rheinische ART
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rheinische ART 01/2016

Archiv 2016

MIGRATION UND KUNST

Ein persischer Blick

 

Ein altes und populäres persisches Sprichwort lautet: „Berge begegnen sich nicht, wohl aber Menschen.“ Damit ist im Wesentlichen gemeint, dass sich weit voneinander entfernt lebende Freunde auf den Weg machen, um sich an einem dritten Ort zu treffen.

 

Pari Moradi Scherben, Michael Horbach Stiftung Köln 2015 © Pari Moradi

 

Bei der aktuellen Ausstellung der Kölner Michael Horbach Stiftung wird diese Lebensweisheit aufgegriffen. Unter dem Titel „Berge begegnen sich nicht“ bespielen fünf Künstlerinnen und ein Künstler, alle mit persischen Wurzeln, in der Kölner Südstadt eine gemeinsame Exposition. Organisiert wurde die Schau von dem Kurator und Autor Gérard A. Goodrow.

     Ausgestellt sind Bilder, Zeichnungen, Objekte und Installationen sowie Fotokunst. Alle Künstler wurden zwischen 1971 und 1980 geboren. Sie stehen Pate für eine junge Generation deutscher Gegenwartskünstler mit Migrationshintergründen, die – in Kombination mit den Erfahrungen und Erlebnissen in der neuen Wahlheimat – mal mehr, mal weniger Ausdruck in ihren höchst differenzierten Arbeiten finden.

 

Pari Moradi (*1977, Teheran) studierte unter anderem Indogermanistik in Münster. 2011 war sie die erste Stipendiatin der Michael Horbach Stiftung. Sie lebt und arbeitet meist in Köln. Moradi befasst sich überwiegend mit Tongefäßscherben als Metapher für den Menschen - alleine oder in kleinen Gruppierungen, jede Scherbe ist ein Unikat.

     Obwohl es nur Bruchstücke sind, besitzen sie nach Ansicht der Künstlerin viel mehr Charakter als unversehrte Gefäße, die meist nach einem standardisierten Muster geformt und gebrannt werden. Jede Scherbe entstehe aus einem „beglückt unglücklichen Zufall", ist nie geplant oder gar gestaltet worden.

 

Mahssa Askari Raum, Michael Horbach Stiftung Köln 2015 © Mahssa Askari

 

Gila Abutalebi K Visual No. 68, Michael Horbach Stiftung Köln 2015 © Gila Abutalebi

 

Mahssa Askari (*1980, Khoramshahr) studierte Produktdesign in Aachen und wechselte 2006 an die Düsseldorfer Kunstakademie, wo sie 2014 als Meisterschülerin bei Herbert Brandl abschloss. Sie lebt und arbeitet in Düsseldorf.

     Mithilfe mehrfach überlagerter Farbschichten erzeugt Askari eine ungewöhnliche malerische Spannung. Ihre Motive sind meist klassisch – und dennoch sind sie einer enigmatischen Neuinterpretation unterzogen. Häufig wirken ihre Bilder wie Filmsequenzen; Perspektiven verschieben sich, so dass das Auge sich beim Betrachten der Motive immer wieder neu einstellen muss. Hierbei geht es ihr mehr als andere darum, die Fläche, das Lichtspiel der Farben, die Erinnerung und die Fantasie zu einer Einheit verschmelzen zu lassen.


Gila Abutalebi (*1971, Ried/ Österreich) studierte Sprachen, Wirtschaft und Schauspiel in Deutschland, den USA und Spanien. Seit 2009 ist sie als bildende Künstlerin tätig. Sie lebt und arbeitet in Köln, ihre familiären Wurzeln liegen im Nordiran.

     Sie ist auch in der Sprachkunst tätig ist, setzt handgeschriebene Buchstaben als malerisch-abstrakte Zeichen in Szene. Dabei handelt es sich weniger um eine kulturell bedingte Zuneigung zur Kalligrafie, sondern vielmehr um eine Faszination, die von der Mehrdimensionalität der Sprache ausgeht. Neben der Schrift, bei der sie nur lateinische Buchstaben – vor allem den Buchstaben K – verwendet, spielen transparente Materialien eine wesentliche Rolle in ihren mehrschichtigen Kunstwerken.

 

Linda Nadji 5 Stühle, 2010, Michael Horbach Stiftung Köln 2015 © Linda Nadji

 

Linda Nadji (*1972, Teheran) studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Hubert Kiecol. Zuvor absolvierte sie eine Schauspielausbildung sowie ein Designstudium. Sie lebt und arbeitet in Köln.

     Die Ausstellung zeigt eine Auswahl ihrer skulpturalen Arbeiten und Bilder, die von 2010 bis 2015 entstanden. In ihren Werken, die meist auf alltäglichen Gegenständen und Bildern beruhen, wird das Transitorische festgehalten – in Beton oder Bronze gegossen beziehungsweise aus Keramik geformt oder einfach auseinander genommen und neu zusammengestellt. In allen Fällen handelt es sich um einen Akt der gesteigerten Wahrnehmung, denn das, was im Alltag häufig übersehen oder als selbstverständlich gilt, wird durch Nadjis Verwandlung nicht nur sichtbar, sondern auch und vor allem wahrnehmbar.

 

Reza Nadji  o.T., Michael Horbach Stiftung Köln 2015 © Reza Nadji

 

Bahar Batvand Verehrung, Michael Horbach Stiftung Köln 2015 © Bahar Batvand

 

 

Reza Nadji (*1978, Teheran) studierte Fotografie in Dortmund sowie in New York. Intensives Reisen und zahlreiche Auslandsaufenthalte prägen sein kulturelles Verständnis. Heute lebt er in Berlin, wo er unter anderem das Institut für fotografische Bildung leitet.

     Seine Bilder zeigen sowohl Architektonisches als auch Ansichten von Städten, mehrstöckige Wandmalereien, Straßenschilder ohne Inhalt und immer wieder das Alltägliche. Nadji interessiert sich für das Unheimliche, das entsteht, wenn Millionen Menschen im urbanen Raum zusammentreffen. Auf den ersten Blick wirken die Bildstrecken wie reine Architekturfotografie, denn der Fotograf verzichtet weitgehend auf Menschen, gerade an Orten, wo man sie eigentlich erwartet. Nadji will so zum Nachdenken über die aktuelle Situation der Iraner anregen.

 

Bahar Batvand (*1974, Ahwaz) studierte zunächst Malerei in Teheran. 2000 emigrierte sie nach Deutschland, wo sie ab 2004 ein Studium für Bühnenbild bei Karl Kneidl an der Kunstakademie Düsseldorf absolvierte. Sie lebt und arbeitet in Düsseldorf. Als Kind erlebte sie den Golfkrieg – Prägungen, die integraler Bestandsteil sowie Anstoß ihrer vielschichtigen künstlerischen Arbeiten sind.

     Die Zerstörung von Material zieht sich wie ein roter Faden durch ihr malerisches Œuvre. Dennoch versteht sie Zerstörung nicht zwangsläufig als etwas Negatives; es geht ihr vielmehr um den Vorgang der Veränderung, um das Prozesshafte. In der Regel sind es ausrangierte Möbelstücke, Schrottteile und sogenanntes „Unnützes“, die ihr als Untergrund für ihre bildlichen Deformationen dienen. 

rART/bra


Die Ausstellung „Berge begegnen sich nicht – Sechs Iranische Künstler“ wird bis zum 20. März 2016 gezeigt.

Kunsträume der
Michael Horbach Stiftung

Wormser Straße 23
50677 Köln

Tel. 0221 / 29993378
Öffnungszeiten 
MI, FR 15.30 – 18.30 Uhr,
SO 11 – 14 Uhr
sowie nach Vereinbarung

 

 

 

 

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