahlpaneele. Baukosten gesamt ca. 32 Mio. Euro. Foto © Schmale Architekten GmbH


Bedingungen
Vor diesem Hintergrund stellt das DAM die Frage, welche architektonischen und städtebaulichen Bedingungen in den Arrival Cities gegeben sein müssen, damit sich Einwanderer in Deutschland erfolgreich integrieren können. Viele Flüchtlinge und Migranten werden bleiben, heißt es. Denn es sei nicht zu erwarten, dass Krieg und Verfolgung in ihrer Heimat schnell beendet werden können.

     Dies mache Deutschland faktisch zu einem Einwanderungsland. Wenn sich die Fehler der 1960er und 1970er Jahre nicht wiederholen sollen, dürften die Neubürger nicht als Gäste behandelt werden, die jederzeit wieder nach Hause geschickt werden können. Sie müssen die Chance bekommen, dass Deutschland zu ihrer zweiten Heimat wird.
rART/cpw


 Bei der Zusammenstellung der Projekte für die Datenbank hat das DAM mit der Architekturzeitschrift BAUWELT zusammengearbeitet. Außerdem ist das DAM Kooperationspartner beim Berlin Award, einem weltweit offenen Wettbewerb der Bundeshauptstadt zu innovativen Konzepten der Flüchtlingsunterbringung.


Die Ausstellung „Making Heimat. Germany, Arrival Country“ wird vom 28. Mai bis zum 27. November 2016 auf der 15. Architekturbiennale in Venedig gezeigt.


mehr: www.makingheimat.de

 

 

 

 

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